Brief von Kathryn Babeck vom 23. 12. 2007 an Harald Noth
Antwort von Harald Noth vom 5. 2. 2008 auf diesem Brief
Betrifft: "Bemerkungen zur Ausstellung 'Hermann Burte und der Nationalsozialismus'",
Sehr geehrte Frau Babeck,
für Ihr Schreiben vom 23. 12. 2007 danke ich Ihnen. Ich hatte Ihnen am 12. 1. 2008 eine Antwort spätestens in einigen Wochen zugesagt; hier ist sie. Sie finden im Folgenden Ihren vollständigen Brief aufgezeichnet; meine Bemerkungen dazu sind eingerückt. Ich bitte Sie auch, mir einige der von Ihnen erwähnten Unterlagen zugänglich zu machen; Sie haben ja in den Fußnoten mitunter geschrieben, man könne etwas bei Ihnen anfordern.
Guten Tag Herr Noth,
ehe ich auf Ihre Ausführungen eingehe, möchte ich einige grundsätzliche Bemerkungen machen: Sie versuchen die Ausstellung zu diskreditieren, indem Sie das Thema absichtsvoll und konsequent ignorieren. Die Ausstellung mit dem Titel „Hermann Burte und der Nationalsozialismus“ soll die seit über 60 Jahren verleugnete politische Seite Burtes offen legen. Einen literarischen Anspruch hat die Ausstellung nie erhoben.
Ich erinnere hier an meine
Aussage:
"Das
Thema der Ausstellung stand im Markgräflerland bereits mehrfach im Zentrum öffentlichen
Streits. Nach mehreren, zum Teil monatelangen Auseinandersetzungen in der Presse
und zum Teil auch in den politischen Gremien - die größten 1978/79 und 1989/90
- gibt es hier fast keinen Erwachsenen mehr, der nicht des Öfteren gehört hätte
und - falls er Zeitung liest - mit Beweismaterial vorgeführt bekommen hätte:
Hermann Burte (1879 - 1960) war von Jugend an Nationalist und ab 1936 aktives
Mitglied der NSDAP."
Sie sprechen davon, dass diese Seite von Burte seit über
60 Jahren verleugnet wird und wollten mit der Lörracher und anscheinend
weiteren, andernorts geplanten Ausstellungen aufklären. Dabei pfeifen in Südbaden
und in der Nachbarschaft diese Seite alle Spatzen vom Dach.
Wenn man wie Sie davon spricht, dass sich die Ausstellung auf die zehn schlechtesten Jahre Burtes beschränke, so ist zu erwidern, dass der Nationalsozialismus eine tief in die deutsche Geschichte reichende Vergangenheit hat, die die gesamte Lebenszeit Hermann Burtes bis 1933 umfasst. Burte selbst hat diese größtenteils miterlebt und auch mitgestaltet.
Dass der Nationalsozialismus eine
tief in die deutsche Geschichte reichende Vergangenheit hat, stimmt. Dass Burte
diese Geschichte oder diese Vergangenheit auch mitgestaltet hat, stimmt natürlich
nur in einem sehr weiten Sinn. Auch Tucholsky, Brecht und andere haben diese
Vergangenheit mitgestaltet - das Aufkommen der Nazis ist ein Ergebnis des
Handelns und der Fehler aller politischen Kräfte - der Siegermächte, des
Zentrums, der SPD, der Kommunisten und aller anderen.
Hätte sich das politische Wollen
Burtes durchgesetzt, wäre es nie zum Holocaust oder zum Krieg gekommen. Da gibt
zum Beispiel der Brief Burtes an Rathenau vom 3. 1. 1915 schönen Einblick; Sie
finden ihn mit Kommentar über meine Burte-Seite: www.noth.net/hermann-burte/anfang.htm
In der entscheidenden Zeit 1932/33
war Burte Gegner Hitlers. Später wurde Burte - wie alle anderen - nicht mehr
gefragt. Dann gab es für einen Dichter nur noch: Anpassen, Mitmachen oder aber
schweigen, sich als Tellerwäscher über Tisch halten oder Emigrieren.
Mit der Konzentration auf die
NS-Zeit und der oberflächlichen Rückprojizierung des Nationalsozialismus in
das persönliche Leben Burtes vor 33 zeigen Sie Einseitigkeit; die Darstellung
selbst ist einseitig; so wird der bereits verpönter Dichter des Markgräflerlands
ein weiteres Mal vernichtet.
Einleitung
Zunächst zu ihrer Einordnung von Hermann Burte. Sie vergleichen ihn mit Johann Peter Hebel. Der Pädagoge und Theologe war ein Anhänger des napoleonischen Frankreichs und der Errungenschaften der französischen Republik. Burte hingegen bekämpfte die Weimarer Republik und focht für eine Monarchie mit einer Führerpersönlichkeit. Aufgrund ihrer unterschiedlichen politischen Einstellung kann man diese beiden Persönlichkeiten nicht miteinander vergleichen. Bei Burte finden Sie zudem in zahlreichen Werken eine brutale Sprache, die Johann Peter Hebel gänzlich fremd ist.
Richtig ist, dass Literaturkenner (nicht ich) von den 1920er
bis in die 70er, 80er Jahre den alemannischen Dichter Burte als ebenbürtig
neben Hebel gestellt haben. Es muss zum Beispiel erlaubt sein, Goethe und
Schiller in ihrer literarischen Größe zu vergleichen, obwohl sie verschiedene
politische Ansichten hatten. Napoleon sehen die einen als Befreier an, andere
als Kriegsherren, Eroberer, Diktator usw. Man kann das napoleonische Frankreich,
dem nach Ihrer Aussage Hebel anhing, nicht von Napoleon trennen.
Um Ihrer Anmerkung mit der "brutalen Sprache"
folgen und antworten zu können, müssten Sie mir diese im Zusammenhang dieser
Werke zeigen - bitte nicht bloß als losgelöste Zitate.
Burte wurde nicht mit Hebel verglichen, weil man meinte, er
spräche die gleiche Sprache, dichte gleich und habe die gleiche politische
Meinung, sondern weil er die alemannische Dichtung revolutionierte, die jener
begründet hatte und eine ähnliche Höhe erreichte.
Was das
Gedicht Hebel rassisch angeht, das Sie als Parodie der nationalsozialistischen
Rassenlehre ansehen, verweise ich auf den einschlägigen Vers, den Sie im Markgräfler
Jahrbuch 1940/41 finden:
“Wir Dütschi stoßen alli us
wo nit in euser Wese ghöre
und wo in Hirni Härz und Hus
im dütsche Bluet der Wandel störe![1]“
Dieser Vers wurde bei den späteren Ausgaben des Gedichts herausgestrichen. Eine
Parodie ist das jedoch nicht.
Der Vers "Mir Dütschi ..." ist mir bekannt. Das Gedicht hat 252 Zeilen, sie zitieren die einzigen vier daraus, die verfänglich sind. Der Leser meines Artikels findet diese vier Zeilen ebenfalls, und zwar über den Link zum Artikel „Hebel rassisch!“ in der Alemannischen Wikipedia, den ich gelegt habe. Ich schrieb daher auch in der Ausstellungskritik, dass das Gedicht keine "fundamentale Kritik" sei, dass der Dichter sich damit aber dennoch weit aus dem Fenster lehnte - das Gedicht und seine Veröffentlichung muss von den Möglichkeiten von 1939 und nicht von 2007 her beurteilt werden.
Die Beziehung zu Walther Rathenau
In Ihren Augen ist ein zentraler Aspekt in der Bewertung Hermann Burtes die Beziehung zu Walther Rathenau, dem Industriellen, Politiker und Außenminister der Weimarer Republik. In der Ausstellung vermissen Sie den Beleg dafür, dass Burte durch Rathenau die Anstellung beim „Geheimdienst“ erhält. In einem Brief vom 4. April 1914 fragt Rathenau Burte, ob er für die Militärbehörde in der französisch-englischen Spionage tätig werden wolle. Man bräuchte Informationen aus Südbaden, so Rathenau. Am 7. April 1914 schreibt Burte zurück, dass er dies tun wolle[2] .
Das haben Sie falsch verstanden. Richtig ist, dass laut Rathenau-Brief vom 4. 4. 1914 es in Südbaden Fälle besonders englisch-französischer Spionage gegeben hat und er Burte bittet, mitzuteilen, was er darüber weiß. Diese Fälle wären, so Rathenau, wahrscheinlich den badischen Gerichtsbehörden bekannt. Burte sagt am 7. 4. 1914 zu, dass er in 8 Wochen, wenn der betreffende Richter von der (Wehr-?)Übung zurückkommt, auf die Sache zurückkommen wolle. Machen Sie daraus, dass Rathenau ihm eine Stelle beim Geheimdienst verschaffte?
Weiter ergibt sich auch aus den Akten des Auswärtigen Amts, dass auch Burtes Mäzen, Bolko von Hochberg, sich für eine solche Beschäftigung eingesetzt hat. Tatsächlich ist Burte auch im Geheimdienst tätig geworden, wenn auch teilweise von der Schweiz aus[3].
Das
Dokument kenne ich nicht, ich bitte Sie um eine Kopie.
Ich
ging auf die "Geheimdiensttätigkeit" Burtes nur ein, weil sie in der
Ausstellung, ob gewollt oder nicht, dann im Zusammenhang mit dem Spitzelvorwurf
von 1940 die Vorstellung erwecken konnte, Burte wäre ein notorischen
Spion/Spitzel.
Des weiteren kritisieren Sie, dass der Besucher nicht darüber aufgeklärt wird, geheimdienstliche oder nachrichtendienstliche Tätigkeiten seien 1914 etwas Ehrenhaftes gewesen. Demgegenüber muss festgehalten werden, dass es sich um verdeckte Aktivitäten gehandelt hat, um Einfluss zu nehmen und über das Bild, das von Deutschland im Ausland herrschte, zu berichten.
So kann eine verdeckte Tätigkeit nicht ehrenhaft sein? Kennen Sie einen Staat, der keinen Geheimdienst oder eine verdeckt agierende Kriminalpolizei hat?
Auch verlangen Sie den Beweis, dass Rathenau wegen antisemitischer Äußerungen den Kontakt zu Burte abbricht. Belegt ist zumindest, dass Rathenau den Briefkontakt abbricht, denn die Schreiben an Burte werden immer weniger und 1918 hören sie ganz auf. Den Nebensatz, wegen antisemitischer Äußerungen, werde ich zurückziehen, weil dafür keine eindeutigen Quellen vorliegen.
Dafür wäre ich Ihnen dankbar. Es liegen m.E. nicht nur keine eindeutigen, sondern überhaupt keine Quellen vor, die belegen, dass der Briefwechsel wegen "antisemitischer Äußerungen Burtes" einschlief. Die von Ihnen jetzt als "Nebensatz" verharmloste zweimalige Äußerung war der hauptsächliche Anklagepunkt Ihres Kapitels Rathenau.
Gedicht „Der Führer“ in der Zeitschrift „Der Markgräfler“
Im Zusammenhang mit der Zeitschrift „Der Markgräfler“, die Burte mit herausgibt und die in den Jahren von 1924 bis 1932 erscheint, stoßen Sie sich an dem Wort„Propaganda“. In der Objektbeschriftung heißt es, die Zeitschrift dient Markgräfler Kunstschaffenden und Gelehrten als Propaganda-Plattform. Diese Formulierung stammt aus einem Schriftstück vom 4. Juli 1932, in dem es um die Weiterführung der Zeitschrift geht[4]. Dort heißt es, dass sie (die Zeitschrift „Der Markgräfler“) zur „Propaganda“ für hervorragende Markgräfler Dichter, Maler, Musiker, Gelehrte, überhaupt hervorragende Gestalten, dienen solle.
Das Wort Propaganda hat heute einen anderen Klang als 1932; Sie benutzten es heute, als Sie den "Markgräfler" ein Propagandaforum nannten. Ich bitte Sie, mir das Dokument aus der Sammlung Dr. Vortisch zu kopieren und zu schicken.
Über die Präsentation des so genannten Führergedichts in der Zeitschrift „Der Markgräfler“ beklagen Sie sich, dass dadurch ein falscher Eindruck entstehen würde: Burte verehre Hitler. Weiter fügen Sie hinzu, dieses Gedicht sei dem Vorsitzenden der Deutschnationalen (DNVP), Alfred Hugenberg, gewidmet.
Nein, das schrieb ich nicht. Ich sagte, dass Burte Hugenberg als seinen Führer ansah; wer ihm beim Verfassen des Gedichts vorschwebte, weiß ich nicht.
Wie Sie auch bemerkt haben, wird in der Ausstellung überhaupt nicht gesagt, dass Burte mit diesem Gedicht Hitler verehrt habe. Mit dieser Quelle sollte lediglich belegt werden, dass das Thema Führertum an sich bei Burte eine Rolle spielt.
Die Ausstellung fand nicht im luftleeren Raum statt, sondern war - nach "Der Sonntag" vom 9. 12. 2007 - die "vierte große Welle der Auseinandersetzung" mit Burte - die anderen waren wohl die von 1959, 1978/79 und 1988/89/90. In den vergangenen Kampagnen wurde in Leserbriefen das Gedicht als "Beweismittel" für eine frühe Verehrung Hitlers durch Burte verwendet. Die älteren Besucher haben das im Hinterkopf; eventuelle von daher stammende Fehlinformation wird in der Ausstellung eher bekräftigt als beseitigt.
Im Übrigen ist Alfred Hugenberg auch sehr kritisch zu sehen: Er lehnt die Weimarer Republik ab, und unter seiner Führung koaliert 1933 die DNVP mit der NSDAP. Die Deutschnationalen ermöglichen mit diesem Schritt die Machtübernahme von Adolf Hitler. Ob Burte den DNVP-Chef und Pressezaren Hugenberg oder Adolf Hitler bis 1933 als seinen Führer ansah, ist deshalb wohl weniger von Bedeutung. Diesen Sachverhalt kann ich jedoch gerne in einer Zusatztafel dem Besucher erläutern.
Wer mit dem Teufel essen will, muss einen langen Löffel
haben. Der Löffel von Hugenberg war zu kurz. Die politischen Verhältnisse, die
zur Machtübernahme der Nazis geführt haben, waren sehr kompliziert und es wäre
sehr falsch, Versagen hier nur bei der DNVP zu sehen. Die Machtübernahme der
Nazis war durch die Summe aller Fehler aller Parteien seit Jahren möglich.
Wer, wie Hugenberg und die DNVP, die Weimarer Republik
ablehnt, will nicht automatisch eine nationalsozialistische Diktatur. Die DNVP
wollte die politischen Verhältnisse von vor dem Ersten Weltkrieg restaurieren -
die konstitutionelle Monarchie, in der immerhin ein Parlament - der Reichstag -
das Recht auf Gesetzesinitiative und Gesetzesbeschlüsse hatte. Auch durch die -
zwar nicht uneingeschränkte - Pressefreiheit, Demonstrationsfreiheit,
Parteienfreiheit im Kaiserreich liegen Welten zwischen jener Staatsform und der
derjenigen Hitlers. Deswegen ist es sehr wohl von Bedeutung, ob Burte Hugenberg
oder Hitler anhing.
Zu bemerken ist schließlich, dass Rathenau von der Organisation Konsul unter der Egide des „Kapitän Erhard“ ermordet wurde.
Eine solche Information finden Sie bei den Rathenau-Biographen nicht. Ernst Schulin schreibt zwar, dass die Mörder Kern und Fischer und die Komplizen E. W. und H. G. Techow zur Organisation Consul "gehörten", im Prozess gegen die Überlebenden Beteiligten sei aber nicht deutlich geworden, "welchen Umfang die gesamte Geheimorganisation hatte und wieweit sie hinter diesem speziellen Attentatsplan stand." (Schulin: Walther Rathenau, S. 137f). Bei Ihnen hat "die Organisation Konsul" den Mord ausgeführt ...
Im „Markgräfler“ wird dieser aus dem Markgräflerland stammende Freicorpsführer positiv erwähnt.
Das ist mir nicht bekannt; ich kann daher nichts dazu äußern.
Ich bitte um die genaue Quellenangabe.
Teilen Sie mir bitte auch gleich mit, was Sie damit sagen
wollen. Etwa, dass Burte die Ermordung von Rathenau gebilligt habe?
Stahlhelm Bund deutscher Frontsoldaten – keine Verbindung zur SA und der NSDAP?
In Ihren Ausführungen heißt es, es habe keine Verbindung zwischen dem Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten und der NSDAP gegeben. Dazu nur soviel: 1924 hatte der Stahlhelm 100.000, 1930 500.000 und 1933 750.000 Mitglieder. Er war die größte militärische Reserveformation der Reichswehr, die ihre 100.000-Manngrenze durch geheime Kader zu überwinden versuchte. Politisch blieb der Stahlhelm - Bund deutscher Frontsoldaten mit der DNVP eng verbunden, trug das Referendum gegen den Youngplan mit und begrüßte die „Harzburger Front“.
Soweit geben Sie Hans-Ulrich Wehler, S. 391f, richtig wieder.
Aus einer Fundamentalopposition gegenüber der Weimarer Republik machte die DNVP keinen Hehl: „Wir hassen mit ganzer Seele den augenblicklichen Staatsaufbau“, deklamierte sie am 02.09.1928 in ihrer „Fürstenwalder Hassbotschaft“, denn er versperre den Weg unser geknechtetes Vaterland zu befreien, den notwendigen Lebensraum im Osten zu gewinnen, das deutsche Volk wieder wehrhaft zu machen.
In diesem langen Satz bringen Sie "Stahlhelm" und "DNVP" durcheinander; der Satz bezieht sich bei Wehler auf den "Stahlhelm".
Das Programm stand also auf Krieg. Der Stahlhelm befürwortete ganz unverhohlen einen völkisch antisemitisch radikalen nationalistischen Kurs.[5]
Den letzteren Satz, den Sie auf den ganzen
"Stahlhelm" beziehen, bezieht Wehler auf den zweiten Bundesführer
Duesterberg und seine Anhänger. Der Satz "Das Programm stand also auf
Krieg" stammt von Ihnen. Schon beim Lesen von Wehler kann man sich des
Eindrucks nicht erwehren, dass er rhetorisch aufdreht und ein politisches
Interesse verficht; Sie spitzen durch falsche Wiedergabe seine Aussagen noch zu.
Der Stahlhelm und die SA waren nicht die einzigen Wehrverbände.
Es gab unter anderen auch den Rotfrontkämpferbund und das Reichsbanner
Schwarz-Rot-Gold, das größer war als der Stahlhelm; sie standen der KPD bzw.
der SPD nahe; Wehler bescheinigt selbst dem sozialdemokratischen Reichsbanner,
es habe "dieselben militärischen Rituale (imitiert), wie das die anderen
paramilitärischen Kampfbünde taten". (S. 396).
Die Harzburger Front wird in Ihrem Schreiben sozusagen als ein einmaliges Ereignis wie eine Tagung dargestellt. Sie war jedoch ein Bündnis, mit dem Ziel die Republik zu beseitigen und Deutschland für den nächsten Krieg vorzubreiten. Darin waren sich Reichswehr, SA, NSDPA, Stahlhelm und DNVP einig. Dass sich diese rechtsextremen Organisationen nicht in allen Punkten einig waren, ist klar. Sie haben sich jedoch im Jahr 1933 gegen die Republik durchgesetzt und ihre Differenzierungen waren fortan ohne jede Bedeutung. Die Harzburger Front hat somit erst durch Erreichung ihrer Ziele im Jahr 1933 ihre Funktion verloren.
Dass die Harzburger Front erledigt war, zeigte sich schon im
März 1932, als die beteiligten Parteien wieder mit verschiedenen Präsidentschaftskandidaten
gegeneinander antraten - die DNVP und andere mit Duesterberg und die Nazis mit
Hitler. Dass die Koalition der NSDAP und der DNVP Anfang 1933 der Anfang der
Nazidiktatur sein und die DNVP daran untergehen würde, konnten sich außer
Hitler damals nicht viele vorstellen. Der von Ihnen in Fußnote 10 erwähnte
Gerd R. Ueberschär schreibt S. 39:
"Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler (...)
erschien vielen Bürgern als relativ normaler Vorgang in der Serie der damals häufig
wechselnden Regierungen der Republik. Der (...) Parteiführer der NSDAP schien
vielen eingebunden in altbekannte konservative Strukturen und Personen. Denn in
der Regierung waren acht konservative und deutschnationale Minister vertreten;
die neue revolutionäre nationalsozialistische Partei stellte nur drei
Minister."
Man meinte also, dass der Spuck mit Hitler bald wieder vorbei
sein würde. Auch Hugenberg meinte, er könne Hitler domestizieren.
Sie aber meinen etwas ganz anderes. Sie meinen, die "Harzburger
Front" (die 1933 nicht mehr existierte) habe ihre Ziele "im Jahr
1933" erreicht. Damit hätten auch Stahlhelm und DNVP - von Ihnen als
"rechtsextreme Organisationen" bezeichnet - mit der Errichtung der
Nazidiktatur (was sonst heißt "1933"?) "ihre Ziele"
erreicht ...
Aus ihren Darstellungen spricht politische Kampfstimmung. Die
Realität der 15-jährigen Parteigeschichte der DNVP wird damit gewiss nicht
getroffen. Diese muss man mit beachten, wenn man Burte politisch einschätzen
will. Man tritt aus einer Partei auch nicht gleich aus, wenn sie eine
Fehlentscheidung trifft. Burte war 1932, als es um die Wurst ging, entschiedener
Gegner Hitlers ("des erwachenden Deutschlands"), wie Sie aus dem Völkischen
Beobachter vom 18. 11. 1932 entnehmen können.
À propos Duesterberg: Der zweite Stahlhelm-Führer, der von
Ulrich Wehler ganz schlechte Noten bekommt, spielte nicht mit und sah 1934
einmal das KZ Dachau von innen (Deutsche Wikipedia, Artikel Theodor Duesterberg),
andere arrangierten sich gezwungenermaßen mit Hitler - was aber nicht heißen
muss, dass sie ihn und seine Diktatur gewünscht haben.
Hermann Burte hat sich mit ihren Zielen als Helfer der SA, als deutschnationales Parteimitglied, als Stahlhelmmitglied identifiziert.
Hermann Burte Helfer der SA? Können Sie sagen, was Sie meinen? Vielleicht die Sache, die Sekretär Ernst 1939 erzählt hat, auf die ich weiter unten eingehe?
Das Werk „Wiltfeber“ von 1912
Das Kapitel „Vom Hofe“ aus dem Roman Wiltfeber sei köstlich, schreiben Sie. Dass Burte hier gegen den Kommunismus hetze, stellen sie in Abrede. Burte zeigt in diesem Kapitel, was passiert, wenn der Besitzer eines Hofes seiner Führerrolle nicht gerecht wird und seinen Knechten, die der Lehre des Kommunismus verfallen sind, den Hof überlässt. Raffgier, Faulheit, Verantwortungslosigkeit kehren ein. Geld wird verschleudert, der Hof wird herabgewirtschaftet und zu guter letzt brennt er sogar ab. Zu spät erkennt der Besitzer, dass ein Hof nur unter guter Führung und mit Befehlen funktionieren kann.
Das haben Sie erstaunlich gut zusammengefasst.
Dieses Kapitel ist ein Lehrbeispiel dafür, dass „untere Schichten“ nicht in der Lage sind, ihr Leben selbstverantwortlich zu gestalten. Eine funktionierende Gesellschaft, so der Sinn des Kapitels, ist nur mit einem „Führer“ möglich. Köstliches kann ich an dieser Aussage nichts finden.
Wenn man die harmlose Erzählung
Behringers (bzw. Burtes) als "Hetze" bezeichnet, als was muss man dann
eine Rede von Hitler oder von Goebbels bezeichnen? Hier von "Hetze" zu
reden, ist ungefähr so abwegig, als würde jemand den "Bauernspiegel"
von Jeremias Gotthelf, in dem es auch heftig zugeht, als Hetze bezeichnen. Das
Wort "Hetze" verrät politische Befangenheit; jemand, der unbefangen
ist, kann sich an einem guten Text von Burte ebenso freuen wie an einem guten
Text Brechts oder Gotthelfs. Haben Sie jemals gesagt, Brecht oder Tucholsky
"hetzt gegen den Faschismus"?
Köstlich ist der Text, weil er aus
dem damaligen Leben gegriffen ist und zahlreiche Dinge kritisiert, die man auch
im heutigen Leben findet. Wer einmal in einem modernen Betrieb des Öffentlichen
Dienstes gearbeitet hat, kommt aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus. Das Wort Führer
für Betriebsleiter muss man dabei verkraften, wie man auch in anderen Schriften
von 1912 das Wort Lehrling und Putzfrau verkraften muss, die heute Azubi und
Reinigungsfrau heißen, obwohl sie das Gleiche machen.
Sie sagen, dass dieses Buch kein Pamphlet gegen Juden ist. Hier muss ich entschieden widersprechen und dies an Burtes Lehre des „reinen Krists“ erläutern. Diese Ideologie zieht sich durch das gesamte Werk in unterschiedlichster Ausführung.
Auf diese angebliche Kontinuität "durch das ganze Werk" müssen wir weiter unten zurückkommen.
Hier nur ein kurzes Zitat, indem Wiltfeber diesen „Krist“ beschreibt: „Dieses deutsche Volk hat einen Gott: jenen stets geahnten, nie gekannten, stets verehrten, nie gelehrten, stets überall vorhanden, nie und nirgends gestandenen Gott, welcher da ruht jenseits der Worte, im Schweigen“….“Unsagbar, unnahbar ist dieser Gott. aber wer den Krist sieht, der siehet jenen. Und also ist der Krist wahrhaftiger Gott und wahrhaftiger Mensch. Der Krist, das ist der Gott der deutschen Leute“. Dieser Christ mit K ist also kein universeller Christus, sondern ein Gott der Deutschen. Dadurch, dass Burte den dreifaltigen Gott durch „Kristus“ ersetzt, werden die Propheten vor Christus unbedeutend.
Bisher haben Sie alle Zitate vorbildlich mit Quelle und Seitenzahl versehen. Bei Zitaten aus dem Wiltfeber, der 352 Seiten hat (mir liegt die 12. Auflage 1918 vor) geben Sie keine Seitenzahlen an. Der obige Text steht in der 12. Auflage S. 130 ("Fünftes Hauptstück"). Da, wo Sie das Zitat unterbrechen und Pünktchen machen, geht der Text im Buch weiter, es fehlt nichts, das Sie durch Pünktchen hätten kennzeichnen müssen.
Folgert man weiter, heißt dies, die Lehre des „reinen Krist“ negiert den Zusammenhang des Judentums mit dem Christentum. Um es noch deutlicher zu sagen: Damit wird abgestritten, dass das Christentum aus dem Judentum hervorgegangen ist. Burte arisiert sozusagen Jesus Christus und verbindet damit Rassenlehre und Christentum.
Vom Standpunkt der katholischen und evangelischen
Religionslehre aus sind Burte (und die anderen, die um 1912 einen "Krist"
vertreten haben) fast ebenso zu kritisieren wie Mohammed, der den jüdischen
Ein-Gott-Glauben arabisiert hat. Wobei immer zu beachten ist, dass nicht Burte -
etwa in politischen Versammlungen - sondern seine Romanfigur Wiltfeber dies
vertreten hat. Wenn Romane und Gedichte nur noch als 1:1-Verlautbarungen ihrer
Dichter gelten können, ist Dichtung nicht mehr möglich. Dann wird auch ein
Autor eines Kriminalromans für die Ansichten seiner Figuren verantwortlich
gemacht.
Geht man nicht vom gläubigen kirchlichen Standpunkt aus, so
ist es kein Unterschied, wenn die Juden sich für das auserwählte Volk halten
und wenn man Krist als Gott der Deutschen ansieht. Beides hat zunächst mit
Rassenlehre wenig zu tun.
Nun bezeichnet Burte den Krist im Wiltfeber zwar als
"Gott der deutschen Leute". Im Markgräfler vom 15. Hornung 1929 gibt
es einen Artikel von Helmut Weishaupt: "Die Botschaft vom 'Reinen Krist' -
Hermann Burtes religiöse Gedankenwelt." Der Aufsatz wird von der Redaktion
- in der Burte saß - als "tiefschürfend" bezeichnet. Auf den fünf
eng bedruckten Seiten kommen die Worte Jude, deutsch und arisch gar nicht vor -
der Krist im Wiltfeber ist keine nationale, sondern eine universale Figur des
Geistes, ein philosophisches Konstrukt, ein Ideal.
Setzt man diese Lehre mit dem folgenden Zitat aus dem Roman Wiltfeber in Zusammenhang: „Du bist ein Mann aus deutschen Blute, aber deutsch heißt völkisch, und arisch heißt herrisch, und so bist du von der oberen Rasse, welche herrscht oder stirbt.“ wird deutlich: Burte propagiert die Vorherrschaft der arische Rasse und ruft zum Kampf gegen das Judentum auf.
Der hier zitierte Satz steht im "Dritten Hauptstück"
S. 73. Sie setzen die Zitate aus Kapitel 5 und 3 und Ihren
Interpretationsversuch in Zusammenhang und kommen zu einem vernichtenden
Ergebnis. Sie übertreffen noch die Romanfigur Wittich, die S. 72 zum abhebenden
Martin Wiltfeber sagt:
"Lieber Gott, wohin bist du verwirrt! Der beste
Schwimmer ertrinkt, der höchste Steiger fällt herab; der beste Schütze schießt
vorbei ... Komm zu dir, Marti, komm zu uns: ja, komm heim, dass du dich findest!
..."
Burte schrieb in seiner Verteidigungsschrift 1947:
"Tayllerand sagte, dass er mit drei von einem Manne
geschriebenen Zeilen diesen vernichten könne. (...) Will man irgend einen Satz,
den ich schrieb, richtig verstehen und werten, muss man die Zeit, die Umstände,
das Motiv berücksichtigen - bei Reden die Hörerschaft, bei Briefen den Empfänger,
- sonst ist das Ganze unwahrhaftig von Anfang an!"
Wiltfeber macht fast alle seine Bemerkungen über die jüdische
Religion im 5. Kapitel, wo er den evangelischen Gottesdienst besucht. Über
"das Judentum" als solches äußert er sich gar nicht, unterstellt den
Juden zum Beispiel keine "niedrigen Instinkte", "niedrige
Rasseeigenschaften", wie es andere und später die Nazis getan haben. Er
ruft die Leute in der Kirche nicht zum "Kampf gegen das Judentum" auf
- er macht überhaupt keine Aufrufe, sondern die ganzen Zitate, die auf Listen
von Burte-Gegnern gesammelt sind und auch in der Ausstellung gebracht wurden,
sind ein kleiner Teil seiner (aus dem Zusammenhang gerissenen) Gedanken. Wenn
ein Leser des Wiltfeber sich zum "Kampf gegen das Judentum" aufgerufen
fühlt, hatte er schon vorher massive Probleme mit den Juden. Durch das Buch können
sie nicht entstehen.
Solche Gedanken, wie sie in Wiltfeber und anderen völkischen Werken geäußert werden, haben geistig den Weg zum Holocaust geebnet.
Diese Behauptung ist leicht aufzustellen, aber nicht zu beweisen. Burte hat sich nie und nirgends für die physische Vernichtung der Juden ausgesprochen, auch nicht im Wiltfeber. Mit dieser flapsigen Art könnten Sie auch beweisen, dass der Koran den Weg für den Terror von al-Qaida und für die Exzesse der islamischen Revolution im Iran geebnet hat. Oder dass die Bibel den Weg für Kreuzzüge und Inquisition bereitet hat.
Dass dieses Werk nicht antisemitisch sein kann, versuchen Sie mit dem Argument zu entkräften, dass Rathenau als Jude sich nie mit Burte angefreundet hätte, wenn dieser antisemitische Gedanken vertreten hätte. Hierzu ist nur soviel zu sagen, dass Rathenau selbst mit dem Judentum gehadert und seine jüdischen Mitbürger zur Assimilation aufgerufen hat. Das erklärt auch, warum er ein solches Werk wie Wiltfeber für gut befand.
Diese 1897 und 1902 publizierte Ansicht hat Rathenau 1911 in
seinem Aufsatz "Staat und Judentum" korrigiert; der Aufsatz findet
sich auch in "Kritik der Zeit", dem Buch, welches er Burte zu Beginn
des Kontakts und der folgenden Freundschaft mit Widmung versehen schenkte. In
der Widmung bekennt er sich als "ewiger Jude". Am Beginn seiner
Freundschaft mit Burte präsentiert sich Rathenau also distanziert zu seinem früheren
Aufruf "Höre Israel!". Burte weiß dies - im Gegensatz zu Ihnen -
genau.
Nicht nur Rathenau, auch unzählige andere
nicht-nationalsozialistische Personen des Geisteslebens vor 1968 haben den Roman
völlig anders als Sie interpretiert. Sie müssen die gleichen Sätze wie Sie -
allerdings im Gesamtzusammenhang des Buches - gelesen haben und sind zu völlig
anderen Schlüssen gekommen.
Diese Personen haben gemerkt, dass der Romanheld nicht die
Juden verunglimpft, sondern die Deutschen auf den Arm nimmt, die das Fremde
anbeten.
Ich denke, somit ist Ihr Hinweis hinfällig, dass Burte ein treues Glied der Kirche geblieben sei, ist nun hinfällig. Dass damals die „deutschen Christen“ stramm nationalsozialistisch waren, ist längst bekannt.
Dass Burte ein treues Glied der Kirche geblieben sei, habe
nicht ich, sondern 1939 der Evangelische Landesbischof gesagt. Aber er wird es
wissen.
Sie haben mich schon auf der Podiumsdiskussion auf das Höchste
erstaunt, als Sie sagten, das Stück "Krist vor Gericht" (1930) würde
eben diesen angeblich "arischen" Krist zum Inhalt haben. Hier wäre es
gut, wenn Sie mehr aus Burtes Werk kennen würden. Hinter dem "Krist vor
Gericht" verbirgt sich niemand anders als Jesus Christus. Dieser "Krist"
ist der Jude Jesus von Nazareth, der von Johannes getauft ist, auch seine jüdischen
Zeitgenossen, Magdalena, Simon der Fischer usw. kommen vor. Dass dieser "Krist"
ein "arischer" gewesen wäre, fiel niemandem in den etwa 10
Rezensionen deutscher und schweizer, zum Teil konfessioneller Zeitungen auf, die
im "Markgräfler" vom 16. 2. 1930 abgedruckt sind.
1953 und - erweitert - 1986 kam Burtes "Psalter und
Krist" heraus, eine religiöse Gedichtsammlung, in der "Krist"
sowenig arisch ist wie 1930.
Nach Ihrer Meinung kommt der "arische Krist" nicht
nur im Wiltfeber und im Krist vor Gericht vor, sondern: "Diese Ideologie
zieht sich durch das gesamte Werk in unterschiedlichster Ausführung." Mit
diesem Irrtum stehen Sie nicht allein: Auch andere Kritiker nach 1968 sehen den
Wiltfeber als programmatische Erklärung an und glauben, seine Punkte, die sie
noch dazu falsch interpretieren, fänden sich durchgängig in Burtes Werk. Mit
solchen Behauptungen hat das Oberschulamt Freiburg 1978 die
Hermann-Burte-Schulbenennungen verboten.
„Hakenkreuztisch“ und Bücherverbrennung: Burte ein NSDAP-Anhänger
In Ihrem Brief sind Sie der Ansicht, dass die Ausstellung den Hakenkreuztisch von Burte mit dem Hakenkreuz der NSDAP auf eine Stufe stelle und Burte deswegen als ein früher Anhänger der NSDAP dargestellt werde.
Ich schrieb, dass die stilisierten Hakenkreuze auf Burtes Tisch "verschiedenen Burte-Gegnern, etwa in Leserbriefen, als Beweis für seine frühe Verbundenheit mit der Bewegung Hitlers dienen mussten". Dann gestehe ich Ihnen zu: "Das Hakenkreuz wird in der Ausstellung richtig als 'Zeichen der völkischen Bewegung' bezeichnet."
Wie Sie richtig
sagen, war das Hakenkreuz schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein populäres
Motiv. In den USA und vor allem in England war es weit gebräuchlich. Von ganz
unterschiedlichen Gruppierungen in äußerst unterschiedlicher Darstellung wurde
das Hakenkreuz benutzt. Es ist ein sehr altes Motiv und findet sich
sowohl bei den Indern, wie auch bei anderen alten Völkern in
unterschiedlichster Darstellung.
Burte hat vermutlich das Hakenkreuzmotiv bei einem
Ausstellungsbesuch in Ostpreußen entdeckt. Dort wurde eine alemannische Brosche
aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. ausgestellt. Im Maulburger Archiv
befindet sich die dazugehörige Ausstellungsbroschüre.
Das heißt, für Burte wie auch andere Personen und
Gruppierungen ist das Hakenkreuz ein Thema. Belegt ist es bei Burte schon seit
1912. In seinem Werk Wiltfeber schreibt er: „So steht es geschrieben. Und Wiltfeber stand auf der staubigen Strasse
und zeichnete mit seinem Stocke ein Johanniterkreuz in den Staub, leicht und
locker. Und dann zeichnete er das halbe Kreuz kräftiger aus und da stand mit
Lichtern und Schatten im Sande das uralte Hakenkreuz. Der Reiter spie Blut von
den Lippen und sagte: „Glaubst du daran? Ha, wenn das wieder lebendig würde!“
Mit
dem Buch „Wiltfeber“ hat Burte einen Betrag dazu geleistet, dass das
Hakenkreuz das Motiv der völkischen Bewegung wird und zwar 13 Jahre bevor der
Hakenkreuztisch entstand. Burte wie auch andere völkische Dichter und Denker
instrumentalisieren das Hakenkreuz, so dass es allmählich zum alleinigen Symbol
der völkischen Bewegung und somit zum Symbol der „arischen“ Rasse wird.
Dass Burte das Hakenkreuz im Wiltfeber und andere anderswo schon lange vor den Nazis benutzten, ist unbestritten. Das Schlimme am Christentum und am Islam ist nicht das Kreuz oder der Halbmond, sondern die Kreuzzüge, die Fetwa usw. Jeder hat mit dem Hakenkreuz etwas anderes gemeint.
Das Hakenkreuz der NSDAP hat Hitler entscheidend mitgeprägt. Wenn nicht sogar selbst entworfen.
Stimmt. Hitler hat die Hakenkreuzfahne 1920 selbst entworfen - wohl sein einziger Erfolg als bildender Künstler. Burte hat 1925 nun gerade nicht dieses Hakenkreuz in seinen Tisch einarbeiten lassen, sondern eben jenes nur schwer als Hakenkreuz zu erkennende Ornament, von dem ich schrieb. Als Umrandung hat er eine umlaufende Hakenkreuzschlange verwendet, ähnlich denen, die ich im August 2007 in Alt-Korinth und in Nemea im Museum an ausgestellten Dachbegrenzungen (Simata) sah.
Nachdem Burte 1936 Mitglied in der NSDAP wird, trägt er das Parteiabzeichen offen und lässt sich mit ihm und seinem Hakenkreuztisch fotografieren. Er selbst stellt also sein „Hakenkreuz“ auf die gleiche Stufe wie das Hakenkreuz der NSDAP. Dass Burte mit dem Hakenkreuzmotiv spielt, heißt jedoch nicht, dass er schon früh NSDAP-Anhänger ist, sondern er ist Mitglied der konservativen Partei, später gehört er den Deutschnationalen an.
Eben.
Beiden Parteien sind antisemitische Gedanken zu eigen, ähnlich wie dies der Fall bei der NSDAP ist.
Dieser Satz ist ungefähr so wertvoll wie der Satz "Sowohl der SPD als auch der KPD war eine Feindschaft zur Bourgeoisie zu eigen." Die Unterschiede im Detail waren erheblich.
Burte
vermischt diese zudem mit der religiösen Ideologie eines deutschen
Christentums.
Zugleich
zeigt er mit der „Gleichsetzung“ der beiden Hakenkreuze, dass er ein
Vordenker der NS-Ideologie ist.
Wie zeigt man, dass man ein Vordenker einer
Ideologie ist? Durch äußere Zeichen? Nehmen wir an, die Kommunisten kommen an
die Macht. Ein Sozialdemokrat konvertiert und sagt: "Ich hab doch immer
schon die rote Fahne geschwungen!" Damit zeigt er noch lange nicht, dass er
ein Vordenker des Kommunismus ist.
Dass Burte ein Vordenker der NS-Ideologie sei,
haben Sie und vor Ihnen viele andere versucht, anhand von Äußerungen seiner
Romanfigur Wiltfeber nachzuweisen. Die Frage ist, ob er die NS-Bewegung wirklich
"befruchtet" hat oder ob sich später verbale Analogien
herausstellten, mit denen er sich wichtig machte. Ich denke, letzteres ist der
Fall.
Er hat sich auch selbst zum Seher und Ahner des Dritten Reiches in der Öffentlichkeit stilisiert[6].
Ich glaube es Ihnen und habe es auch in meiner Erwiderung nicht bestritten, bitte Sie aber trotzdem um eine Kopie des betreffenden Redemanuskripts.
Auch hat sich Burte selbst damit gebrüstet, dass er schon in den 20er Jahren als Prophet des Nationalsozialismus diese „Dekoration“ gewählt habe. Die Frage, ob Burte deshalb ein früher Anhänger der NS-Partei ist, ist hinfällig, weil er schon früh völkisches Gedankengut vertreten hat und diese Gedanken lassen sich auch bei der Weltanschauung der NSDAP wieder finden.
Nein. Die Frage ist nicht hinfällig. Weil die
NS-Partei halt viel weiter gegangen ist als alle anderen Völkischen. Burte ist
im Gegenteil zurückgerudert. Er hat sich 1927 - Sie haben es in meiner
Ausstellungskritik gelesen - "erschüttert" über die "Meinungen
und Irrungen" geäußert, in denen er befangen war, als er den Wiltfeber
schrieb. Diese Distanzierung vollzog Burte nicht nur 1927 als Lippenbekenntnis,
sondern sie ist auch an seinen Nach-Wiltfeber-Werken, also ab 1913,
nachvollziehbar, die das plakative völkische Vokabular des Wiltfeber nicht mehr
enthalten.
Burte meinte mit teilweise gleichen Worten 1912
nicht dasselbe, was die Nazis 1933 und später meinten. Dass er im Dritten Reich
umfiel, sich anpasste und sich mit dem brüstete, wovon er sich einmal
distanziert hatte, ist eine andere Sache. Und doch meinte auch Burte nach 1933
als Befürworter des Nationalsozialismus nicht das Gleiche wie jene, die dann
den Krieg und den Holocaust organisierten.
Sie und andere Autoren bemühen sich, eine
ungebrochene Kontinuität von Burtes Denken 1912 bis 1936 und später zu
konstruieren, wobei seine teilweisen Widersprüche zur Parteilinie in der
Nazizeit ignoriert werden. So kommen Sie dazu, seinem "Krist vor
Gericht" Ariertum zu unterstellen. Dazu ist zusagen: Im Wiltfeber steht
nicht alles drin, was Sie hineininterpretieren, und Burte lies sich in den
ersten NS-Jahren umbiegen - ohne je die NSDAP-hardcore-Linie zu erreichen.
Aus heutiger Sicht sind die Unterschiede zwischen der DNVP und den Deutschnationalen eher in der sozialen Herkunft der Mitglieder zu suchen[7].
Sie meinen wahrscheinlich: Zwischen der DNVP und
den Nationalsozialisten. Das Zitat in der Fußnote 7 erhellt diesen Satz nicht,
sondern betrifft einen anderen Aspekt. Die tatsächlich vorhandenen sozialen
Unterschiede brachten einen bedeutenden geistigen Unterschied mit sich, den Sie
herunterspielen oder ignorieren. Goebbels hat 1941, als der Judenstern eingeführt
wurde und Mitleidsäußerungen "bei einem Teil der Bevölkerung - ganz
besonders den so genannten besseren Schichten" bekannt wurden, gesagt:
"Der deutsche Bildungsspießer ist schon ein Drecksstück!" (Zitiert
bei Peter Longerich, "Davon haben wir nichts gewusst!" München 2006,
S. 172) Heute darf man das als Ehrenerklärung lesen.
In der DNVP hatte der Adel einen beträchtlichen
Anteil, und Goebbels weiß von diesem zu berichten (Tagebuch, 2. 12. 1944):
"Es ist nicht zu bestreiten, dass der deutsche Adel am 20. Juli den maßgeblichsten
Anteil hatte. Der Führer hat deshalb auch die Absicht, den Adel nach dem Kriege
radikal abzuschaffen und jeden Aristokraten, der sich nicht bedingungslos zu
unserem Regime bekennt, zu enteignen (...)".
"Einige Mitglieder des Widerstands"
(Deutsche Wikipedia, Artikel DNVP) waren Mitglieder der DNVP, wie zeitweise Carl
Friedrich Goerdeler, der nach dem Putsch als Kanzler vorgesehen war, so
zeitweise auch Paul Lejeune-Jung und Ulrich von Hassell, sie wurden 1944/45
hingerichtet.
Bücherverbrennung
In ihrem Brief schreiben sie, dass Burte grundsätzlich Bedenken gegen die Bücherverbrennung hatte. Sie also ablehnt. Bedenken hatte er wirklich, aber die Gründe dafür sind ganz anderer Art:
„Lieber
Freund Nohl!
Dinge,
wie die sog. nationale Revolution muss man, um wahr zu sein, religiös bewerten.
Was aus der Materie kommt ist Dreck und geht zum Dreck zurück. Unter den jüdischen
Büchern, die man am kommenden Sonntag in Karlsruhe fast amtlich verbrennt,
fehlt – die Bibel!
Diese
Tatsache, dass man nicht folgerichtig sein darf, wiegt ungeheuer schwer zu Gunsten der Anderen. Wir geraten als Volk in den Fluch,
den galuth, wie die Juden, wenn wir nicht im Geiste bleiben! An den sechstausend
Jahren gemessen, in deren Lauf Gottes Wort sich als wahr erwies, ist die jetzige
Bewegung in Deutschland eine Episode. Die Deutschen haben völlig die
Kampfmethoden ihrer Todfeinde – Todfeinde im Wesen - angenommen!“
In diesem Brief ist er der Ansicht, dass die Bücherverbrennung nicht konsequent durchgeführt wird. Es fehlt die Bibel. Als deutscher „Krist“ versucht Burte, den Bezug des Christentums zum Judentum zu eliminieren. Diese These hat er schon in seinem Werk Wiltfeber vertreten. Als „nichtarisches“ Werk soll also auch die Bibel mit ihrem jüdischen Teil, dem alten Testament vernichtet werden.
Gehen Sie jetzt hinter die Bemerkung der
Ausstellung zurück, in der es hieß, "Eine Bücherverbrennung hielt er für
ungeeignet ..."?
Was meint Burte mit "Dreck"? Ich sage:
die "sog. nationale Revolution", Sie wahrscheinlich: die
"Bibel". Doch Burte bekennt sich hier zu "Gottes Wort". Eine
gängige Umschreibung der Bibel - nach allgemeiner und besonders
protestantischer Annahme ist dort drin "Gottes Wort" überliefert. Im
Lauf von sechstausend Jahren habe sich dieses als wahr erwiesen. Wie kommt Burte
auf 6000 Jahre? Diese Zahl ist aus den im Alten Testament angegebenen Lebensläufen
und Stammbäumen errechnet. Diese Zahl wird heute noch von strenggläubigen
Christen und Juden angenommen - zum Beispiel den Zeugen Jehovas. Daran misst
Burte die jetzige Bewegung, also die "sog. nationale Revolution".
Diese sei dagegen nur eine "Episode". Mit "Dreck" meint
Burte daher die "sog. nationale Revolution".
Der Brief zeigt im gedanklichen Hauptstrang 1.
ein tiefe Verachtung für die "sogenannte" nationale Revolution. 2. Er
lehnt die Bücherverbrennung als eine ihrer Methoden ab, die Deutschen müssen
"im Geiste bleiben", sonst geraten sie, wie die Juden, in den Fluch.
3. Er betrachtet die Juden als "Todfeinde im Wesen" - er unterstellt
ihnen die Kampfmethode der geistigen Unterdrückung. Nach Ansicht von Burte und
vielen anderen haben "die Juden" die literarische Produktion "der
Deutschen" unterdrückt. Die Deutschen dürfen diese Kampfmethode nicht
annehmen. 4. Burte hat einen strengen Bibelglauben.
Der Satz "Diese Tatsache, dass man nicht folgerichtig sein darf, wiegt ungeheuer
schwer zu Gunsten der
Anderen." wirkt wie ein
Einwand Burtes gegen seinen eigentlichen Gedankengang. Sie meinen
wahrscheinlich, er meine mit "man" die Nazibewegung. Das verbietet
sich aber, denn sie ist "Dreck". Burte meint mit "man" wohl
sich, Noll und andere, die eigentlich den nach ihrer Meinung überwältigenden jüdischen
Geisteseinfluss zurückdrängen wollen, aber am Punkt der Bibel nicht können
und nicht wollen. Die Bibel steht wie ein Schutzschild vor den Juden.
Dass die Bibel hätte sollen mitverbrannt werden,
wie Sie behaupten, gibt der Text nie und nimmer her. Burte wollte keine Bücherverbrennung
und schon gar nicht die Verbrennung der Bibel.
Burte NS-Propagandist
Sie stellen in Abrede, dass bedeutende Politiker des Deutschen Reiches an der Geburtstagsfeier von Herrmann Burte teilnehmen. Bei den Feierlichkeiten in Lörrach möchte ich nur auf Hanns Ludin verweisen. Er war seit 1937 SA –Obergruppenführer Südwest. Seine Bedeutung lässt sich daran messen, dass er in den Jahren 1941 bis 1945 Gesandter des Deutschen Reiches und an der Deportation der slowakischen Juden beteiligt war. Auch dass Propagandaminister Joseph Goebbels unter den Gratulanten war, ist völlig unstreitig.
Sie schreiben von den "Feierlichkeiten in Lörrach" und dass Goebbels unter den Gratulanten war. Sie meinen hoffentlich nicht, dass Goebbels in Lörrach war, sondern unter denen, die ein Telegramm geschickt haben.
Bei der Feier zu Burtes 60. Geburtstag in Karlsruhe sind Ministerpräsident Köhler und Kultusminister Wacker anwesen. Da im NS-Regime viel mehr als in der Weimarer Republik persönliche Beziehungen in der Politik eine Rolle gespielt haben - man spricht auch von „neofeudalen[8]“ Strukturen - ist die Rolle dieser Politiker nicht zu unterschätzen. Dennoch kann ich gerne genauer spezifizieren, dass hier bedeutende Politiker aus dem Gau Baden zugegen waren.
Ja, der Gau Baden war vertreten, sie lasen es auch in meiner Ausstellungskritik. In der Ausstellung hieß es aber "bedeutende Politiker des Dritten Reichs nehmen teil". Man rechnet dann mit Leuten aus Berlin. Besonders, wenn es im gleichen Atemzug noch heißt: "Hitler gratuliert persönlich per Telegramm und verleiht die Goethemedaille".
Das Glückwunschschreiben von Adolf Hitler, welches sie vermisst haben, lag auf dem Berg der zahlreichen Geburtstagstelegramme, die Burte erhalten hat[9]. Irrtümlicherweise habe ich daraus ein Telegramm gemacht, ich werde dies zukünftig als Glückwunschreiben bezeichnen.
Es ist halt schlecht, wenn Bestände aus einem
Archiv genommen werden, und keine Stellvertreter (Hinweise auf den Verbleib)
platziert werden. Ich habe das "Telegramm" im Archiv gesucht und natürlich
nicht gefunden. Inzwischen habe ich es dort gesehen, Sie haben es ja ordentlich
zurückgelegt. Der Text hat mich erstaunt. Wäre nicht der Briefkopf und die
Unterschrift Hitlers unter dem Schreiben, könnte man auch meinen, das Schreiben
stammt vom Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Der Text enthält nichts
spezifisch nationalsozialistisches.
Meine Anzweiflung, dass das Telegramm existiert,
habe ich bereits am 25. Oktober aus der Ausstellungskritik herausgenommen, als
ich das Schreiben bei Ulrike Falconer zitiert fand.
Der Beleg dafür, dass Hitler Burte auf Vorschlag von Joseph Goebbels, 15000 Reichsmark geschenkt hat, ist im Bundesarchiv Berlin zu finden[10].
Ich danke für die Quellenangabe; ich habe mir
den Beleg schicken lassen. In der Ausstellung hatten Sie behauptet, "aus
der Privatkasse des Führers erhält er zudem 15.000 RM (...)" Der Begriff
"Privatkasse" scheint von Ihnen erfunden zu sein, Ueberschär und
Vogel, die Sie in Fußnote 10 als zusätzliche Quelle angeben, benutzen ihn
nicht; bei Google gibt es nur einen Beleg dafür - meinen Artikel, in dem Sie
zitiert werden. Auch jetzt scheinen Sie die Dokumente noch nicht verstanden zu
haben. Daraus geht hervor, dass die "Ehrengabe" nicht aus Verfügungsmitteln
Hitlers, sondern aus dem Kulturfilm-Förderungsfonds entnommen wurde, der im
Propagandaministerium angesiedelt gewesen sein dürfte. Ministerialdirigent Dr.
Naumann aus dem Propagandaministerium hat - unter Berufung auf seinen Chef
Goebbels - bei der Reichskanzlei - der Behörde Hitlers - "die Genehmigung
zur Erteilung dieses steuerfreien Betrags" beantragt. In der Antwort aus
der Reichskanzlei heißt es, der Führer habe "die Steuerfreiheit"
bewilligt.
Die Beibringung dieser Quellenangabe ist das
einzige wesentliche Neue, was mir Ihr Brief gebracht hat. Ich habe in einem
Nachtrag zur Ausstellungskritik die Beibringung dieses Belegs erwähnt und die
Dotation eingeordnet.
Mit
dem eben genannten Schreiben sowie der Verleihung der Goethemedaille zum 60.
Geburtstag und dem Geldgeschenk zum 65. Geburtstag von Adolf Hitler,
argumentieren Sie, wolle ich belegen, dass es eine persönliche Beziehung
zwischen Burte und Hitler gegeben haben soll.
In
der Ausstellung ist eine solche Äußerung
jedoch nicht zu finden.
Nein, eine direkte Äußerung nicht, aber eine
Suggestion. Meine Formulierung lautet seit 25. Oktober:
"Der Ausstellungsbesucher kann sich danach, wie die
Aussteller die Sache aufbereiten, durchaus höhere "Politiker des Deutschen
Reiches" vorstellen, die da gewesen sein könnten, wenn Hitler sogar
"persönlich" per Telegramm gratulierte. Er könnte jetzt meinen,
Hitler habe einen persönlichen Draht zum Dichter des Markgräflerlands gehabt.
Der suggerierte "persönliche"
Draht Hitlers zu Burte wird noch unterstrichen, wenn es im Zusammenhang mit
seinem 65. Geburtstag heißt: "Aus der Privatkasse des Führers erhält er
zudem 15.000 RM, was aber nicht öffentlich erwähnt wird." Auch diese
Behauptung der Ausstellung wird durch nichts belegt."
Vielmehr waren solche Geldgeschenke gängige Verfahrensweisen in der NS-Zeit waren. So wurden Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen.
Es liegt mir fern, das zu bezweifeln.
Im Übrigen dürfte die Frage obsolet sein, ob Hitler persönlich damit zu tun hatte. Dass sie die nationalsozialistische Bürokratie das Geldgeschenk und das Schreiben abgewickelt hat, ist wohl klar.
Ihnen und mir schon. Es gibt aber Grund zur Annahme, dass zahlreiche Menschen, auch Ausstellungsbesucher, es nicht wagen, im Zusammenhang mit der herrschenden Geschichtsschreibung über den Nationalsozialismus selbstständig zu denken. In einem Land, wo Ministerpräsidenten zurücktreten müssen, wenn sie sagen und darauf beharren: "Mein verstorbener Parteifreund war Nazi-Gegner", in einem solchen Land stumpft das Nachdenken über den Nationalsozialismus ab. Deswegen kann ein als "persönlich" deklariertes Telegramm auch als "persönlich" verstanden werden, und ein Geschenk aus der "Privatkasse des Führers" als Indiz für eine persönliche Bekanntschaft oder Befassung Hitlers mit Burte. Wobei das Geschenk ja nicht einmal, wie Sie meinen, aus dem Haus Hitler, sondern aus dem Hause Goebbels kam - was, zugegeben, ebenfalls peinlich ist.
Durch Ihre ganze Ausführung zieht sich immer wieder das Argument zu wenig „entlastendes“ Material sei für Burte ausgestellt worden. Bei einer Ausstellung muss eine Auswahl getroffen werden. Ich habe genauso auch zahlreiches „belastendes“ Material weggelassen: z. B. gibt der Reichsleiter und „Chefideologe“ Adolf Hitlers, Alfred Rosenberg, zum 50. Geburtstag von Adolf Hitler einen Sonderdruck in Auftrag. Burte wird aufgefordert in dichterischer Form ein Bekenntnis an den Führer zu verfassen. Ein Exemplar dieser Ausgabe liegt im Hermann-Burte-Archiv aus[11]. Auch hat Burte den Luftkrieg mit dem Gedicht „Zuck aus der Luft“ im Jahr 1940 begrüßt. Dieses Gedicht wurde später an Soldaten verteilt. Auch schrieb er jedes Jahr zu Weihnachten Durchhaltegedichte für die Lörracher Frontsoldaten. Das Gedicht „Burte gegen Masefield“, das den Krieg gegen England begrüßt, verteilt Burte im Auftrag des Bereichsleiters Fritsch aus Freiburg, im Februar 1944 an 15 wichtige Parteigrößen wie der Reichshauptamtsleiter Karl Cerff in Berlin, der Oberbefehlsleiter Friedrichs in München, der Reichsleiter Martin Bormann im Führerhauptquartier und der Gaupropagandaleiter Adolf Schmid in Straßburg[12]. Wenn man bedenkt, dass die Hälfte aller Kriegsopfer in Europa in den letzten zehn Monaten ihr Leben verloren habt, so weiß man solche Durchhalteparolen richtig einzuschätzen. Aus diesem Grund halte ich die Debatte für müßig, wie viel entlastendes und belastendes Material vorliegt.
Verstehe ich Sie richtig? Sie als Historikerin
meinen, dass, wenn einmal genug belastendes Material vorliegt, die Debatte müßig
ist, wie viel entlastendes noch vorliegt? Das wäre doch das Ende jeder
ernstzunehmenden Geschichtsschreibung.
Das Material, was Sie hier zusätzlich auflisten,
hat keine neue Qualität gegenüber den vielen tatsächlichen und aufgebauschten
Belegen der Ausstellung für Burtes Mitmarschieren. Da auf der anderen, der
entlastenden Seite von Ihnen nichts kam, bleibt das Verhältnis gleich. 0:100
ist so schlecht wie 0:150.
Im Auftrag von Staat und Partei
Sie
spielen in ihrem Brief Burtes Auftritte herunter, die im Auftrag der
Auslandsorganisation der Schweiz (AO) und der SA (Sturmabteilung) stattfanden.
Ich möchte dies nur an zwei Beispielen zeigen:
1936
hält Burte in Singen eine Ode zu Ehren des ermordeten NS-Aktivisten und Chefs
der Auslandsorganisation der
Schweiz, Wilhelm Gustloff, und zwar im Auftrag der Landesstelle des
Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Kulturreferent Willy
Fritz dankt ihm am 13. Februar 1936
dafür, dass er seinen Aufenthalt in der Schweiz unterbrochen hat und in Singen
bei den Trauerfeierlichkeiten des ermordeten Gustloff „Die Totenprobe“
gesprochen hat[13].
Ob die "Landesstelle" - es
handelt sich um die Badische Landesstelle - des Ministeriums den Gedichtvortrag
beauftragte, geht aus dem Schreiben von Fritsch nicht hervor. Aber er bedankt
sich.
Die "Totenprobe" ist ein kurzes
patriotisches Gedicht, erschienen 1930 im Gedichtband "Ursula", das -
ersetzt man das Wort "Deutschland" durch "England", "Türkei"
oder etwas anderes - in jedem anderen Land Anklang gefunden hätte.
Am 8. Februar 1939 bedankt sich Hermann Burte beim Obergruppenführer der SA, Hanns Ludin, dass er in Tübingen vor Standartenführern über „Alamannien“ sprechen darf und lädt Hanns Ludin in seine Mutterstadt nach Lörrach ein[14]. Bei dieser Veranstaltung handelt es sich um einen Standartenführerlehrgang, der am 9. März 1939 abends in der Reichssanitätsschule der SA stattfand. Danach gibt es einen Kameradschaftsabend.[15] Schon der Sekretär von Burte, Emil Ernst, hat beim 60. Geburtstag 1939 darauf hingewiesen, dass Burte Kontakte zur SA hatte als sie noch in der Weimarer Republik verboten war[16].
Die SA wurde zwei Mal verboten.
Kurzzeitig im April 1932 - da war die NSDAP aber legal und konnte die Briefe der
SA selber austragen. Das Verhältnis zwischen DNVP und NSDAP war auf dem
Tiefpunkt, sie waren gerade mit getrennten Präsidentschaftskandidaten
aufgetreten.
Das andere Verbot der SA war
gleichzeitig mit dem NSDAP-Verbot von November 1923 bis Februar 1925. Mitten in
dieser Zeit, im April 1924, begann Burte den Markgräfler mit herauszugeben, der
der politischen Linie der DNVP folgte und in dem keinerlei Beachtung der NSDAP
oder der SA deutlich wird. Burte pfuscht denen ins beginnende Geschäft.
Der Sekretär Ernst prahlt 1939 im
von Ihnen angegebenen Büchlein S. 53ff mit seiner Stellung bei Burte. Ja,
SA-Gruppenführer Ludin (dessen Mutterstadt Lörrach ist) schickte aus Karlsruhe
in der Verbotszeit der NSDAP/SA Briefe an den ihm persönlich bekannten Burte
(und somit erst einmal auf den Schreibtisch seines Sekretärs Ernst), dieser
Ernst hat dann diese Post weitergetragen (er schreibt: "was ich besorgen
konnte, ohne dass sie erwischt wurde.")
In den 70er/80er Jahren war der
Sender Radio Dreyeckland zeitweise verboten. Wenn dann ein Grüner oder sein
Sekretär Post für das gerade verbotene Radio weiterreicht, kann man nichts
daraus konstruieren. Zwar sind die SA und Radio Dreyeckland, damals ein
Sammelbecken von Alternativen, Linken und Linksradikalen, nicht vergleichbar.
Doch 1923 wusste man noch nicht, dass die Nazis einmal 52 Millionen
Weltkriegstote und 6 Millionen ermordete Juden auf ihrem Konto haben würden,
man war so oder anders gegen das System und half sich offenbar - trotz nicht
oder wenig vorhandener politischer Sympathie - im Städtle gegenseitig aus.
Burtes Mitmarschieren im
etablierten Nationalsozialismus ist unbestritten; seine von Ihnen so genannten
"Kontakte zur SA", "als sie noch in der Weimarer Republik
verboten war", reduzieren sich auf eine Gefälligkeit für Ludin; sie sind
nicht geeignet, irgend etwas über Burtes damalige politische Haltung
auszusagen, außer vielleicht, dass er rechts war.
Auch sagen Sie, dass Burte ein einfaches Mitglied ohne Funktion gewesen wäre. Auch dies ist falsch. Er war einer der höchsten Repräsentanten im Kreis Lörrach. Nur er und noch eine andere Person aus dem Kreis haben ein gewisses Rangabzeichen getragen (für Sport und Kultur).
Dass nur Burte und ein anderer im Kreis Lörrach "ein gewisses Rangabzeichen für Kultur und Sport" getragen hat, ist mir nicht bekannt, halte ich aber für möglich. Es gab im Dritten Reich eine Inflation von Abzeichen. Ich bitte um einen Beleg. Was Burte nicht hatte, sind politische Führungsaufgaben und eine entsprechende Funktion.
Auch zweifeln Sie, dass Burte Reden im Auftrag des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda hält.
Nein. Sie müssen genauer lesen. Ich wende mich nur gegen die Art, wie Sie die Sache aufbereiteten. Ich schreibe von der Rede auf der Ordensburg Vogelsang (die dann nicht stattfand), sie war von einer Stelle des Propagandaministeriums organisiert. Ich führe auch den Brief Burtes vom 23. Januar 39 an die Schrifttumsstelle des Ministeriums an, in dem er hofft, im Herbst wieder auftreten zu können - auch für die Schrifttumsstelle des Propagandaministeriums. Weiteres über die Beziehungen Burtes zum Propagandaministerium finden Sie hier in meinem Artikel "Zu Burtes "Neuvermessung" durch den Südwestfunk 1978".
Hierzu ist soviel zu sagen: Am 10. Juli 1944 bedankt sich Oberregierungsrat Dr. Hövel vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda für Burtes Zusage, eine Festrede zu Ehren des 85. Geburtstags von Knut Hamsun zu halten. Ein Schlafwagen wird für ihn nach Berlin bereitgestellt[17].
Sie meinen sicher, bereitgestellt wurde eine "Bescheinigung, dass an einer Bereitstellung eines Schlafwagenplatzes für Sie ein amtliches Interesse besteht" - wie es im Brief heißt. Hervorhebung von mir.
Im Übrigen hielt Burte die Rede zu Ehren des verstorbenen Chefs der Auslandsorganisation, Wilhelm Gustloff, im Auftrag der Landesstelle des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda.
Burte hielt keine Rede, sondern trug das Gedicht "Totenprobe" vor, das Sie oben erwähnen und von dem Sie sagen, "er hält eine Ode".
Die Sieben Reden von Burte aus dem Jahr 1943 wurden ebenfalls im Auftrag des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda verfasst.
Das stimmt so nicht. Die Reden wurden 1943 publiziert, gehalten (und verfasst) wurden sie 1935 und 1940 - 42. Der unmittelbare Auftrag zur Rede kam nicht immer von der gleichen Stelle. Etwa die Rede "Die Deutsche Sendung von Laut und Letter" wurde vom Oberbürgermeister der Stadt Mainz veranlasst (Brief vom 1. 5. 42 im Burte-Archiv).
Auch weisen Sie darauf hin, dass Burte nicht als SS-Schulungsreferent gearbeitet hat.
Das stimmt so nicht. Ich problematisiere den Begriff "Schulungsreferent" für die Vortragstätigkeit Burtes, der von Blaschek eingeführt wurde und seither von Burte-Gegnern übernommen wurde.
In einem Schreiben wird Burte vom SS Obersturmführer und Schriftleiter der SS-Leitstelle beim SS-Hauptamt, Kleffel, aufgefordert, an dem monatlich erscheinenden Begleitheft des Schulungsamtes der Reichsführung-SS mitzuarbeiten. Es werde, so heißt es in dem Schreiben, zur weltanschaulichen Schulung der SS und der Polizei herausgegeben[18].
Dass Burte die entsprechende Anfrage erhielt, ist richtig. Nur dass er sie annahm ist nicht belegt.
Unabhängig davon heißt es bei Rudolf Blaschek, der den Bericht zu Burtes NS-Vergangenheit 1945 geschrieben hat, dass Burte als Schulungsreferent gearbeitet habe.
Die Beweisführung Blascheks bezüglich des einzigen von ihm konkret benannten Burte-Auftritts konnte ich in meiner Ausstellungskritik widerlegen - Sie müssen es gelesen haben.
Des weiteren gibt es ein Schreiben vom SS-Hauptamt Berlin-Grunewald bezüglich Burtes Werk„ Sieben Reden“. Darin heißt es, dass der SS-Informationsdienst diese Reden besprochen hat und sie als Textauszüge für die Fronttruppen drucken wird[19]. Eine eindeutige Quelle liegt also bisher noch nicht vor, dass Burte als Schulungsreferent der SS tätig war.
Dann sind wir uns hier also doch einig!
Für eine Kopie des in Fußnote 19 angegebenen Dokuments wäre
ich dankbar.
Richtig müsste es heißen, seine Werke dienten als geistige Schulung für die SS. Allerdings sollte hier Wichtig ist hierbei die Rolle der SS sich
Hier scheint etwas im Text zu fehlen. Um zu sehen, welche Rolle Burtes "Werke" bei der geistigen Schulung der SS spielten, müsste man sich das Gesamtprogramm der Schulung ansehen - erst dann könnte man sehen, ob und was von Burte dabei ist und was es für eine Rolle spielte. Ihre Formulierung bauscht, wie schon so oft in der Ausstellung, unbelegte Sachverhalte auf.
Im Gegensatz zu Ihnen, halte ich die Beurteilung 1945 von Rudolf Blaschek über Burte für seriös. Wahrscheinlich gehört Blaschek zu der so genannten Antifa-Gruppe, die im Auftrag der französischen Besatzungsmacht diese Untersuchung zu Burte durchgeführt hat. Solche Antifa-Mitglieder waren zumeist anerkannte NS-Gegner und Persönlichkeiten aus dem Widerstand und hatten gute Kenntnisse von den Verhältnissen vor Ort[20].
Teilen Sie auch die Ansicht Blascheks, Burte hätte 1945 lebenslänglich hinter Gitter gehört?
Burte ein Spitzel?
Hier stören Sie
die in der Ausstellung gezeigten Berichte von Hermann Burte an den
Sicherheitsdienst (SD). Insbesondere nehmen Sie an den Worten „Spitzel- und
Informationsnetz“ Anstoß.
1934 wurde der SD zum
einzigen Nachrichtendienst der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Zugleich werden die Arbeitsgebiete
von Sicherheitsdienst (SD) und Geheimer Staatspolizei (Gestapo) festgelegt: Der SD war für die Ermittlung
von Gegnern des NS-Regimes zuständig, die Gestapo für die Gegnerbekämpfung.
Mit Hilfe eines ausgedehnten Spitzel- und Informationsnetzes überwachte der SD
die deutsche Bevölkerung. Rund 30.000 so genannte Vertrauensleute informierten
den SD über alle Bereiche des öffentlichen Lebens und lieferten Berichte über
die Wirkungen der von der NS-Führung verfügten Maßnahmen und Gesetze.
Und genau solche Berichte
schrieb Hermann Burte für den Sicherheitsdienst. Welche Folgen sie hatten, weiß
man nicht. Wie Sie richtig in ihrem Brief schreiben, nennt Burte neben anderen
Gegnern des NS-Regimes auch die Schriftstellerin Annette Kolb und ihren
Aufenthaltsort in Genf[21].
1933 flieht die Schriftstellerin vor den Nationalsozialisten ins Exil. Die
Angabe ihres Wohnortes hätte für Annette Kolb lebensbedrohlich sein können,
reicht doch der Arm der Nazis auch in nicht besetzte Gebiete.
Sie gehen davon aus, dass
Burte sich mit solchen Berichten lediglich wichtig machen wollte. Er nutze sie
zur Selbstdarstellung und leite Belangloses an den Sicherheitsdienst weiter.
Burte tue dies, weil er selbst von den Nationalsozialisten kritisch gesehen
werde. Dann muss ich hier einwenden, geht er sehr leichtfertig mit der Nennung
der Namen von Regimegegnern um.
Sie wiederholen zum Teil das in der Ausstellung gesagte, und auch ich muss mich wiederholen: Die Aussage Willi Ferdinand Fischers zeigt, dass Burte über die Befragung durch den SD nicht begeistert ist. Unter dieser Einschränkung sagte ich, dass seine Aussagen etwas Prahlerisches an sich haben, dass er vielleicht Misstrauen ihm gegenüber begegnen wollte. Begeistert über die Nennung von Regimegegnern durch Burte bin ich nicht. Die Wirkung ist nicht klar; die Mitglieder, Themen, Referenten und Vorgänge im PEN-Club Basel waren zum Teil auch aus der Basler Presse zu entnehmen.
Im Übrigen scheint Burte für den SD nicht so uninteressant. Er wird zumindest noch zweimal aufgefordert Beurteilungen über Personen zu schreiben: Am 18. Dez. 1942 soll Burte die Arbeit eines Professor Ziegler bewerten. Seine Leistung, Persönlichkeit in politischer, charakterlicher und beruflicher Hinsicht, das künstlerische Schaffen und der Eindruck der Bevölkerung von seiner diesjährigen und letztjährigen Ausstellung soll Burte begutachten und seine organisatorischen Fähigkeiten als Leiter der Reichskulturkammer sowie seine Mängel spezifizieren. Die Einschätzung Burtes soll bis zum 2. Januar 1943 abgeben werden[22].
Professor Ziegler war Präsident der Reichskulturkammer, Burte war gegen ihn ein Zwerg. Von Burte wurde auch einmal vom SD eine Beurteilung einer Rede von Goebbels verlangt. Aber nicht, weil Burte über ihm stünde und ihm an den Karren fahren könnte ... Ich spreche darüber in meinem Artikel über die "Neuvermessung" Burtes durch den Südwestfunk.
„Weder Einsicht noch Reue“
Hier sagen Sie, Burte zeige nach 1945 im Zuge des Spruchkammerverfahrens Charakter, weil er in seinen Verteidigungsschriften die Wahrheit sagt.
Sie müssen genauer lesen. Ich schrieb: "In der Verteidigungssituation stellt Burte sich etwas beschönigend dar." Mein Wort "Wahrheit" bezieht sich nicht auf alle Details der Verteidigungsschrift, sondern auf seine grundsätzliche Entscheidung, nicht das Hemd zu wechseln, sondern seine Weltanschauung zu bekennen.
Beispielhaft an drei Punkten seiner Verteidigungsschrift möchte
ich zeigen, dass Burte sich herauswindet und an manchen Stellen sogar
lügt:
In seinem Schreiben „Erwiderung auf Vorwürfe
und Beschuldigungen“ von 1947 heißt es, er habe von der Partei nie Geld erhalten. Hier möchte ich an
das Geldgeschenk von Adolf Hitler erinnern. Weiterhin versichert er, er habe
niemanden denunziert. Was hat es mit den SD-Berichten auf sich. Die Frage ist,
wie wir festgestellt haben, nicht geklärt. Aber für Burte selbst scheint es
ein Thema zu sein, ansonsten müsste er es nicht ansprechen.
Burte hat in der "Erwiderung ..." geschrieben, er antworte auf "Anklagen, Vorwürfe und Beschuldigungen, die mir teils in Verhören, teils schriftlich und mündlich ... gemacht worden sind oder noch gemacht werden." Er beklagt sich, dass eine "Broschüre" - offenbar die Schrift von Blaschek - ihm trotz Bittens nicht zugänglich gemacht wurde.
Sie beurteilen die Möglichkeit, die Ziele Hitlers zu erkennen, von 2007 aus, wo man sie unverschleiert in jedem Schulbuch nachlesen kann. Burte musste sie aber 1933, 1939 usw. erkennen. Ich gehe darauf hier in meinem Artikel zur "Neuvermessung" von Burte durch den Südwestfunk ein.
In der Korrespondenz des Burtes Archiv habe ich einen im Jahr 1938 eingeordneten Aufruf gefunden, in dem das Schweizerische Hilfskomitee für Not leidende Frauen und Kinder in Deutschland Spenden sammelt[23]. In diesem Aufruf ist die Rede von Massenverhaftungen, von Verhören, von Massenprozessen, Hausdurchsuchungen und Inhaftierungen in Konzentrationslagern. Die Personen, die dieses Hilfskomitee unterstützen, sind namentlich genannt. Burte streicht einige der aufgelisteten Personen mit Blau an.
Ein Richter, der nicht politische Einstellungen be- und verurteilt, sondern Taten, könnte mit dem Artikel wohl nichts anfangen. Er besitzt vermutlich keine Beweiskraft. Ich bitte Sie auf jeden Fall um eine Kopie.
Weiter heißt
es in Burtes Schreiben, dass er die Zerstörung der Synagogen und die
Vertreibung der Juden abgelehnt habe, aber eingreifen habe man nicht können.
Burte kennt also die Verbrechen der Nationalsozialisten. Er gibt es selbst zu.
Durch
seine Aufenthalte in der Schweiz hatte er zudem Zugang zu Schweizer Presse, in
der nach 1940, insbesondere nach 1942, von den Massenerschießungen und den
Konzentrationslagern in den von Deutschen besetzten Gebieten berichtet wird.
Dass Burte Verbrechen der Nationalsozialisten kannte, ist eine Binsenweisheit, die weder ich noch Burte in seinen Verteidigungen in Frage stellt. Die Frage ist: Wie weitgehend waren seine Kenntnisse und was stand dagegen, ausländischen Pressemeldungen, so sie ihn erreicht haben, zu glauben.
Diese Ausführungen reichen aus, um zu zeigen, dass Burte in diesen Schriften nicht die Wahrheit sagt und um den verbrecherischen Charakter des Regimes wusste.
Die Schriften umfassen ca. 20 Seiten. Sie schreiben pauschal, er sage nicht die Wahrheit. Schauen Sie sich doch einmal Walter Jens oder Günter Grass an - das ganze reife Leben dieser Männer war - will man es so scharf formulieren wie Sie - eine Lüge: Sie haben sich als Moralpäpste aufgeführt und dabei verschwiegen, dass sie in der NSDAP bzw. in der SS waren. Menschen, die Abstand zu den Dingen haben, wissen um diese allgemeinmenschliche Problematik und vermeiden das Wort "Lüge" im Zusammenhang mit autobiographischen Äußerungen möglichst.
Zugleich zeigen diese beiden Schriften noch etwas anderes. Burte hat das NS-Regime unterstützt. Er hätte sich auch passiv verhalten können.
Richten Sie diese Worte wirklich an mich? Ich weiß das doch! Weiß aber auch, dass die ganze Realität nicht mit Ihren letzten zwei Sätzen beschreibbar ist.
Und: Mit keinem Wort wird das unermessliche Leid der Opfer erwähnt oder die Verbrechen der Nationalsozialisten offen angesprochen. Mit dieser Haltung ist Burte nicht allein. Das ist ein typisches Verhalten von Tätern des Nationalsozialismus. Die Verbrechen werden ausgeblendet[24].
Ihr Urteil ist vernichtend. Welch ein Glück, dass Sie damals nicht leben mussten und danach nicht vor dem Scherbenhaufen standen.
Zum Abschluss lässt sich zusammenfassend sagen: Burte hat schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit den Wegbereitern des Nationalsozialismus sympathisiert. Seine Gedanken sind von völkischen Dichtern wie Langbehn (Rembrandt-Deutscher), Chamberlain (Grundlagen des 19. Jahrhunderts) und Lagardes maßgeblich beeinflusst. Er hat gegen die Freiheit für die Autokratie, er hat für den Krieg und Unterdrückung anderer und er hat für die Ausschaltung der Juden votiert. Nach der Befreiung Deutschland blendet er die Opfer des Nationalsozialismus aus.
Sie blenden alles aus, was dagegen spricht. Ich habe in meiner Ausstellungskritik einiges davon erwähnt. Selbst diese meine Antwort auf Ihren Brief leidet unter Einseitigkeit: Sie greifen an, beschuldigen, leisten sich einen Fehler nach dem anderen - aber immer zu Ungunsten von Burte - und ich lasse Sie das Thema bestimmen, reagiere nur, renne Ihrer einseitigen Argumentation hinterher. Was not täte, wäre eine allseitige Darstellung von Burte.
Ihre Ausführungen, Herr Noth, zeigen deshalb wie notwendig diese Ausstellung gewesen ist und wie es weiterhin notwendig sein wird, die allgemeinen Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft auch auf den lokalen Bereich herunterzuholen.
Das ist gut formuliert. Aber Sie legen die Messlatte, die heute mainstream ist, an Burte an und werden ihm in keiner Weise gerecht.
Nur allzu gerne wird der Nationalsozialismus mit Hitler gleichgesetzt. Gründe für den Sieg des Nationalsozialismus müssen jedoch nicht zuletzt in den örtlichen/regionalen und konfessionellen Gegebenheiten gesucht werden: „Hitler, Goebbels und die anderen nationalsozialistischen Führer lieferten die politischen Entscheidungen, die Ideologie, die Propaganda (…). Doch in den Tausenden von Orten (…) in ganz Deutschland wurde die Revolution verwirklicht. Diese Orte bilden das Fundament des Dritten Reiches[25]“.
Kathryn Babeck
Das ist nicht abzustreiten. Es waren nicht nur ein paar Führer, sondern breite Teile des Volkes verstrickt. Gerade das müsste nachdenklich machen. Diejenigen, die heute richten, sind entweder maßlos selbstgerecht oder es entgehen ihnen große Bereiche der Realität.
Harald Noth
Nachbemerkung 22. 3. 2009: Die von Frau Babeck angebotenen und von mir erbetenen Unterlagen sind bis heute nicht eingetroffen. H.N.
[1]
D’r Hebel rassisch! Von Hermann Burte, in: Markgräfler Jahrbuch
1940/41.
[2]
Hellige, Hans Dieter/ Ernst Schulin (Hrsg.):
Rathenau, Walther, Gesamtausgabe
Briefe, Bd. 1-2, Düsseldorf 2006, hier S. 1294f und S. 1296f.
[3]
Schreiben des Auswärtigen Amts liegt als Kopie im Hermann-Burte-Archiv,
Maulburg aus.
[4]
Sammlung Dr. Friedrich Vortisch
[5]
Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. bis jetzt 4 Bände, München
1987–2003, S.391 ff.
[6]
Redeskript der Radiosendung im Rundfunk des Reichsender Frankfurt vom 1. März
1936 mit dem Titel „Hermann Burte: Erfüllte Voraussagen des Buches
Wiltfeber“. Kopie kann bei Kathryn Babeck angefordert werden.
[7]
Vgl. dazu folgendes Zitat von Hans-Ulrich Wehler, Gesellschaftsgeschichte,
S. 357: „Der DNVP gelang es in dieser krisenreichen Zeit sich als
einzige stramm nationalistische, friedensverweigernde, ultrakonservative
Alternative zu den Parteien der Weimarer Koalition zu präsentieren. Die
Nachkriegsstimmung, der gekränkte Nationalismus, der durch Niederlage und
„Reparationsterror“ verletzte Stolz trieben das Wasser auf ihre Mühlen.
Da noch keine republikweit operierende rechtsradikale Partei die
Aufmerksamkeit auf sich zog und auch die Antisemitenparteien der
Vorkriegszeit nicht wieder erstanden waren, band sie - auch programmatisch
in ihren Grundsätzen von 1920 mit dem unverhohlenen Protest gegen die
„Vorherrschaft des Judentums“ - das mächtig anschwellende Potential der
Antisemiten und völkischen Gedanken.“
[8]
Bernhard Gotto: Stabilisierung von unten. Die Personalpolitik der
Stadtverwaltung Augsburg 1933-1939, S.23- 49, in: Sabine Mecking/Andreas
Wirsching (Hg): Stadtverwaltung im Nationalsozialismus,
Systemstabilisierende Dimensionen kommunaler Herrschaft, Paderborn, München,
Wien, Zürich 2005.
[9]
Schreiben des Führers vom 15. Februar 1939, Hermann-Burte-Archiv, Maulburg.
[10]
Bundesarchiv Berlin R 43 II/986/Fiche Nr. 4, auch bei Ueberschaer, G: Dienen
und Verdienen Hitlers Geschenke an seine Eliten, Fischer Taschenbuch
Verlag, Dezember 2000 findet sich der Nachweis über die 15000 Reichsmark.
[11]
Schreiben von August Friedrich Velmede an Burte vom 11. Februar 1939, darin
schreibt er, dass Alfred Rosenberg die Zusammenfassung eines bibliophilen
Drucks zum 50. Geburtstag des Führers vorbereitet. Geplant ist das
Reichsleiter Robert Ley und Alfred Rosenberg den Druck Hitler persönlich übergeben
werden, 100 Dichter werden ausgewählt, dieser Druck ist nicht für die Öffentlichkeit
bestimmt, sondern soll nur in wenigen Exemplaren, ca. 6 Stück, herausgeben
werden. Burtes Gedicht zum
Geburtstag von Adolf Hitler am 20. April 1939: „Aus Welten tief/kam es und
rief/einen Mann! Einen Mann! Er kommt und spricht/er steht und bricht/den
Bann!/Er macht behände/ein Ende/dem Spiele der Meinung/und ballt in Einung/
durch seinen Willen/den Trieb der Rillen//höchsten Mutes/besten Blutes/in
der Nerve/Kraft und Schärfe/männlicher Geist!/ Er zerreist lachend die
Metze/fremder Jäger,/ein Willensträger,/ein Zukunftswäger/und Schafft
Gesetze// In jede Seele/wirft er Befehle/da fühlen alle/wie er im Blut/im
Adernhalle/die gleiche Glut!-/Er wirft den Funken wilden Feuers/neuen
Feuers/über das Land;/auf das ein Brand sich entfache/und Deutschland
erwache!, Hermann-Burte Archiv, Maulburg.
[12]
Schreiben vom 14. Februar 1944 von Kreisleiter Fritsch an Hermann Burte und
Schreiben vom 25. Februar 1944 von Kreisleiter Fritsch an Hermann Burte,
Hermann-Burte-Archiv, Maulburg
[13]
Unterlagen Dr. Friedrich Vortisch.
[14]
Schreiben an den Obergruppenführer der SA, Hans (sic) Ludin vom 8. Februar
1939. Kopie kann bei Kathryn Babeck eingefordert werden.
[15]
Schreiben der SA der NSDAP, Gruppe Südwest, Führungsabteilung, Betrifft:
Standartenführer-Lehrgang in Tübingen, 17. Februar 1939. Kopie kann bei
Kathryn Babeck angefordert werden.
[16]
Hermann Burte zum 60. Geburtstag, erschienener Sonderdruck zum 60.
Geburtstag OV Lörrach, im Februar Lörrach 1939:
[17]
Schreiben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda,
Oberregierungsrat Dr. Hövel vom 10. Juli 1944.
Hermann-Burte-Archiv, Maulburg.
[18]
Schreiben SS-Hauptamt Berlin, Schriftleitung der SS-Leithefte, 22. Februar
1939, Kopie kann bei Kathryn Babeck anngefordert werden.
[19]
Schreiben des SS-Sturmbannführers im Auftrag der Reichsführer SS,
SS-Hauptamt Berlin-Grunewald, Kopie kann bei Kathryn Babeck eingefordert
werden.
[20]
Im Zuge der geplanten Selbstreinigung arbeiten diese Antifaschisten der
französischen Besatzungsmächte zu.
Entschiedene NS-Gegner sollten in das Projekt der Entnazifierung mit
eingebunden werden und somit eine Reinigung aus dem deutschen Volk kommen
sollte. Bedingt durch
organisatorische Schwierigkeiten und Mangels Personal scheiterte jedoch das
französische Konzept der Selbstreinigung. Deshalb übernahm die französische
Besatzungsmacht 1947 das angloamerikanische Modell der
Spruchkammerverfahren. Jetzt hatten fast alle Kreise der deutschen Bevölkerung
die Möglichkeit Gutachten über ihre Landsleute zu schreiben, was zuweilen
zu milden Urteilen der Spruchgerichte führte.
Reinhardt Grohnert: Die Entnazifizierung in Baden 1945-1949,
Stuttgart 1991 Jürgen Klöckler: Entnazifizierung im französisch besetzten
Südwestdeutschland. Das Verfahren der „auto-épuration“ in Baden und Württemberg-Hohenzollern.
Walter Schuster – Wolfgang Weber (Hg.): Entnazifizierung im regionalen
Vergleich, Linz 2004.
[21]
„Sie (Annette Kolb) weile gegenwärtig bei der Familie des Professors
Burckhardt in Genf, des früheren hohen Kommissars in Danzig, dessen Frau,
eine geborene Gonzagne de Reynolds aus Fribourg als fanatische Klerikal eine
Gesinnungsgenossin der Vivela (sic) France-Annette ist!“, SD-Bericht vom
12. Februar 1940, S. 5, Hermann-Burte-Archiv, Maulburg
[22]
Schreiben SD-Leitabschnitt Karlsruhe, Außenstelle Lörrach vom 25. November
1942 und SD-Leitabschnitt Karlsruhe, Außenstelle Lörrach vom 18. Dezember
1942, Korrespondenz Hermann-Burte-Archiv, Maulburg.
[23]
Aufruf des Schweizerischen Hilfskomitees für notleidende Frauen und Kinder
in Deutschland mit einer Liste von 30 betroffen Familien. Namen und Wohnort
sei geändert worden, heißt es in dem Aufruf, Hermann-Burte-Archiv
Maulburg.