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Der Artikel „Hermann Burte“ in der deutschen Wikipedia - neutral?
(Stand 29. 3. 2009)

Das Kapitel "Leben" - Das Kapitel "Wirken" - Das Kapitel "Zitate" - Das Kapitel "Auszeichnungen und Ehrungen" - Die Literatur-Liste - Einzelnachweise; der Umgang mit Quellen - Die Weblinks - Die Autoren - Zusammenfassung

Die deutschsprachige Wikipedia ist innerhalb weniger Jahre zum wohl beliebtesten enzyklopädischen Nachschlagewerk im deutschen Sprachraum geworden. Sie hat alle anderen Lexika weit hinter sich gelassen. Manch ein Schüler nutzt für seine Hausaufgaben und Referate ausschließlich die Wikipedia als Quelle, selbst Wissenschaftler schauen mal nebenbei in das Internet-Lexikon. Häufig bringt Google einen Wikipedia-Artikel als ersten Beleg. Könnte in dieser beinahe schon monopolartigen Stellung auch eine Gefahr liegen?

Ein enzyklopädischer Artikel über eine Person - heiße sie nun Hermann Burte oder anders - muss diese wahrheitsgemäß und allseitig darstellen. Das ist auch das erklärte Bestreben der Wikipedia. Da in der Wikipedia aber jedermann – auch anonym – mitarbeiten kann, gleiche Rechte hat und keine Kompetenz nachweisen muss, kann es dazu kommen, dass Inhalte durch gesellschaftliche Kräfteverhältnisse beeinflusst werden. Zwar sind alle Mitarbeiter des Internet-Lexikons dazu aufgerufen, objektiv und neutral zu sein, doch die Ansicht dessen, was objektiv und neutral ist, unterliegt der öffentlichen Meinung. In politisch umstrittenen Fällen kann es dazu kommen, dass Mehrheitspositionen obsiegen. Dass diese Positionen wissenschaftlich haltbar sind, ist damit nicht gesagt. Und dass sich wissenschaftlich arbeitende Personen gegen politische Seilschaften durchsetzen können, ist ebensowenig gesagt.

Eine allseitige, wahrheitsgemäße Darstellung bedeutet unter anderem, dass Stärken und Schwächen, Können und Versagen einer Person dargestellt werden. Die Gewichtung der Themen muss enzyklopädischen Zwecken entsprechen. Wie ist zum Beispiel Johann Peter Hebel, ein bekannter alemannischer Dichter, ein Vorgänger von Hermann Burte, zu behandeln? Er stand dem badischen Herrscherhaus und eben so lange wie dieses auch Napoleon I. nahe. Obwohl Napoleon Europa mit Krieg überzog und badische Soldaten als Kanonenfutter benutzte, und auch wenn der badische Großherzog mit Unterstützung Napoleons katholische Rechte, Institutionen und Traditionen unterdrückte, darf die Nähe des Dichters zur Macht nicht zum Deh- und Angelpunkt eines enzyklopädischen Biographieartikels gemacht werden. Im Mittelpunkt muss seine Leistung als Dichter stehen – das, was ihn zu einer relevanten Person macht und seine Aufnahme in eine Enzyklopädie rechtfertigt, in der sonst nicht jeder Anhänger des Großherzogs und Napoleons aufgenommen wird.

Ob der Artikel Hermann Burte in der deutschen Wikipedia (Stand vom 29. 3. 2009) enzyklopädischen Anforderungen genügt, neutral und gelungen ist, soll im Folgenden überprüft werden. Hermann Burte war deutscher und alemannischer Dichter und Maler; sein dichterisches Schaffen – jugendliche Versuche nicht mitgezählt - begann 1905 und endete erst 1960 mit seinem Tod. In die Kritik kam Hermann Burte wegen seiner Verstrickung im Nationalsozialismus.

Die untersuchte Artikelversion vom 29. März 2009 ist hier erreichbar.

Das Kapitel „Leben“

Im Kapitel „Leben“ wird – nicht ganz unzutreffend – zum ersten großen Werk Hermann Burtes erklärt:

Der ideologische Einfluss Nietzsches und der ‚völkischen Bewegung’ ist – wie die allgemeine Grundstimmung in der deutsch-völkischen Kulturszene der ausgehenden wilhelminischen Epoche schon im Roman „Wiltfeber der ewige Deutsche. Die Geschichte eines Heimatsuchers (1912) unverkennbar.

Der Artikel geht weiter:

Darin schrieb Burte unter anderem: „Du bist ein Mann aus deutschem Blute, aber deutsch heißt völkisch, und arisch heißt herrisch...“.

Aus dem über 350 Seiten umfassenden Werk Burtes wird also ein einziger Satz herausgegriffen. Der Leser erfährt nicht, wer diesen Satz im Roman warum gesagt hat und auch nicht, warum er herausgegriffen wurde. Doch die Worte „deutsches Blut“, „völkisch“, „arisch“ und „herrisch“ – im Jahre 1911 geschrieben und 1912 publiziert – verfehlen ihre Wirkung auf den Leser von 2009 nicht, der diese Vokabeln auch aus dem Munde von Hitler gehört hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass Leser hinter diesen Begriffen nationalsozialistischen Inhalt vermutet, ist nicht gering. Doch zu dieser Zeit hatte noch nicht einmal Hitler seine Ideologie voll ausgebildet.

Was bei Burte dahinter steckt, könnte nur eine gründliche Analyse des Romans, aber auch der anderen Äußerungen des Dichters in dieser Zeit, ergeben. Der Artikel leistet das nicht, er zitiert auch keine wissenschaftliche Arbeit, die das geleistet hätte.

In den drei Jahren nach dem Roman „Wiltfeber“ schrieb Burte in schneller Abfolge weitere erfolgreiche Werke, in denen völkisches Vokabular so gut wie keine Rolle spielt. 1913 die meisten seiner alemannischen Gedichte, die aber erst 1923 gesammelt im Band „Madlee“ erscheinen konnten, dann: Die Flügelspielerin (1913, 77 Sonette); das Schauspiel "Herzog Utz" (1914), das Drama „Katte“ (1914) und das Bühnenstück "Der letzte Zeuge" (1914). Sein Drama Warbeck war 1915 fast fertig, erschien aber erst 1936 im Druck. Die Jahre 1911 bis 1915 sind Burtes produktivste überhaupt. Der Erste Welkrieg bremste dann das Schaffen des Dichters aus, 1917 erschien noch das biblische Schauspiel „Simson“, in diesem Jahr schrieb Burte auch das Manuskript zu „Mit Rathenau am Oberrhein“, das 1925 und 1948 erschien.

Das Drama „Katte“ wird im Artikel genannt, aber – anders als „Wiltfeber“ – nicht besprochen. Über dieses zwei Jahre nach dem „Wiltfeber“ erschienene Werk urteilte Propagandaminister Goebbels 1936: „Das Stück ist ein Attentat auf die Tränendrüsen. Zu sentimental. (...)“ Zum Verfasser von „Katte“ meinte Joseph Goebbels: „Ich lerne Burte kennen. Keine Leuchte. Ein alemannischer Spießer."(1) Dieses aufschlussreiche Einschätzung von Goebbels wird im Wikipedia-Artikel jedoch ignoriert; es finden sich dort ausschließlich Zitate, die Burte zu kompromittieren suchen (siehe weiter unten "Das Kapitel Zitate"). 

Die anderen Werke aus Burtes Hochphase werden nicht einmal erwähnt. Damit wird eine Auslese getroffen, die die „völkische“ Seite Burtes verabsolutiert. Bezeichnenderweise schließt sich an die rudimentäre Besprechnung des „Wiltfeber“ der Satz an:

Burte wurde so schnell zum Verfechter völkischer Ideologie und schließlich auch eifriger Unterstützer des Nationalsozialismus.

Zwischen dem Roman von 1912 und der sogenannten "eifrigen" Unterstützung des Nationalsozialismus durch den Dichter wird damit eine Verbindung gezogen.

Die wertende Rethorik wird deutlich, wenn man den Satz in ein anderes Leben verlegt. Bertolt Brecht schrieb schon um 1930 Werke wie „Die Maßnahme“ oder „Die Mutter“, in denen der Kommunismus und die Kommunistische Partei gelobt wird. Doch der Artikel „Bertolt Brecht“ in der deutschen Wikipedia hütet sich, anküpfend an diese frühen Werke zu schreiben: „Brecht wurde so schnell zum Verfechter kommunistischer Ideologie und schließlich auch eifriger Unterstützer des Komunismus und seiner Herrschaft in der DDR.“ Da der Stalinismus 1930 schon real als Herrschaftssystem existierte, könnte, in der Diktion des Burte-Artikels, auch geschrieben werden: „Er war Apologet des Stalinismus.“ Gegen einen linken Dichter gerichtet würde aber solcherart Polemik jedermann sofort ins Auge fallen.

Während Burte später im Artikel ohne Wenn und Aber als „Antisemit, Rassist und Gegner der Aufklärung“ bezeichnet wird, fehlt jeder Hinweis auf die Freundschaft, die Hermann Burte und der jüdische Industrielle und Politiker Walther Rathenau 1912 bis 1918 pflegten. Diese Freundschaft entstand durch eine Reaktion Rathenaus auf den Roman „Wiltfeber“, den er in seinem Brief vom 22. März 1912 für „ein starkes und stolzes Buch“ hielt und der ihm eine Freundschaft mit Burte erstrebenswert erscheinen ließ. Burte hat auch seine weiteren Werke bis 1918 mit Rathenau diskutiert oder ihn wenigstens davon in Kenntnis gesetzt – der Briefwechsel(2) der beiden zeugt davon. Burtes politisches Denken zwei, drei Jahre nach dem Roman "Wiltfeber" wird in einem gesonderten Artikel beleuchtet.

Der Satz

Burte wurde so schnell zum Verfechter völkischer Ideologie und schließlich auch eifriger Unterstützer des Nationalsozialismus.

verweist mit seinem „so“ auf den Roman „Wiltfeber“. Mit den nächsten zwei Sätzen wird eine weitere Untermauerung dieser Behauptung versucht, die den Tatsachen jedoch nicht standhält. Die Sätze lauten:

Bereits 1925 ließ er sich einen Schreibtisch mit Hakenkreuzmotiven nach eigenem Entwurf anfertigen. 1931 schrieb er unter dem Titel Der Führer Weiheverse auf Adolf Hitler, die später in Bühners Anthologie Dem Führer erneut abgedruckt wurden.

Dass sich Burte einen Schreibtisch mit Hakenkreuzmotiven anfertigen ließ, trifft zu; falsch ist, dies („bereits 1925“) in eine Verbindung mit der NSDAP zu bringen. Das Hakenkreuz ist ein Zeichen, das unterschiedliche Gruppen der völkischen Bewegung verwendeten, unter denen die Nationalsozialisten nur eine waren. Hermann Burte war – die Version vom 29. 3. 2009 des Artikels schafft es, dies zu ignorieren – seit 1919 Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). Seit 1924 gab Burte den "Markgräfler" mit heraus, der die Politik der DNVP vertrat. Burte hatte mit der Bewegung Hitlers nichts zu tun. Die Hakenkreuze auf seinem Tisch zeugten nur in sehr vaguer Form von einer Verbindung zum Nationalsozialismus. So verwenden auch die heutigen Parteien SPD und „Linke“ die Farbe rot in ihren Symbolen, sind aber politisch höchst unterschiedlich und Konkurrenten. Solche Parallelen sagen wenig aus. Gar von einer „eifrigen Unterstützung“ des Nationalsozialismus durch Burte kann 1925, ja, in der ganzen Weimarer Zeit, keine Rede sein. Die Hakenkreuze der Nazis und die auf Burtes Schreibtisch waren auch optisch nicht verwechselbar: In der Mitte des Tisches war das nur schwer erkennbare Hakenkreuz Teil eines Ornaments, das nach Burte eine alemannische Brosche darstellen sollte. Am Rand des Tisches verlief ein Band mit verschlungenen Hakenkreuzen, wie sie im alten Griechenland an Hausfirsten vorkamen und heute noch auf griechischen Blumentöpfen im Handel sind.

Das Gedicht „Der Führer“ wurde von Burte – anders, als der Artikel behauptet und auch seine Quelle, Klees „Kulturlexikon des Dritten Reiches“, nahe legt – nicht mit Blick auf Hitler geschrieben. Der „Führer“ von Burtes Partei war Alfred Hugenberg; das Gedicht erschien erstmals am 31. 3. 1931 im "Markgräfler". Dass Burte (und Kreise außerhalb der NSDAP) mit der Vorstellung eines „Führers“ sympatisierten, wäre dagegen richtig, steht aber nicht im Artikel. Richtig ist auch, dass Burte im Dritten Reich gestattete und förderte, dass dieses Gedicht als Hitler-Gedicht interpretiert wurde.

Der „Hakenkreuztisch“ und das Gedicht „Der Führer“ sind in einer Kurzbiographie, in der bedeutende Werke des Dichters und seine Hauptschaffensphase unerwähnt und unbesprochen bleiben, ohne Relevanz – die Aufnahme dieser Details in den Wikipedia-Artikel, Stand 29. 3. 2009, würde von Dilettantismus zeugen, wenn nicht ein wichtiger Zweck damit verfolgt würde: Zu „beweisen“, das Burte schon 1924 Nazi war oder Hitler schon vor 1933 sehr nahe stand.

(Abbildung: Hermann Burte am "Hakenkreuztisch", Quelle: Austellungsprospekt "Hermann Burte und der Nationalsozialismus")

Danach überrascht es wenig, dass in der deutschen Artikelversion vom 29. 3. 2009 auch die Drohgebärde der Nazis im Völkischen Beobachter vom 18. 11. 1932 verschwiegen wird, in dem Burte vorgeworfen wird, er leiste sich „nicht wiederzugebende Beschimpfungen des erwachenden Deutschlands“(3) – womit natürlich die Nazis sich selbst meinten.

Der "Markgräfler", das von Burte 1924 bis 1932 mit herausgegebene Blatt, erfährt die gleiche Behandlung wie sein Roman "Wiltfeber". Ihm wird vorgeworfen:

Von 1924 bis 1932 trug Burte als Mitherausgeber und maßgeblicher Mitarbeiter der in Lörrach vierzehntäglich erscheinenden deutschnational-völkischen Zeitschrift Der Markgräfler zur Schwächung der Weimarer Republik und ihrer Institutionen bei. So lautete z.B. die Devise vom 15. Januar 1925: „Der Markgräfler bekämpft rücksichtslos und ohne Menschenfurcht den demokrätzigen Parlamentarismus (…).“

Hätte der Leser die Möglichkeit, den ganzen Markgräfler-Artikel, in dem dieser Halbsatz steht, zu lesen, würde er finden, was dem Verfasser am „demokrätzigen Parlamentarismus“ nicht gefällt: In der zweiten Hälfte des Satzgefüges steht nämlich, dass seine „Schurkerei“ darin besteht, „politischen Einfluss in finanzielles Einkommen zu verwandeln“. Er würde auch finden, dass nicht Burte, sondern „Verlag, Schriftleiter und Mitarbeiter des ‚Markgräfler’“ die Unterzeichner des Artikel sind – Burte gehört freilich zu ihnen.

Hier wird eine Zeitschrift, die acht Jahre erschien und verschiedene, profunde Auseinandersetzungen mit dem Parlamentarismus veröffentlichte, durch Zitieren eines Halbsatzes madig gemacht. Der anklagende Satz, Burte habe über den "Markgräfler" zur Schwächung der Weimarer Republik begetragen, ist populistisch.

Angenommen, im Artikel „Hans-Magnus Enzensberger“ würde dessen „Kursbuch“ der Jahrgänge 1968 bis 1976 in zwei Sätzen abgehandelt – einer davon ein sinnentstellend verkürztes Zitat, der andere die Behauptung, Enzensberger habe mit dem „Kursbuch“ zur Schwächung der Bonner Republik beigetragen. Eine solche Rethorik im Bezug auf ein linkes, systemkritisches Periodikum ist in der deutschen Wikipedia undenkbar. So enthalten sich etwa die Artikel „Hans-Magnus Enzensberger“ und „Kursbuch (Zeitschrift)“ der deutschen Wikipedia (Stand 29. 3. 2009) jeder Kritik an diesem Organ, das zu den wichtgsten der Außerparlamentarischen Oppostition und der Studentenbewegung gezählt wird. Etwa gegen die von Enzensberger, Dutschke, Rabehl und Semler allein in Kursbuch 14 (August 1968) geschmiedeten Revolutionspläne nimmt sich die Parlamentarismuskritik im „Markgräfler“ wie Verlautbarungen eines Kaffeekränzchens von Lady-Di-Liebhaberinnen aus.

Unter den Tisch fällt im deutschen Burte-Artikel auch, dass für den Schriftsteller und die DNVP die Alternative zur Weimarer Republik nicht eine nationalsozialistische oder kommunistische Diktatur, sondern eine Wiederherstellung der konstitutionellen Monarchie war, die neben einem starken Staatsoberhaupt (Kaiser) auch ein Parlament (Reichstag) gehabt hatte.

Auch der nächste Satz selektiert wider:

Am 12. Juni 1933 schrieb der Kirchgänger Strübe-Burte an einen Freund: „Unter den jüdischen Büchern, die man am kommenden Sonntag in Karlsruhe fast amtlich verbrannt, fehlt - die Bibel!“

Hermann Burte war tief religiös – dies zeigen seine Dramen, seine Lyrik, aber auch seine Kirchentreue im Nationalsozialismus, wo er auch religiöse Gedichte für die Oberbadische Zeitung schrieb. Letztere bat am 29. 3. 1944 um ein weiteres Gedicht zu Ostern, schränkte jedoch ein: "Aber bitte nicht zu 'fromm'! Ihre letzten Gedichte stiessen in bestimmten Kreisen auf Einwendungen. Sie dagegen zu verteidigen, war mir eine selbstverständliche Pflicht der geistigen Kameradschaft." (Quelle: Hermann-Burte-Archiv Maulburg; siehe Abbildung)

Der Komplex der Religiosität Burtes wird im Artikel ignoriert, eine Stellungnahme Burtes zu Fragen der Religion wird nur hier an dieser Stelle gebracht, wo sie – durch Kürzung verfälscht – gegen ihn zu sprechen scheint. Eine weitere Bemerkung – die Qualifizierung des Gedichts „Der Führer“ als „Weiheverse auf Adolf Hitler“ - lässt Burte (1931!) quasi als Priester der Nazibewegung erscheinen.

Der Satz in der Artikel-Version vom 29. 3. 2009 legt nahe, Burte wolle, dass von den Nazis in Karlsruhe auch die Bibel verbrannt werde. Sein „Kirchgänger“-Sein wird damit ad absurdum geführt. Der ungekürzte Brief Burtes an Nohl zeigt jedoch, dass Burte den Nationalsozialismus für eine „Episode“, für „Dreck“ hielt und dass er die Bücherverbrennungen ablehnte – er hielt sie für eine „Kampfmethode der Todfeinde“ der Deutschen – „Todfeinde im Wesen“. Die ungekürzte Äußerung im Brief Burtes an Nohl lautet wie folgt:

„Dinge, wie die sog. nationale Revolution muss man, um wahr zu sein, religiös bewerten. Was aus der Materie kommt ist Dreck und geht zum Dreck zurück. Unter den jüdischen Büchern, die man am kommenden Sonntag in Karlsruhe fast amtlich verbrennt, fehlt – die Bibel! Diese Tatsache, dass man nicht folgerichtig sein darf, wiegt ungeheuer schwer zu Gunsten der Anderen. Wir geraten als Volk in den Fluch, den galuth, wie die Juden, wenn wir nicht im Geiste bleiben! An den sechstausend Jahren gemessen, in deren Lauf Gottes Wort sich als wahr erwies, ist die jetzige Bewegung in Deutschland eine Episode. Die Deutschen haben völlig die Kampfmethoden ihrer Todfeinde – Todfeinde im Wesen - angenommen!“

Eine Interpretation dieses Textes findet sich hier.

Die Fälschung dieses Zitats durch selektive Kürzung und die Unterstellung, Burte wollte die Bibel verbrannt haben, kann nur als dreist bezeichnet werden.

Im nächsten Satz wird suggeriert, dass der Antrag Burtes auf Aufnahme in die NSDAP Anfang 1936 mit der bevorstehneden Verleihung des Johann-Peter-Hebel-Preises im Zusammenhang steht - ein Beleg für diese Vermutung fehlt. Nach eigenen Angaben(4) trat Burte auf Wunsch des Reichsdramaturgen Dr. Rainer Schlösser in die Partei ein.

In der Version vom 29. 3. 2009 geht es weiter:

Er war Antisemit, Rassist und Gegner der Aufklärung.

Dieser Satz wird in seiner Plakativität dem Dichter nicht gerecht und ist so in einem enzyklopädischen Artikel fehl am Platz. Auch der Artikel „Bertolt Brecht“ (Stand 29. 3. 2009) erwähnt, dass Brecht „sich in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre zum überzeugten Kommunisten“ entwickelte – diese Bemerkung wirkt aber nicht plakativ und als Brandmarkung, da der Artikel ausführt, was das für die künstlerische Arbeit bedeutete – so etwa: „Mit seinen Werken wollte Brecht gesellschaftliche Strukturen durchschaubar machen, vor allem in Hinsicht auf ihre Veränderbarkeit.“ Der Artikel „Bertolt Brecht“ ist voll von unpolemischen, nützlichen Hinweisen zur Arbeit, den Methoden und Inhalten von Brecht. Der Leser erkennt, dass „Kommunist sein“ bei Brecht nicht oder nicht unbedingt bedeutet, Ein-Parteien-Diktaturen, Straflager für Dissidenten, Einmarsch in abtrünnige Staaten usw. zu propagieren. Wenn Brecht für die kommunistische Herrschaft eintritt, glaubt er, für das Volk und seine Befreiung zu arbeiten (da geht es ihm wie Burte) – einige seiner Werke nähren die entsprechenden Illusionen.

Doch im Artikel "Hermann Burte" fehlt jede Beschreibung seiner künstlerischen Arbeit im Dritten Reich – die Darstellung reduziert sich darauf, ihm die Etiketten „Antisemit“, „Rassist“ und „Gegner der Aufklärung“ zu verpassen. Darüberhinaus werden lediglich einige Dinge kolportiert, die den Dichter in ihrer unrichtigen Form gesteigert belasten.

Was fehlt, sind die – damals nicht gerade im Trend der Zeit liegenden – Übersetzungen von Gedichten Voltaires aus dem Französischen (1934), das Drama Warbeck, das 1936 veröffentlicht wurde und in dem Burtes pazifistische Grundstimmung deutlich wird, der Gedichtband „Anker am Rhein“ (1938), in dem Hitler, die Partei und die Juden keine Erwähnung finden. Auch Burtes Operntext „Das Schloss Dürande“ (1941), der von Hermann Göring als Produkt eines „absolut Wahnsinnigen“(5) bezeichnet wurde, wird ignoriert. Allein Burtes alemannisches Gedicht „Hebel rassisch!“ (1939) würde das Etikett „Rassist“ als unbrauchbar überführen, doch dazu kann es nicht kommen, denn der Artikel verschweigt das Gedicht.

Nach dem Kriegsausbruch fand Burte nicht mehr die Muse zu dichterischer und künstlerischer Arbeit (er war auch Maler), die er sich wünschte. Burte meinte, dass - wie die Soldaten an der Front - die Dichter im Innern Dienst tun müssten. Er hielt Reden, in denen er zu Themen von Literatur und Kunst sprach, aber auch Hitler und das Deutsche Reich lobte und so zum Zusammenhalt des im Krieg stehenden Landes beitrug. Diese Reden liegen oft nicht auf der Linie der Partei, auch die antisemitische „Rede an Bartels“ nicht, die meisten enthalten aber – gewöhnlich im Schlussteil – eine Hitler-Panegyrik.

Der Artikel der deutschen Wikipedia (Stand 29. 3. 2009) bringt nicht nur keine enzyklopädische Darstellung dieser Reden, sondern ignoriert sie (!). Der Eindruck, dass die Autoren nur sehr rudimentäre Kenntnisse über Burte haben, drängt sich besonders deutlich auf, wenn es im nächsten Satz heißt:

Er verehrte den Antisemiten Adolf Bartels sowie Adolf Hitler

Als Beleg für die „Verehrung“ von Adolf Hitler – es gäbe Dutzende bessere – bringt der Artikel in der Fußnote erneut jenes Gedicht „Der Führer“ von 1931, aus einer Zeit, in der Burte zu Hitler in politischer Konkurenz stand. Die Aussage „Er verehrte den Antisemiten Adolf Bartels“ ist ebenfalls keine Zierde für eine Enzyklopädie. Das Bemühen, einen Beleg für Burtes Antisemitismus zu bringen, ist unverkennbar; doch dazu müsste man etwa seine „Rede an Bartels“ lesen und verstehen oder eine zitierwürdige Quelle haben. Aber auch eine korrekte Darstellung von antisemitischen Äußerungen Burtes im Dritten Reich bliebe in einem Artikel, der Burtes Freundschaften mit den Juden Walther Rathenau und Nathan Katz ignoriert, einseitig.

Der Artikel wartet nun mit weiteren belastenden Details auf, die in ihrer falschen Darstellung Burte zusätzlich schaden:

Der „Führer“ bedankte sich zum 65. Geburtstag mit 15.000 Reichsmark. Selbst vor Spitzelberichten an den Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) schreckte Burte nicht zurück. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs nahm ihn Adolf Hitler im August 1944 in die Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Schriftsteller auf.

Aus den Quellen

„Blümeli im Morast - Hermann Burtes alemannische Idyllen sind von seiner Ideologie korrumpiert“, Der Sonntag, 8. Juli 2007 und „Burte - ein uneinsichtiger Verstrickter“, Die Oberbadische, 14. Juli 2007

wird also geschöpft, dass Burte 15.000 Reichsmark vom „Führer“ zum Dank erhalten habe. Diese Quellen geben schon in ihren Titeln zu erkennen, dass sie parteiisch sind. Beide stützen sich auf die Ausstellung „Hermann Burte und der Nationalsozialismus“ 2007 in Lörrach, in der die Kuratorin Katryn Babeck vertrat, "aus der Privatkasse des Führers erhält er zudem 15.000 RM, was aber nicht öffentlich erwähnt wird."

Diese Ausstellung wurde bereits 2007 einer grundlegenden, im Internet abrufbaren Kritik unterzogen. Auch das Detail über die 15.000 Mark aus der „Privatkasse des Führers“ war so nicht haltbar. Tatsächlich erhielt Burte nicht von Hitler, und schon gar nicht aus seiner „Privatkasse“, sondern aus dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda am 15. 2. 1944 eine geheime "Ehrengabe" von 15.000 Reichsmark. Sie wurde dem Kulturfilm-Förderungsfonds entnommen und von Dr. Otto Henning aus dem Propagandaministerium mit einem Begleitbrief von Joseph Goebbels überbracht. Dass diese Dotation aus „Dank“ für etwas erfolgte, ist nicht belegbar. Mehr dazu hier.

Auch das Detail mit den „Spitzelberichten“ ist so nicht haltbar. Es bezieht sich auf drei Berichte Burtes aus dem Basler PEN-Club an die Lörracher Sicherheitsdienststelle. Der Autor der im Wikipedia-Artikel angegebenen Quelle, Manfred Bosch, hütet sich, die Tätigkeit Burtes „Spitzelbericht“ zu nennen. Er beschreibt allgemein, worum es geht: „Dem Ziel, die Stimmung im Bereich kultureller Institutionen und literarischer Organisationen in der Schweiz richtig einschätzen zu können, diente ein Berichtsystem, das Vertrauensleute, Agenten und Zubringer kannte und für die verschiedensten Stellen tätig war.“(6) Bosch druckt den ersten der drei von Burte anfangs 1940 gelieferten Berichte über die Stimmung im Basler PEN-Club ab und überlässt dem Leser die Beurteilung. Die Berichte enthalten keine Namen von Personen, die dem Zugriff der Nazis ausgesetzt waren – es sind alles Schweizer Bürger und eine Emigrantin, die sich im – damals noch unbesetzten – Frankreich aufhielt. Burte trat offen auf, er schreibt im ersten Bericht: "Wer sich, wie ich es selbstverständlich tue, als überzeugter und treuer Anhänger Hitlers bekennt, der ist zunächst verdächtig."

Verdächtig war Burte in der Tat; ein in die Schweiz eingebürgerter Deutscher klagte Burte als Nazi an und forderte seinen Ausschluss aus der Basler Sektion des PEN-Clubs. In einer von Präsident Stickelberger durchgeführten Abstimmung lehnten jedoch die 23 Mitglieder einen Ausschluss des beliebten alemannischen Dichters bei einer Enthaltung und ohne Gegenstimmen ab.(7) Von einer klassischen Spitzeltätigkeit kann keine Rede sein, da das Element der Heimtücke fehlt. Diese Berichte gingen von der Sicherheitsdienst-Außenstelle Lörrach über den SD-Leitabschnitt Karlsruhe an das Reichssicherheitshauptamt Berlin. Siehe auch hier.

Im Artikel ist dieser Sachverhalt aufgebauscht durch die Wertung als „Spitzelbericht“, die Formulierung „schreckte ... nicht zurück“ zeugt von Parteinahme. Dass eine solche Formulierung zum Beispiel im Bezug auf einen Politiker der Linkspartei sich in der deutschen Wikipedia länger als fünf Minuten halten könnte, ist schwer vorstellbar. Etwa der Artikel „Gregor Gysi“ (Stand 29. 3. 2009) enthält sich jeder Wertung der „möglichen Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter der Stasi“ dieses Parteiführers und Mitglieds des Bundestags. Im Artikel „Hermann Burte“ (Stand 29. 3. 2009) ist die Formulierung „schreckte nicht zurück“ seit dem 9. November 2006 drin, sie wurde vom einem anonymen Benutzer eingefügt – anfangs hieß es sogar, Burte habe für die Gestapo gespitzelt – der Anonymus kannte den Unterschied zwischen Sicherheitsdienst und Gestapo nicht oder wollte ihn nicht kennen.

Die Information, dass Burte von „Adolf Hitler“ in die „Gottbegnadeten-Liste“ aufgenommen wurde, ist eine weitere Aufbauschung, durch die Burte herabgesetzt und Hitler erhöht wird. Der Begriff „Gottbegnadeten-Liste“ ist eine nationalsozialistische Nebelkerze, sie wird im Artikel unhinterfragt übernommen und auch im Artikel „Gottbegnadeten-Liste“ der deutschen Wikipedia (Stand 29. 3. 2009) nicht relativiert. Die in die „Gottbegnadeten-Liste“ Aufgenommenen hatten keinen Kriegsdienst an der Front oder in Rüstungsfabriken usw. zu tun, sondern waren verpflichtet, auf dem kulturellen Sektor „Künstlerkriegseinsatz“ zu leisten. Auf der genannten Liste waren 1041 Personen verzeichnet.

Auf eine derartige Liste, mit der Künstler unabkömmlich erklärt wurden, kam Burte bereits 1938 zusammen mit 772 weiteren Personen. Dazu schreibt Oliver Rathkolb(8): „Mit aller gebotenen Deutlichkeit muß festgestellt werden, daß es sich bei dieser Liste weder um eine Zusammenstellung von NSDAP-Mitgliedern noch von offenen politischen Sympathisanten des NS-Regimes handelt, sondern um eine subjektive Zusammenstellung der Namen von Künstlern und Künstlerinnen durch einen der einflußreichsten Beamten des Reichspropagandaministeriums aus dem Blickpunkt der Nützlichkeit bzw. auch persönlicher Sympathie oder Wertschätzung.“ Rathkolb meint, „daß das Propagandaministerium keineswegs in erster Linie um die Förderung von ‚Parteigenossen’ bemüht war, vielmehr nach dem durch die rassistischen und ideologisch determinierten Berufsverbote bedingten kuturellen Aderlaß um jeden ‚Prominenten’ kämpfte. (...) Das heißt, daß das NS-Regime auf hoher und höchster Entscheidungsebene anscheinend unpolitische bis materialistische Präferenzen zeigte und die Bedeutung der ‚reinen’ Unterhaltung als systembewahrend einstufte. Es ist kein Wunder, daß diese Auswahl Filmstars bevorzugte.“ Das heißt nicht, dass auf der Liste nicht auch „engagierte Parteimitglieder“ waren. Die Bandbreite ging auf der anderen Seite aber bis zu „engagierten Kämpferinnen um die Rechte rassistisch verfolgter Kollegen wie Käthe Dorsch.“

Diese erste Liste trägt stark die Handschrift des Leiters der Theaterabteilung im Propagandaministerium, Rainer Schlösser, und subjetive Präferenzen desselben. Bei der Gottbegnadeten-Liste dagegen „scheinen Nützlichkeitsüberlegungen derartige subjektive Präferenzen wieder überlagert zu haben“ (Rathkolb).

Neben den beiden genannten Listen gab es noch weitere. Zurück zur Formulierung im Artikel "Hermann Burte":

Hitler hat Burte sowenig in Listen aufgenommen, wie Augustus Rom ausgebaut hat. Das haben andere für ihn getan. Während die Information „Augustus baute Rom aus“ niemandem schadet, entsteht durch Formulierungen wie „der Führer bedankte sich“ (bei Burte zum 65. Geburtstag) und „Hitler nahm Burte (...) auf“ ein Eindruck von Wichtigkeit und Nähe Burtes zu Hitler, die er nicht hatte. Auf der anderen Seite wird Hitler hier zugetraut, er kenne Burte – ein Beleg dafür fehlt. Dass das Propagandaministerium und Hitler die Liste zusammengestellt hätten, behauptet – ohne Beleg – auch der Artikel „Gottbegnadeten-Liste“ (Stand 29. 3. 2009) in der deutschen Wikipedia. Rathkolb dagegen weiß nichts davon, dass Hitler die Liste mit zusammenstellte.

In den Jahren 1945 bis 1960 nahm Burte sein durch den Krieg und seinen „Künstlerkriegseinsatz“ unterbrochenes oder eingeschränktes dichterisches Schaffen wieder auf. Was sagt der Artikel darüber? Nach dem Bericht über sein Entnazifizierungsverfahren 1949 erfahren wir:

In dieser Zeit war er zunächst vorwiegend als Übersetzer französischer Gedichte tätig. Anschließend war er Mitglied beim rechtsextremistischen Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes. Sein letzter Gedichtband, Stirn unter Sternen, enthielt erneut einige Gedichte, deren Deutung kontrovers diskutiert wurde, etwa Deutscher Wille, das revisionistisch interpretiert werden kann.

Dass „Stirn über Sternen“ Burtes letzter Gedichtband ist, trifft nicht zu – dieser heißt „Lied aus Murperg“ (1959); posthum erschienen noch „An Klotzen, Rhein und Blauen“ (1963) und „Ausfahrt und Heimkehr“ (1990). Die Formulierung „war (...) vorwiegend als Übersetzer (...) tätig“ vermittelt den Eindruck einer Berufstätigkeit. „Anschließend“ sei Burte „Mitglied beim rechtsxtremistischen Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes“ gewesen – auch eine Art Berufstätigkeit? Der Artikel ermöglicht diese Deutung, und nach allem, was einem bisher in diesem Artikel über Burte glauben gemacht wurde, wäre dies nicht abwegig – Burte als Funktionär in einer „rechtsextremistischen“ Vereinigung.

Als Quelle für die Mitgliedschaft Burtes bei diesem „rechstextremistischen“ Kulturwerk wird „Das Kulturlexikon zum Dritten Reich“ von Ernst Klee angegeben. Dort besteht die Information aus dem unvollendeten Satz: “Beim einschlägigen Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes (Dudek).“ Fertig. Aus. Aber Peter Dudek, auf den sich das „Kulturlexikon“ beruft, vermeidet den Begriff „rechtsextremistisch“ im Zusammenhang mit dem „Kulturwerk“.(9)

Wieder wird das Werk Burtes nur bruchstückhaft und in einer Form erwähnt, die ihn diskreditiert. Die Übersetzung von französischen Gedichten aus vier Jahrhunderten durch Burte war kein handwerklicher Akt, keine Routinetätigkeit, sondern, wie es Prof. Dr. Paul Pfister im Nachwort zur 2. Auflage 1966 darlegt, eine dichterische Leistung.

Vor „Adler und Rose. Französische Gedichte“ (1949) hatte Burte 1948 schon „Mit Rathenau am Oberrhein“ neu herausgegeben, einen Bericht über Wanderungen und Gespräche mit dem jüdischen Industriellen, Politiker und Schriftsteller. 1950 folgte „Die Seele des Maien“, eine Sammlung meist alemannischer Gedichte um Hebel. 1953: „Psalter und Christ“, eine Sammlung religiöser Gedichte. Im gleichen Jahr der Lyrikband „Das Heil im Geiste“ und 1957 jener Lyrikband, den der Wikipedia-Artikel als einzigen nach 1945 namentlich erwähnt: „Stirn unter Sternen“. Die Deutung einiger Gedichte daraus sei kontrovers diskutiert worden – diese Information ist unbestreitbar. Das Gedicht „Deutscher Wille“ könne „revisionistisch“ interpretiert werden, gibt der Artikel weiter an. Als „Quelle“ zu dieser Interpretation nennt der Artikel in den Einzelnachweisen Wolfgang Heidenreichs Rundfunksendung, die weiter unten noch erwähnt werden wird. Der Beleg ist falsch: Weder in der Südwestfunk-Sendung noch im in der Quelle zusätzlich angegebenen Weblink Heidenreichs wird das Gedicht „Deutscher Wille“ besprochen – vielleicht verwechselt der Autor es mit dem Gedicht „Gerechter Staat“, das Heidenreich eklatant fehlinterpretiert hat. Mehr zu dieser Fehlinterpretation siehe hier

Für den Leser des deutschen Artikels, Stand 29. 3. 2009, bleibt unter dem Strich der Eindruck: Dichterisch hat sich 1945 bis 1960 bei Burte nicht viel getan. An Details erfährt er nicht viel mehr, als dass er in einer „rechtsextremistischen“ Kulturvereinigung Mitglied gewesen sei und unter seinen Gedichten „revisionstische“ gewesen seien, also solche, die allgemein anerkannte Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft (natürlich bezüglich des Nationalsozialismus) abstreiten. Darf es nach dieser inquisitorischen Behandlung des Dichters noch verwundern, dass das Kapitel „Leben“ gleich danach mit einer präzisen Angabe seiner Todesursache abschließt, die offen stellt, ihn für einen Trinker zu halten:

Mit 81 Jahren starb Burte in Lörrach ein einem Leberleiden (...)

(Schreibfehler im Original.)  

Das Kapitel „Wirken“

Das Kapitel „Wirken“, das sich nun anschließt, enthält ganze vier Sätze zu Burtes Wirken. Zum Vergleich: Im Artikel „Bertolt Brecht“ dominiert die Besprechung seines dichterischen Schaffens und seiner Werke haushoch; dabei müssen auch die verlinkten Artikel über einzelne seiner Werke gezählt werden. Der Satz

Bleibend sind, solange der Dialekt gelebt wird, Burtes alemannische Gedichte, mit denen er einen Ruf als wirkungsstärkster Lyriker alemannischer Sprache nach Johann Peter Hebel erlangte (...)

ist zutreffend, aber mit einer Einschränkung: Burtes alemannische Gedichte (die Namen der zwei Bände, wo sie hauptsächlich gesammelt sind, sind im Fließtext leider unerwähnt) werden auch bleiben, wenn der Dialekt nicht mehr gelebt wird. Ist nicht auch die Lyrik Walters von der Vogelweide bleibend, obwohl kein Mittelhochdeutsch mehr gelebt wird? Mit den Eigenschaften, die schon 1924 der Schweizerische Literaturhistoriker Otto von Greyerz in diesen Gedichten entdeckte(10), werden sie als bedeutsam eingestuft bleiben, solange es eine wissenschaftliche Beschäftigung mit deutschsprachiger Literatur gibt, zu der die alemannische zählt.

Nach vier Sätzen einer halbwegs wohlwollenden Würdigung des Dichters gelingt es Autoren nun erneut, einen Weg zu finden, Schriften von Burte als welche vorzuführen, die

„faschistischen oder militaristischen Inhalt haben, politische Expansionsgedanken enthalten, die nationalsozialistische Rassenlehre vertreten oder sich gegen die Alliierten wenden“

Auch der Rest und der größte Teil des Kapitels „Wirken“ widmet sich der politischen Anklage gegen den Dichter. Doch der Artikel auf dem Stand vom 29. 3. 2009 macht hier den Bock zum Gärtner: Man zitiert die „Liste der Auszusondernden Literatur“ aus der sowjetischen Besatzungszone, auf der Burte mit sechs Schriften genannt ist. Diese Zensurliste, die bis 1948 fast 30.000 Titel erreichte, wurde auf Befehl der sowjetischen Militärverwaltung 1945 begonnen und von der „Deutschen Verwaltung für Volksbildung“ erstellt. Das Aufrufen dieser Liste als Zeuge verrät mehr über die beteiligten Wikipedia-Autoren als über Burte. Eines der zensierten Burte-Werke – „Vom Hofe, der unterging“ – ist ein Ausschnitt aus dem Roman „Wiltfeber“, für den Burte 1912 den Kleist-Preis bekommen hatte. Diesen Preis erhielt 1922 auch Bertolt Brecht.

Der Artikel „Liste der Auszusondernden Literatur“ in der deutschsprachigen Wikipedia (Stand 29. 3. 2009) stellt diese Zensurliste ohne nachvollziehbare Begründung in einen Gegensatz zur „Liste verbotener Autoren“ der Nazis und gibt ihr den Anschein einer demokratischen Existenzberechtigung, indem geschrieben wird, dass sie „auch außerhalb der sowjetischen Zone gewürdigt und zu Rate gezogen wurde“.

Dagegen ignoriert der Artikel „Hermann Burte“, dass in den westlichen Zonen das Schaffen Burtes durchaus gewürdigt wurde; 1948 erschien in Heidelberg, in der amerikanischen Besatzungszone, mit amerikanischer Lizens Burtes „Mit Rathenau am Oberrhein“. Dies und später die oben bereits erwähnten acht weiteren Werke Burtes erschienen neu, ferner gab es in den Nachkriegsjahrzehnten auch zwei Neuauflagen der „Madlee“ (1951 und 1993), die letztere mit einem Vorwort des schweizerischen Professors für deutsche Sprache und Literatur, Georg Thürer, der zur Zeit des Zweiten Weltkriegs an führender Stelle in der Schweizer antitotalitären Widerstandsorganisation Res Publica tätig gewesen war. 1978 erschienen „Ausgewählte Gedichte“ Burtes aus fünf Jahrzehnten. Der Artikel „Hermann Burte“ ignoriert auch die meisten der fast zwanzig Werke Burtes, die vor 1933 erschienen und nicht auf der Zensurliste stehen.

Der letzte Absatz im Kapitel „Wirken“ führt Burtes in diesem Artikel inhaltlich so gut wie nicht besprochenes Werk noch einmal (!) vor, und zwar mit einer Entscheidung des Oberschulamts Freiburg, die im Artikel zitiert ist und in der es heißt, dass

„im Werk Hermann Burtes starke nationalistische, brutal sozialdarwinistische und nicht zuletzt auch antisemitische Passagen, also wesentlich der nationalsozialistischen Ideologie verhaftete Elemente, enthalten sind. […] Denn nicht etwa beiläufige und einmalige, sondern symptomatische und durchlaufende Teile im Werk Hermann Burtes stehen im diametralem Gegensatz zum Erziehungsauftrag der Schule, wie er im Grundgesetz, in der Landesverfassung und im Schulgesetz niedergelegt ist.“

Zur Aussagekraft dieses Zitats siehe weiter unten, Kapitel „Zitate“, bei Zitat 7. Was der Artikel am 29. 3. 2009 nicht sagt: Diese Entscheidung gehört, neben der Rundfunksendung von Heidenreich, 1978 zu den Höhepunkten einer politischen Kampagne, in der Burte diskreditiert wurde. Die Stimmen der Neutralen und der Verteidiger Burtes in dieser Kampagne werden im Artikel verschwiegen.(11) Zur selben Zeit hatte Bertolt Brecht Hochkonjunktur an den Schulen in der Bundesrepublik Deutschland und in Südbaden. Die Entscheidung des Oberschulamts könnte auch auf Brecht angewendet werden, dazu müsste aber der Name Burte durch Brecht und das antifaschistische Vokabular durch antikommunstisches ersetzt werden. Glücklicherweise hat das niemand versucht und sich damit durchsetzen können. Sonst wären damit nicht nur einer, sondern zwei fähige und beachtenswerte Dichter hingerichtet worden.

Das Kapitel „Zitate“

Diese Zitate sind so ausgewählt, dass sie Burte in den Augen Unwissender ausnahmslos belasten oder diskreditieren. Die – nach Jahrzehnten der Dämonisierung des Dichters - selten gewordenen Burte-Kenner sehen dagegen sofort, dass hier selektiert wird. Von den Dutzenden Stellungnahmen namhafter Persönlichkeiten, die für Burte sprechen oder ihn differenziert sehen, ist keine einzige aufgeführt. Einige davon sind hier zu finden.

Zu Zitat 1: Hier wird ein neuer Versuch unternommen, den Burte des Jahres 1924 als „Heraufbeschwörer“ des Dritten Reiches darzustellen. Doch sein Satz

Wenn der Nationalismus sozial und der Sozialismus national geworden sind, wächst das dritte Reich in seine Kraft und bleibt.

bedeutet keine Heraufbeschwörung des später real existierenden Dritten Reiches. Dies zu unterstellen, ist ebenso unredlich wie Brechts Frühwerken zu unterstellen, sie hätten den Stalinismus und die Diktatur der SED heraufbeschworen (siehe oben). Die Autoren ignorieren oder verschweigen das in der gleichen (!), nämlich der ersten Nummer des „Markgräfler“ als Leitwort veröffentlichte Burte-Gedicht „Deutsche Leute“, in dem es heißt: „Nicht nach außen neue Kriege! / Innen blühn die wahren Siege. / Lieber Deutscher, rauh und zart, / Finde heim zu deiner Art!“

Zu Zitat 2: Das Zitat von Erich Wirsing kann nur einschätzen, wer über die Möglichkeiten, Zwänge und Gepflogenheiten öffentlicher Verlautbarungen im Dritten Reich Bescheid weiß. Dieses Wissen zu vermitteln ist in einer Kurzbiographie schwer möglich. Das Zitat dennoch zu bringen bedeutet Populismus. Ein nichtöffentliches Schreiben Wirsings an Burte wird von den Autoren dagegen ignoriert oder verschwiegen. Darin nimmt Wirsing Burte gegen „gewisse Kreise“ – nämlich die 150-prozentigen Nazis – in Schutz. Siehe Abbildung oben.

Zu Zitat 3: Da der Artikel „Hermann Burte“ (Stand 29. 3. 2009) nicht den Charakter eines enzyklopädischen Artikels, sondern den einer Anklageschrift hat, in der nichts (!) Entlastendes enthalten ist, wirkt auch ein unverständliches Zitat wie das aus „Deutscher Wille“ belastend, noch dazu, wenn im Zusammenhang dieses Zitatfetzens Burte ein „Kriegerklärer in Permanenz“ genannt wird.

Zu den Zitaten 4 bis 6: Die satirischen Äußerungen der Schriftsteller Franz Blei, Kurt Tucholsky und Thomas Mann sind in einem enzyklopädischen Artikel über Burte ebenso fehl am Platz wie es satirische Äußerungen Burtes in den Artikeln „Kurt Tucholsky“, „Thomas Mann“ usw. wären.

Zu Zitat 7: Die Stellungnahme von Gerhard Storz beruft sich auf eine Äußerung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, ohne sie zu zitieren. Wir erfahren hier also, dass Burtes Werk, welches vom Artikel so gut wie nicht dargestellt wird, nach Meinung der Akademie keinen Anlass zu Ehrung bietet. Diese Meinung wurde von Storz, der Burtes Bücher nicht kennt (!) – hier befindet er sich in einer überaus zahlreichen Gesellschaft – und von der Landesregierung übernommen. Die Äußerung der Akademie ist so wenig nachvollziehbar wie die im Artikel zitierte Stellungnahme des Freiburger Oberschulamts. Wir erfahren in keinem der beiden Fälle, welches Werk Burtes warum angefochten wird. Gegen aus wenigen Sätzen bestehende pauschale Anfechtungen, bei denen niemand weiß, worauf sie sich beziehen, können naturgemäß keine Gegenargumente gebracht werden – außer, dass die Anfechtung als solche inquisitorisch ist.

Zu Zitat 8: Das bis zum Stand 29. 3. 2009 letzte aufgeführte Zitat ist eines vom Altbundespräsidenten Theodor Heuss. Auch hier hält der Artikel seine Linie der negativen Selektion konsequent durch. Denn wir erfahren nichts vom Brief Heussens an Burte, in dem er dessen alemannische Dichtung gegen die von Hebel abwägt und schreibt: „Sie haben den Hebel’schen Ansatz ja individuell stark zu erweitern verstanden“ – zu dieser Erkenntnis gelangte Heuss, als er sich „an mehreren Abenden in die beiden Gedichtbände mit Gewinn“(12) eingelesen hatte. 
Dagegen bringt der Wikipedia-Artikel die vom "Spiegel" am 22. 5. 1989 lancierte Stellungnahme, in der Heuss Burte als „Mann eines grobschlächtigen Antisemitismus und eines bramarbasierenden Nationalismus“ bezeichnete. Diese Stellungnahme war nach Angaben von Magdalena Neff (13) jedoch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern in einem Brief an seinen Sohn enthalten. Das gleiche Heuss-Zitat war schon einmal am 1. 4. 1959 im gleichen Magazin enthalten, Burte reagierte dann in einer Niederschrift auf diese Polemik des "Spiegel": „Darauf ist zu erwidern, dass Burte im "Wiltfeber" geradezu ein Anti-Bramarbas ist, erfüllt von Sorge und tiefen Ahnungen über das künftige Schicksal von Volk und Reich, ohne deren Verherrlichung. Der Ausdruck ‚brutaler Romantiker’ ist unmöglich: Ein Romantiker ist nicht brutal, und ein wirklicher Brutaler kann kein Romantiker sein.“(14)

Der Artikel „Bertolt Brecht“ und ähnliche Artikel bringen zu Recht keine Einschätzungen Konrad Adenauers, Theodor Heussens und anderer Politiker vom damals politisch nicht genehmen Dichter Brecht. Auch in einem enzyklopädischen Artikel über Burte ist solches fehl am Platz und wenn es anders wäre, dürfte die Darstellung nicht selektiv sein.

Das Kapitel „Auszeichnungen und Ehrungen“

War die Erwähnug von Heussens negativer Stellungnahme bisher schon ein Zeichen von Unausgewogenheit, wird das nicht besser, wenn sie einige Zeilen später im Kapitel „Auszeichnungen und Ehrungen“ ein zweites Mal genannt wird.

Wir erfahren nun am Ende der Liste von 15 „Auszeichnungen und Ehrungen“:

Hermann Burtes Auszeichnungen sind bis heute kontrovers diskutiert.

Der Artikel schlägt also alle (!) Auszeichnungen Burtes über einen Leisten; demnach ist nicht nur die Ehrenbürgeschaft in Lörrach „kontrovers diskutiert“, sondern auch alle anderen. Belege über die anderen kontroversen Diskussionen fehlen und dürften schwerlich beizubringen sein.

Die Erwähnung des Ehrendoktortitels von Burte ist durch den Zusatz ergänzt: „zusammen mit Emil Strauß“ – was heißt das? Musste sich Burte den Titel mit Strauß teilen? (das ist wohl falsch) oder bekam jener auch einen? (das wäre dann für den Burte-Artikel irrelevant).

Auch den Kleist-Preis erhielt Burte „zusammen mit Reinhard Johannes Sorge“, teilt uns der Artikel mit. War sein Werk „Wiltfeber“ zu schwach, als dass man ihm den Preis dafür „allein“ hätte verleihen können? Der Artikel „Reinhard Johannes Sorge“ in der deutschen Wikipedia, Stand 29. 3. 2009, erwähnt die Verleihung des Preises an Sorge, verzichtet aber auf den Nadelstich, dass er ihn „zusammen mit Hermann Burte“ erhalten hat – dieses Detail wird wohl von den dortigen Autoren zu Recht für irrelevant gehalten.

Die Liste „Werke (Auswahl)“

Die Liste verschafft nicht einmal annähernd einen Überblick über das Werk Burtes – dies fällt um so mehr ins Gewicht, als auch im Fließtext das Werk Burtes kaum besprochen ist.

Die Literatur-Liste

Nach der Lektüre des Artikels überrascht die Literatur-Liste nicht. Burtes dichterisches Schaffen erstreckt sich über fast sechzig Jahre. Doch bei vier der sieben Titel handelt es sich um Speziallexika und andere Sachbücher, die ihren Fokus auf das Dritte Reich richten (Borst, Loewy, Sarkowicz/Mentzer, Überschär/Vogel); das Gleiche tut auch der Burte betreffende Teil in Bosch.

Beim Titel Wolfgang Heidenreich: Der Burte – Neuvermessung (...) handelt es sich, wie schon angedeutet, um eine Kampfschrift, die 1978 in der Kampagne gegen eine Schulbenennung nach Burte entstand und entscheidend zum Verlauf der Kampagne beitrug. Doch wäre eine solcher Titel nicht fehl am Platz, wenn auch andere Schriften aufgenommen wären, die neutrale und verteidigende Positionen vertraten. Sie fehlen jedoch.

Das Buch „Hermann Burte 80 Jahre“ ist das einzige in der Literatur-Liste, mit dem Burte nicht angeklagt wird. Sein Inhalt hat jedoch keinerlei Niederschlag im Artikel.

Eine ganze Reihe von Arbeiten, die sich speziell mit Burte beschäftigen und unterschiedliche Standpunkte einnehmen, wäre für die Autoren des standarddeutschen Artikels „Hermann Burte“ (Stand 29. 3. 2009) mit einem einzigen Mausklick erreichbar gewesen: Sie fanden sich am 29. 3. 2009 seit über zwei Jahren in der alemannischen Wikipedia, Artikel „Hermann Burte“. Dort sind Arbeiten entschiedener Burte-Gegner genannt und im Artikel berücksichtigt: (Heidenreich, Spranger, Falconer), Arbeiten von Burte-Kritikern, die versuchen, neben negativen auch positive Aspekte herauszustellen (Bender, Hoffmann), Arbeiten, die Burte verteidigen, doch nicht unkritisch sehen (Fischer, Thürer, Wagner), und Arbeiten, die kontroverse Fragen nicht oder wenig berühren (Müller-Ettikon, Matzen).

Einzelnachweise; der Umgang mit Quellen

Einzelnachweise können dazu verführen, einen Artikel schon von der Optik her für wissenschaftlich zu halten. Dieser Eindruck kann täuschen. Das ist dann der Fall, wenn Quellen selbst unwissenschaftlich oder parteiisch sind und falsch eingesetzt werden. Die Überprüfung der Quellen erfordert Sachkenntnis und Gänge in Bibliotheken – was die allermeisten Wikipedia-Leser verständlicherweise nicht auf sich nehmen können und wollen. Sie sind dann solchen Artikeln aus einem Lexikon mit quasi Monopolstellung auf Gedeih und Verderben ausgeliefert.

Im Burte-Artikel sind 14 Einzelnachweise geliefert, damit werden 18 Stellen im Artikel „belegt“. Die Nachweise 1 bis 3 sind identisch, wobei der dritte sich auf fünf Stellen im Artikel bezieht. So ergibt sich, dass insgesamt sieben Stellen im Artikel mit Ernst Klees „Kulturlexikon zum Dritten Reich“, S. 90, belegt sind.

Wie schon die meisten Titel unter Literatur richtet auch dieses „Kulturlexikon“ den Fokus auf das Dritte Reich. Der Eintrag „Hermann Burte“ darin macht nur eine der zwei Spalten von Seite 90 aus; dieser winzige Artikel enthält vornehmlich Zitate. Diese denunziatorische Zitatenlese wird im Wikipedia-Artikel ausgebeutet.

Vier Nachweise (7., 9., 13., 14.) beziehen sich auf journalistische Quellen, die in gegenwartspolitischen Auseinandersetzungen Partei ergriffen, nämlich:

7. Blümeli im Morast - Hermann Burtes alemannische Idyllen sind von seiner Ideologie korrumpiert, Der Sonntag, 8. Juli 2007 und „Burte - ein uneinsichtiger Verstrickter“, Die Oberbadische, 14. Juli 2007

Diese beiden Zeitungsartikel schöpfen ihrereseits – wie oben schon erwähnt – aus der als parteilich und fehlerhaft überführten Ausstellung „Hermann Burte und der Nationalsozialismus“. Der Wikipedia-Artikel „Hermann Burte“ hat Fehler daraus übernommen – ungeachtet der hier formulierten Kritik.

9. Vgl. Wolfgang Heidenreich: Der Burte – Neuvermessung des alemannischen Dichters, Redners und Malers Hermann Burte – Texte, Analysen, Gespräche. Manuskript der SWF-Radiosendung vom 19. November 1978, wiederholt am 10. Februar 1979. Vgl. auch Wolfgang Heidenreich: Mein Alemannien. Notizen über einen Lebensraum mitten in Europa. In: Ji, Heft 12, 1998.

Die erstgenannte Quelle (Heidenreich: Der Burte - Neuvermessung) enthält keine Interpretation des Gedichts „Deutscher Wille", ist hier also unbrauchbar und irreführend (wie oben schon erwähnt). Um dies festzustellen, muss der Überprüfer 54 Manuskriptseiten lesen, da der Wikipedia-Autor keine Seitenangabe machte. Auch der zweite Titel (Heidenreich: Mein Alemannien) sagt nichts zum Gedicht aus; er ist als Weblink ausgeführt und als sogenannter linkspam einzustufen.

13. Vgl. Wolfgang Heidenreich: Der Burte – Neuvermessung des alemannischen Dichters, Redners und Malers Hermann Burte – Texte, Analysen, Gespräche. Manuskript der SWF-Radiosendung vom 19. November 1978, wiederholt am 10. Februar 1979.

Diese Quelle - identisch mit Quelle 9 - ist an die Bemerkung angeschlossen, dass dem Verbot des Namens „Hermann-Burte-Schule“ „öffentliche Diskussionen vorausgegangen“ sind. Eine Quelle mit 54 Seiten, ohne Angabe einer Einzelseite, zum Nachweis, dass eine öffentliche Diskussion stattgefunden hat? Oder soll gesagt werden, dass in dieser Quelle die Diskussion beschrieben ist? Das ist so nicht der Fall; richtig ist: Diese Rundfunksendung war Teil der „Diskussion“ – der entscheidende Durchbruch der Burte-Gegner in der Diskussion. Siehe dazu hier.

Unter dem Anschein, dass hier eine Diskussion belegt wird, wird Heidenreich, der Hauptkontrahent auf der einen Seite, in den Vordergrund gerückt und die Publikationen der anderen Seite verschwiegen.

14. DER SPIEGEL 21/1989 vom 22. 05. 1989, Seite 80b-83

Das Heuss-Zitat ist richtig aus dieser Spiegel-Ausgabe abgeschrieben, doch ist dieser Artikel ein Kampfbeitrag in der Kampagne gegen Burte 1989/90 und nicht neutral. Dies ist schon durch die polemische Sprache erkennbar. Die Verwendung dieser Quelle zum Abschreiben eines Zitats wäre dennoch statthaft, wenn auch andere, diese Sache relativierende Quellen genutzt würden. Das ist im Artikel, Stand 29. 3. 2009, nicht der Fall.

Die falsche Verwendung von Einzelnachweis 6. und 8. ist oben an entsprechender Stelle besprochen; ebenso die selektive, denunziatorische Verwendung der sowjetzonalen Zensurliste (Nachweise 10. und 11.)

Die Weblinks

Die ersten beiden Links (Stand 29. 3. 2009) sind nicht zu beanstanden. Der dritte Link (Heidenreich: Mein Alemannien) ist nach den Wikipedia-Grundsätzen eigentlich nicht erwünscht, weil er sich nur am Rand mit Burte beschäftigt – der Burte betreffende Teil nimmt ungefähr ein Zehntel dieses Heidenreich-Textes ein. Zudem muss er als Polemik eingestuft werden.

Bezeichnend für den Artikel der deutschen Wikipedia ist aber vor allem ein Link, der fehlt: Es ist der Link auf das Hermann-Burte-Portal. Hier würden sich zahlreiche Widerlegungen und Relativierungen von Verfälschungen des Artikels finden. Doch mit der Ignorierung dieses Links setzt der Artikel seine politisch einseitige Selektion fort.

Die Autoren

Die Nicknamen(15) oder IP-Nummern(16) der Autoren des Artikels sind erreichbar, wenn man auf den Reiter „Versionen/Autoren“ am Kopf des Artikels klickt. Die allermeisten Autoren (Benutzer), ob mit Nicknamen oder IP-Nummer – sind anonym. Kaum einer gibt auf seiner Benutzerseite seine Idendität zu erkennen.

Was jeder Autor verändert hat, wird sichtbar, wenn man zwei aufeinanderfolgende Versionen auswählt und auf „gewählte Versionen vergleichen“ drückt – dann erscheint in der rechten Spalte, was einer gegenüber der linken verändert hat.

Die erste Fassung des Artikels „Hermann Burte“ wurde am 27. März 2004 von einem anonymen Benutzer verfasst, der sich „Zundelfrieder“ nennt. Schon diese Version ist unausgewogen, doch alle Grenzen des Fassbaren wurden erst überschritten, als spätere Autoren weitere Anklagen gegen Burte hinzuaddierten oder die gleichen Anklagen wiederholten. Gerade die schärfsten Änderungen wurden von IP-Nummern gemacht. So wurde etwa der folgende Satz am 19. November 2004 von einer IP-Nummer eingeführt:

Burte war Antisemit, Rassist und damit in einem gewissen Sinn auch Antihumanist.

Am 5. April 2005 wurde er - wieder von einer IP-Nummer - erweitert zu: 

Burte war ein schlimmer Antisemit, Rassist und damit in einem gewissen Sinn auch Antihumanist.

Am 19. Mai 2005 reduzierte ein angemeldeter Benutzer auf:

Burte war ein radikaler Antisemit und Rassist.

Am 6. August 2005 führte eine Nummer eine weitere Steigerung ein:

Burte war ein fanatischer Antisemit,Rassistund Hasser der Aufklärung.

(Schreibfehler in Original.) Diese IP-Nummer, die durch ihre Kampfsprache politische Interessen zu erkennen gibt, fügte auch den Passus über das Verbot des Schulnamens „Hermann-Burte-Schule“ ein, ohne erkennbar zu machen, dass dieses Verbot in einer Kampfsituation (Kampagne gegen Schulbenennungen nach Burte 1978) erlassen wurde.

Nicht jeder der beteiligten Autoren hat inhaltliche Änderungen gemacht; etliche haben nur Formsachen geändert.

Zwischen IP-Nummern und angemeldeten Personen gab es Auseinandersetzungen – angemeldete Personen hielten Zitate oder die ganze Zitatsammlung für fehl am Platz, was zu „edit-wars“ zwischen Angemeldeten und IP-Nummern und Diskussionen auf der Diskussionsseite führte; ein Benutzer mit Nickname focht gegen IP-Nummern um die Beibehaltung des Kapitels „Leistungen“; extremste Parteilichkeiten wie die Bezeichnung des Romans „Wiltfeber“ als „Pamphlet“ wurden von angemeldeten Benutzern beseitigt.

Im März 2009 wurde der Artikel noch einmal deutlich verschärft – von einem erst seit wenigen Tagen angemeldeten Anonymus namens „GegenRechts“ und einer nicht-anonymen Benutzerin, die auf ihrer Diskussionsseite bekennt: „Spezialistin für Burte bin ich natürlich nicht.“ Eine IP-Nummer führte das Storz-Zitat ein.

Der Name „GegenRechts“ zeugt davon, dass sein Träger eine bestimmte politische Position vertreten will und verstößt damit – bis zum 29. 3. 2009 unbeanstandet – gegen einen erklärten Grundsatz der Wikipedia.

Der Artikel „Hermann Burte“ hat sich auf den Stand vom 29. 3. 2009 entwickelt, indem sich auch gutmeinende Autoren als Rädlein in einer Sache, die sie nicht überblicken, zur Verfügung stellten. Der Artikel kommt bei Personen, die auf ihn hereinfallen, zweifellos als die Vernichtung Burtes als Dichter an. Vielleicht wäre er ohne die gutmeinenden Autoren noch schlechter. Und doch müssen diese Autoren, die versucht haben, dies oder jenes zum Positiven zu wenden, sich der Tatsache stellen, dass ihr Bemühen im Endergebnis kaum sichtbar ist. Sie erscheinen als Mitwirkende in einer Sache, die nur als Rufmord bezeichnet werden kann. Was ihnen hier im Kleinen passierte, passierte Burte einst unter den Zwängen der Zeit im Großen.

Die Frage ist, was trieb die Autoren dazu, hier mitzulaufen? Der eine oder andere mag auf Quellen hereingefallen sein, die ebenso schlecht sind wie der Artikel. Er muss sich dann fragen, warum er diese und keine anderen benutzt hat. Personen, die Burte nicht aus eigener, umfassender Lektüre, sondern nur aus polemischen Sekundärquellen kennen, müssen sich fragen, ob es redlich ist, über eine ihnen weitgehend unbekannte Person den Stab zu brechen. Nichts anderes tut der Artikel, an dem sie beteiligt waren.

Es darf vermutet werden, dass der eine oder andere Autor sich in seiner Arbeit vom Wunsch „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ leiten ließ. Ein guter Wunsch. Er kann aber durch die Art, wie manche an den Nationalsozialismus und an Personen, die in ihm verstrickt waren, herangehen, nicht in Erfüllung gehen. Wenn Personen, die im Dritten Reich vielfältig mitgemacht, aber auch vielfältig widerstrebt haben, in „enzyklopädischen“ Artikeln als 150-prozentige Nazis dargestellt werden, wenn ihre Verstrickung auf ihr Leben vor und nach dem Dritten Reich zurück- und vorwärtsprojiziert wird, dann geht der Blick dafür verloren, wie das Leben wirklich war und ist. Es ensteht der Eindruck von lauter ganz Bösen auf der einen Seite und von ganz Guten auf der anderen. Orhan Pamuk lässt eine Romanfigur, einen islamischen Fundamentalisten, sagen: „Der Gute tut das Böse, ohne es zu wissen.“ Wer über die fließenden und schleichenden Übergänge zwischen Gut und Böse nichts weiß und nichts wissen will, merkt auch nicht, dass er jetzt und heute vielleicht am Abgrund steht. Er tappt, wie vielleicht seine Eltern oder Großeltern 1933, im Dunkeln.

Zusammenfassung

Der Artikel Hermann Burte, Stand 29. 3. 2009, klagt Hermann Burte gebetsmühlenartig an. Die gleichen oder ähnlichen Vorwürfe werden wiederholt, indem man sie durch verschiedene Münder laufen lässt: Einmal sagt der Wikipedia-Text, einmal das Freiburger Oberschulamt, einmal die sowjetzonale Zensurliste, einmal Theodor Heuss, und dann einige andere Personen eine nach der anderen Burte die Schande. Sein dichterisches Werk bleibt weitgehend im Dunkeln; seine besseren Regungen in Wort, Schrift und Tat werden ignoriert oder verschwiegen. Burte wird als vogelfrei behandelt, wie es bei einem linken oder kommunistischen Dichter in der Wikipedia undenkbar wäre. Literatur, Quellen und Links, die eine andere Sicht des deutschen und alemannischen Dichters bringen könnten, werden ignoriert oder unterschlagen. Da die deutsche Wikipedia eine fast monopolartige Stellung hat, hat ein solcher rufmörderischer Artikel weitreichende Konsequenzen. George Orwell lässt grüßen.

Auf der anderen Seite erlaubt die Arbeitsweise der Wikipedia jederzeit Verbesserungen. Ob sie durchsetzbar sind, hängt leider nicht immer von den besseren Argumenten ab, sondern auch von politischen Interessen und Kräfteverhältnissen.

 15. April 2009
Harald Noth

 www.hermann-burte.de

Was meinen Sie dazu? Schreiben Sie an meinung@noth.net

Beachten Sie bitte auch einen weiteren Fall von Einseitigkeit: Wikipedia rückt Dichterin Agnes Miegel ins Zwielicht

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Anmerkungen

(1) Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Teil I, Band 3/II, München 1966, S. 271f

(2) Walther Rathenau - Briefe. 1871-1913 / 1914-1922 (2 Bände), Herausgegeben von Alexander Jaser, Clemens Picht und Ernst Schulin. Düsseldorf 2006

Besprechungen und Erwähnungen von Werken Burtes im Briefwechsel Burte-Rathenau finden sich in folgenden Briefen (in Klammern der Titel des angesprochenen Werkes; Seitenzahlen beziehen sich auf die Buchausgabe der Briefe 2006):

Rathenau an Burte, 22. 3. 1912, S. 1073  (Wiltfeber)
Rathenau an Burte, 30. 3. 1912, Abschrift, Hermann-Burte-Archiv Maulburg (Wiltfeber)

Burte an Rathenau, 17. 6. 1913, Abschrift, Hermann-Burte-Archiv Maulburg (Herzog Utz, Madlee, Warbeck, Die Flügelspielerin)
Rathenau an Burte, 20. 9. 1913, S. 1207 (Herzog Utz)
Burte an Rathenau, 26. 9. 1913, zitiert S. 1213 (Herzog Utz)
Rathenau an Burte, 3. 10. 1913, S. 1212 (Herzog Utz)
Burte an Rathenau, 18. 10. 1913, Abschrift, Hermann-Burte-Archiv Maulburg (Herzog Utz)
Rathenau an Burte, 19. 11. 1913, S. 1224 (Die Flügelspielerin)
Burte an Rathenau, 4. 2. 1914, Hermann-Burte-Archiv Maulburg (Die Flügelspielerin; Madlee)
Rathenau an Burte, 9. 2. 1914, S. 1276 (Herzog Utz)
Burte an Rathenau, 7. 4. 1914, Abschrift, Hermann-Burte-Archiv Maulburg (Herzog Utz)
Burte an Rathenau, 22. 4. 1914, Abschrift, Hermann-Burte-Archiv Maulburg (Warbeck)
Rathenau an Burte, 1. 8. 1914, S. 1246 (Katte)
Burte an Rathenau, 11. 8. 1914, Abschrift, Hermann-Burte-Archiv Maulburg (Katte)
Burte an Rathenau, 29. 3. 1915, zitiert S. 1428 (Warbeck)
Rathenau an Burte, 31. 3. 1915, S. 1427 (Warbeck)

(3) vollständig zitiert hier.

(4) Hermann Burte: Der Geist und die nationalsozialistische Partei. Ein Versuch. (1945, unveröffentlicht), pag. 6, Hermann-Burte-Archiv Maulburg

(5) zit. bei Heinz. H. Stuckenschmidt: Zum Hören geboren. Ein Leben mit der Musik meiner Zeit. München 1979, S. 149

(6) Manfred Bosch in Allmende 64/65-2000, S. 270f

(7) Brief Burtes vom 12. März 1940, Korrespondenz Kultur-Politik, Hermann-Burte-Archiv Maulburg

(8) Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet. Künstlereliten im Dritten Reich. Wien 1991, S. 166ff

(9) Peter Dudek, Hans-Gerd Jaschke: Entstehung und Entwicklung der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Band 1, Wiesbaden 1984, S. 44ff

(10) von Greyerz ist hier mit Quellenangabe zitiert.

(11) Vielfältige Literatur zu Burte siehe weiter unten bei der Besprechung der Literatur-Liste

(12) Brief von Theodor Heuss an Hermann Burte vom 23. Mai 1952, abdruckt in: Willi Ferdinand Fischer: A propos Hermann Burte. Erinnerungen und Gedanken 1979. Lörrach 1979 (Heft), pag. 23

(13) Randnotiz von Magdalena Neff auf Artikel vom 28. 7. 1988, Schachtel Zeitungsausschnitte, Hermann-Burte-Archiv Maulburg

(14) Burtes ganze Replik auf den Spiegel vom 1. 4. 1959 siehe hier.

(15) Bei Autoren (= Benutzern) mit Nicknamen (Internet-Übernamen) ist die Kontinuität ihrer Arbeit sichtbar und ernsthaftes Bemühen gegebenenfalls über längere Dauer nachvollziehbar. Sie haben gegebenenfalls einen guten Ruf zu verlieren.

(16) Bei Benutzern, die unangemeldet arbeiten, ist nur eine IP-Nummer sichtbar. Wenn so ein Benutzer ein zweites Mal aktiv wird, erscheint eine andere Nummer und ein Zusammenhang zwischen der ersten und zweiten Arbeit ist kaum nachzuweisen. Von den Änderungen im Hermann-Burte-Artikel ist die große Mehrzahl von IP-Nummern gemacht worden. Allerdings kann auch ein angemeldeter Beutzer ohne Anmeldung arbeiten; sein Beitrag erscheint dann ebenfalls unter einer IP-Nummer.