Im Ufsatz schribt eine: „Alle Neger sind hinterlistig, feig und faul.“ Dr Lehrer fiählt sich do innerlig verwundet, aber er droit nit, des rot astriche. Dr het dä Spruch nämlig schommol ghert gha: „Er tönte aus dem Lautsprecher im Restaurant und verdarb mir fast den Appetit. Ich lasse den Satz so stehen, denn was einer im Radio redet, darf kein Lehrer im Schulheft streichen. (…) Die Zeitungen drucken es nach und die Kindlein, sie schreiben es ab.“ Diä Szene het dr Ödön von Horváth 1937 fir e Roman üs em Läbe griffe. (Aus: Badische Zeitung, Lueginsland, 20. 1. 2007)

Zur Methode der Anti-Oettinger-Kampagne

Am 11. 4. 2007 fand im Freiburger Münster der Staatsakt für den verstorbenen ehemaligen Ministerpräsident Hans Filbinger statt; der amtierende Ministerpräsident Günter Oettinger hielt die Trauerrede. Filbinger war 1978 Opfer einer Medienkampagne geworden, in der ihm schuldhafte Verstrickung im Nationalsozialismus vorgeworfen wurde und die zu seinem Rücktritt führte. Nun war Oettinger drauf und dran, zurücktreten zu müssen, denn er hatte in seiner Rede behauptet: "Filbinger war kein Nationalsozialist".
In den öffentlichen Reaktionen auf die Trauerrede auf seinen Amtsvorgänger von 1966 bis 1978 wurden totalitäre Tendenzen in unserer Politik und Medienlandschaft deutlich.
Die Ereignisse um Oettinger im April/Mai 2007 stehen nicht im luftleeren Raum; sie sind ein Produkt des Parteien- und Richtungsstreits in Deutschland. Der erste Schritt in der Auseinandersetzung wird Oettinger zugeschrieben: Er habe mit seiner Rede provoziert und Sympathien beim rechten Flügel der CDU gewinnen wollen. Der Stein, an dem man sich stieß, war seine Äußerung, Hans Filbinger sei kein Nationalsozialist gewesen, sondern ein Gegner des NS-Regimes. Diesen Satz hatte der Redner zwar gleich im nächsten relativiert, als er sagte, Filbinger habe sich, wie Millionen andere, den Zwängen des Systems nicht entziehen können. Dies spielte aber in der Diskussion keine Rolle mehr - Inhalte spielten ohnehin kaum eine Rolle. Für unsere Betrachtung der Medienlandschaft spielt auch keine Rolle, dass Oettingers Rede von einem Redenschreiber verfasst war und nicht von ihm selbst.

Vollständiger Wortlaut des die NS-Zeit betreffenden Redeteils von Oettinger hier: (1)

Mehr zum Begriff "Gegner des NS-Regimes" hier:
Was ist ein Nazigegner? Zur Kampagne gegen Oettinger und Filbinger. 

Zur Haltung und Rolle Filbingers 1933 - 1945 siehe:
Hans Filbinger und seine selbstgerechten Richter

Die Mutter der Kampagne

In der Anti-Filbinger-Kampagne 1978 war es zwangsläufig noch um Tatsachen und Inhalte gegangen - weil es noch konservative (a) Gegenwehr gegeben hatte. Freilich hatten die linksgerichteten (a) Medien und Politiker  mit ihrer Auswahl und Deutung der Tatsachen obsiegt; dieser Sieg war offenkundig geworden, als Ministerpräsident Filbinger den Rückhalt in der CDU zu verlieren begann und sich daher zum Rücktritt gezwungen sah. Dabei war es zu keinem einheitlichen Bild gekommen: Für einen Teil der Kritiker - allen voran der Schriftsteller Rolf Hochhuth - hatte sich Filbinger als Marinerichter schuldig gemacht - "furchtbarer Jurist", "Blutrichter" usw. sind Schlagworte, die dafür stehen. Andere gestanden ein, dass die Verhältnisse im Krieg nicht mehr zweifelsfrei rekonstruierbar wären und eine Schuld somit schwer nachweisbar sei, sprachen aber Filbinger dafür Schuld zu, dass er keine Reue für seine Rolle oder sein Verhalten im Krieg zeigte. Doch damit wurde der Schuldspruch durch die Hintertür eingeführt: wer 1978 Reue für 1944/45 zeigen soll, muss Anno 44/45 sehr wohl Schuld auf sich geladen haben.

Aber die damalige Kampagne hatte noch nicht zu Repressalien gegen Unterstützer Filbingers geführt; es war diesen weiterhin möglich, sich frei gegen die Hauptströmung in der öffentlichen Auseinandersetzung zu äußern. Sofern es jemand hören und drucken wollte. Dies war offenbar nur begrenzt der Fall: Guido Forstmeier, ein wegen "Wehrkraftzersetzung" Angeklagter und dem Tod Geweihter, der vom Militärjurist Filbinger gerettet worden war, schreibt zur Kampagne 1978: "Ich habe damals diverse entlastende Leserbriefe und Berichte an Zeitungen geschrieben, die jedoch größtenteils bewusst unterschlagen wurden." (national-zeitung.de, 13. 4. 07)

Das Axiom von Filbingers Schuld

In der Anti-Oettinger-Kampagne 2007 dagegen wurde das Ergebnis der Kampagne von 1978 als unumstößliches Axiom etabliert. Daher ist zugelassen, Filbinger à la Hochhuth als einen verbrecherischen Nazi anzusehen, aber auch als einen nicht besonders auffälligen Mitläufer, der damals nichts riskiert hat und heute nichts bereut (Wolfram Wette, 2003). Nicht erlaubt ist die Sicht, dass Filbinger, der dem Freiburger Kreis um Karl Färber angehörte und in seiner Tätigkeit als Militärjurist vom Tod bedrohte "Wehrkraftzersetzer" gerettet hat, ein NS-Regimegegner war. 

Ob die Erde eine Kugel ist oder eine Scheibe wurde 2007 daher kaum mehr diskutiert - das Axiom besagt, sie sei eine Scheibe, sprich, Filbinger ist kein NS-Regimegegner. Man hat in der Regel nicht neu mit der Materie gearbeitet, sondern den "mainstream" von 1978 bloß referiert.

Die Verteidigung wird behindert

Die Tatsache, dass Guido Forstmeier fast nur in der "National-Zeitung" zu Wort kommt,  und sonst kaum irgendwo, oder dass Günther Gillessen, früherer politischer Redakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und Filbinger-Experte, gezwungen ist, in der in der linken Presse oft als "rechtsradikal" stigmatisierten "Jungen Freiheit" (21. 4. 07) zu publizieren, spricht Bände. Beide hätten gerne dasselbe auch in Zeitungen geschrieben, die größere Verbreitung haben und andere Meinungsspektren widerspiegeln. Mit Forstmeier hatten zwar Journalisten von vier weiteren Blättern Kontakt, doch es kam letztlich nichts darüber in der Presse. Forstmeier, der Filbinger sein Leben verdankt, hatte den Eindruck, dass man von ihm vor allem herauskitzeln wollte, ob Filbinger nicht doch irgendwann Nazi war (b). Beide Autoren finden für ihre Beweisführung "die Erde ist eine Kugel" kein Forum in der politischen Mitte, geschweige denn links. Mein Artikel Hans Filbinger und seine selbstgerechten Richter, der sich kritisch mit der von manchen für Wissenschaft gehaltenen Anti-Filbinger-Polemik von Prof. Dr. Wolfram Wette auseinandersetzt, war viele Monate lang im Artikel "Hans Filbinger" zusammen mit der Polemik Wettes in der deutschen Wikipedia verlinkt. Im Dezember 2006 wurde er mit mit fadenscheinigen Begründungen gelöscht. Während der Anti-Oettinger-Kampagne wurde er erneut von einem Autor eingeführt, wurde aber von einer Seilschaft von offenkundigen Filbinger-Gegnern wieder gelöscht - die Polemik Wettes nicht. Siehe dazu die Diskussion in der Wikipedia

Forstmeier ist als Zeuge uninteressant, weil seine Aussagen nicht in das Konzept der Kampagne passen. Google kommt am 1. 5. 2007 bei den Stichwörtern Filbinger Forstmeier auf 870 Belege, dagegen bei Filbinger Gröger, auf 19.300 - die öffentlichen Meinungsmacher interessieren sich für Fälle, mit denen bei entsprechender demagogischer Interpretation Filbinger belastet werden kann, ungleich mehr als für den klar entlastenden Fall Forstmeier.

Ins gleiche Bild passt, dass zwar die Schwestern des hingerichteten Matrosen Walter Gröger zu Wort kommen und Oettinger einen Lügner nennen und zum Rücktritt auffordern können - sie werden von mindestens vier Zeitungen interviewt (und das Interview gedruckt) und in zahlreichen anderen zitiert. (13) Wer aber interviewt die Angehörigen der von Filbinger geretteten "Wehrkraftzersetzer" Forstmeier, Möbius und Prößdorf? Was hätten diese zu sagen? Sie durchlebten dieser Tage bittere Stunden.

Ein demagogischer Trick

Zunächst mussten die treibenden Kräfte der Anti-Oettinger-Kampagne noch damit rechnen, dass doch Tatsachen kontrovers erörtert werden, vereinzelt und auf peripheren Schauplätzen ist dies auch geschehen. Hätte dies breitere Kreise gezogen, wäre ans Licht gekommen, dass Filbinger tatsächlich NS-Regimegegner war. Für diesen Fall wurde vorgebeugt: der Begriff "NS-Regimegegner" wurde in "Widerstandskämpfer" umgedeutet. (4, 7, 9, 12, 15, 20, 30) Das heißt, man hat sich abgearbeitet an der Behauptung, Filbinger sei Widerstandskämpfer gewesen, eine Behauptung, die Oettinger nie aufgestellt hat. Die konservative Presse, von der man mit genügend Naivität (c) die Entlarvung dieses Tricks erwartet hätte, tat dies so gut wie nicht, sie beugte sich den Vorgaben der ideologischen Richtung, die die Hegemonie inne hat oder ist selbst von ihnen überzeugt. Sogar Michael Paulwitz, Leitartikler  in der rechtskonservativen "Jungen Freiheit", schreibt am 21. 4. 2007 über Filbinger: "Ein aktiver Gegner, wie die Formulierung der Gedenkrede implizierte, war er nun gerade nicht." Paulwitz zählt dann zwar auf, was man Filbinger alles zugute halten kann, aber: "'Widerstand' ist das alles eben nicht."

Günther Oettinger sagte in seiner Rede: "Für mich und meine Generation ist es leicht, die Kriegszeit zu beurteilen. Vielleicht aber in Wahrheit schwer oder auch unmöglich, weil wir sie nicht erleben mussten. Und wir nicht ermessen können, wie brutal und diktatorisch die Umstände damals gewesen sind." Es ist wohl kein Zufall, dass einer von denen, die dabei waren, sich auffallend zurückhält: Erhard Eppler, ehemaliger baden-württembergischer SPD-Vorsitzender und selbst Kriegsteilnehmer. Er bezeichnet Oettingers Aussage lediglich als "mindestens sehr pauschal". Filbinger sei in manchen Dingen mit dem Regime einig gewesen und in anderen nicht. "Er war wahrscheinlich weder ein wirklicher Nazi, noch war er ein entschiedener Gegner. Das war das Normale damals." (5)  Damit schließt Eppler nur aus, dass Filbinger ein entschiedener Gegner gewesen sei. Er liegt damit sehr nahe an der Einschätzung Oettingers, der ebenfalls sagt, Filbinger habe sich den Zwängen der Regimes nicht entziehen gekonnt. Damit hat ausgerechnet Eppler, 1978 Oppositionsführer im Stuttgarter Landtag und erbitterter Feind Filbingers, einen der differenziertesten Beiträge in der ganzen Kampagne geleistet - doch er ging im Kriegsgeschrei unter.

Gleichgeschaltete Blätter

Die Kampagne gegen Oettinger lief schon in den Stunden nach seiner Trauerrede im Freiburger Münster an. Es waren zahlreiche Politiker und Journalisten beim Staatsakt im Münster zugegen gewesen und waren Zeugen des Tabubruchs von Oettinger geworden. Damit herrschten ideale Bedingungen für das Entstehen einer Kampagne. Abends lagen schon Empörungsrufe von Rolf Hochhuth, vom Zentralrat der Juden in Deutschland und von den Grünen vor (2, 3).

Der Kampagne gegen Oettinger soll keine zentrale Planung unterstellt werden. In einer Kampagne des "Rudeljournalismus" genügt es, dass die Agenten eine gemeinsame Ideologie haben oder sich dem anschließen, der die ideologische Hegemonie hat. Der Ablauf ist dann so, wie Arne Hoffmann in einem anderen Fall beschrieb:

"Ein Reporter erfindet oder dramatisiert eine eigentlich läßliche oder auch nur vermeintliche Fehlleistung, andere schreiben unkritisch ab, versuchen unter dem Druck von Quote und Auflage mit Emotionalisierung und der Konstruktion eines noch größeren Skandals noch mehr Leser zu erreichen. Sie spitzen zu bis zur Verfälschung und schaffen so schließlich eine Scheinrealität, die in den Archiven zur 'historischen Realität' gerinnt." (d

In unserem Fall waren Reporter und Politiker schon auf einem Haufen, erstere mussten letzteren nur noch das Mikrofon unter die Nase halten. 

Die Eröffnung der Kampagne gegen Filbinger 1978 fiel dem Schriftsteller Rolf Hochhuth zu, auch am 11. 4. 2007 war er unter den Ersten, wenn nicht der Erste. Er sprach gegenüber dpa von einer "unverfrorenen Erfindung" Oettingers und erzählte eine Geschichte, die tags darauf komplett auf süddeutsche.de erschien. Hatte er 1978 noch einen entfernten Bezug zur Realität, die er dann zu seinen Zwecken zurechtbog, so war seine 2007er Geschichte derart, dass ihre Ungeheuerlichkeit einfachen Internetnutzern, die das Pamphlet ganz lasen, ins Auge sprang - nicht aber der Redaktion der "Süddeutschen Zeitung". (2, 11) Aus dieser Geschichte zitierten vorab die meisten Presseorgane (meist via Presseagenturen (e)) zustimmend oder unkommentiert die Behauptungen über Filbinger, er sei ein  "sadistischer Nazi", habe einem Kriegsgefangenen "ermorden lassen" (!) und bezüglich Oettinger, dass er ein Lügner sei ("unverfrorene Erfindung"). 

Auch die konservativen Blätter gehen hier pragmatisch vor: Selbst wenn aus der Gesellschaft Kotz und Rotz kommt, wird dieser kommentarlos abgedruckt und bestimmt das Bild. Vielleicht meinen die Blätter, dies gehört zu ihrem Informationssoll oder ihrer Informationspflicht. Nur überschreitet kommentarloser Abdruck in diesem und in gewissen anderen Fällen die Grenze zur Beihilfe zum Rufmord. Und als die "Süddeutsche Zeitung" dann ihre Hochhuth-Lügengeschichte dementieren musste (16),  nahm fast niemand davon Notiz, mit Ausnahme der FAZ haben auch führende konservativen Blätter den erneuten Rufmord Hochhuths an Filbinger nicht bemerkt oder nicht der Kritik für Wert befunden und ihre Kolportage nicht zurückgenommen (17).

Mehr zum Thema:
Der Fall Hochhuths und der Süddeutschen Zeitung - Journalismus am Abgrund

Der Entmanntheit der konservativen Presse entspricht auf organisatorischer Ebene die Rolle der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, die mit ihrer öffentlichen Rüge für Oettinger die Sache für die CDU zu einem Desaster werden ließ. Auf ihre Worte, dass Oettinger hätte "die Gefühle der Opfer und Betroffenen" im Blick haben müssen, wird noch zurückzukommen sein. 

Wir standen also vor der Situation, dass so gut wie niemand das linke Medienaxiom "Filbinger ist kein NS-Regimegegner" angriff - von wenigen marginalen Blättern und einzelnen Beiträgen in Foren einmal abgesehen. Die Berichterstattung im Fernsehen überblicke ich nicht; es ist zu befürchten, dass auch hier nicht grundlegend anders als in der Presse gearbeitet wurde. Die einfachen Leute im Bus, bei der Arbeit usw., die ich auf das Problem ansprach, lagen in aller Regel auf der Linie der Kampagne, einzelne reagierten wütend auf Fragezeichen und Kritik zur herrschenden Linie. Die Gleichschaltung der öffentlichen Meinung, die dieser Tage zu erleben war, erinnert an die Tage nach dem 11. September. Auch der Rückhalt, den Oettinger anfangs von einigen CDU-Leuten erhielt, glänzt nicht durch mehr Eloquenz, als Oettinger sie in seiner Rede selbst an den Tag gelegt hatte.

Die Rücktrittsforderung

Die Kampagne gegen Günther Oettinger bediente sich, wie eingangs ausgeführt, des Axioms, Filbinger sei ein "furchtbarer Jurist" (Hochhhuth), oder, in der gnädigeren Version, "ein 'furchtbarer' Jurist insoweit, als er ein ganz normaler NS-Militärrichter war" (Wette). Es stellt sich die Frage, welche Art von Justiz denn manchen Kritikern Filbingers vorschwebt. Wer solche Urteile über Filbinger fällt, dürstet selbst in höchstem Maße nach Gerechtigkeit, muss man meinen.

Tonangebende Politiker und Medien gebärden sich wie ein Gericht, in welchen es aber nur Anklage und Richter gibt - die Verteidigung ist, wie oben angedeutet, weitgehend behindert. Schaut man sich das Delikt und das dafür vorgesehene Strafmaß an, so kann man erschaudern. Das Strafmaß ist der Rücktritt - nach den Präzedenzfällen Philipp Jenninger, Jürgen Möllemann, Martin Hohmann und Rainhard Günzel zu urteilen, ist damit zu rechnen, dass auch ein Rücktritt Oettingers sein politischer Tod bedeutet.

Doch auf welches Delikt steht als Strafe der Rücktritt? Hat jemand für das NS-Regime Partei ergriffen? Nein. Günter Oettinger hat dies nicht nur am 11. 4. nicht getan, sondern sein ganzes Leben lang nicht. Der Politiker sagte aus, ein verstorbener Parteifreund sei NS-Regimegegner gewesen.  Oettinger hat diesen Freund nicht verteufelt, sondern positiv herausgestellt. Er stellte NS-Gegnerschaft als positive Eigenschaft dar. Gewiss musste es erlaubt sein, im demokratischen Meinungsstreit diese Äußerung Oettingers gut oder schlecht, passend oder unpassend zu finden. Aber deswegen seinen Rücktritt fordern? Muss jemand, der eine Grabrede wie Oettinger hält, mit dem politischen Tod bedroht werden? In welchem System leben wir eigentlich?

Die schärfste Waffe kommt zum Einsatz

Zur Tragik des jetzigen Geschehens gehört das Verhalten des Zentralrats der Juden in Deutschland (3, 19, 26 und weiterer jüdischer Kräfte (6, 14). Der Zentralrat hat selbstverständlich wie alle anderen gesellschaftlichen Kräfte das Recht, sich zu allen Problemen zu äußern. Oettinger war bisher in seiner demokratischen Integrität von niemandem Ernst-zu-Nehmendem beanstandet worden. Mit der harschen Reaktion und der Rücktrittsforderung (19) des Zentralrats an Oettinger (und der späteren Inszenierung des Kniefalls vor dem Zentralrat  (27)) ist aber der Eindruck erweckt worden, als habe man es bei Filbinger mit einem Problem zu tun, das die Juden im Besonderen betrifft. Und als hätten die Sätze Oettingers die Juden kränken müssen. Dass sie dies nicht mussten, kann man ermessen, wenn man sich einmal den Brief von Werner Nachmann, dem Präsidenten des Oberrats der Israeliten Badens, durchliest, den er 1978 an Filbinger schrieb (Nachmann war damals auch Vorsitzender der Zentralrats der Juden in Deutschand). Oder den Beitrag des jüdischen Historikers Arno Lustiger in der "Frankfurter Allgemeinen" (30). Der Eindruck einer besonderen Betroffenheit der Juden aber ist 2007 von den Medien nach Kräften geschürt worden. Der Zentralrat wäre - in dieser Sache - ohne die Medien nichts gewesen.

Um diesen Mechanismus zu zeigen,  sei auf die auflagenstärkste Zeitung Europas verwiesen. Hier wird mit dem Holzhammer geboten, was in anderen Organen nicht immer, aber manchmal subtiler und unauffälliger herübergebracht wurde. Im Interview der "BILD-Zeitung" mit Oettinger am 16. 4. 2007 wurde der Zentralrat als eine Art höchste Instanz dargestellt, als die Interviewerin Oettinger fragte:

"Herr Oettinger, heute hat der Zentralrat der Juden ihren Rücktritt gefordert. Ist es jetzt nicht Zeit für eine Entschuldigung?" (BILD, 16. 4. 2007)

In der "Post von Wagner" auf Seite 2 des Blattes (dieser Franz Josef Wagner schreibt täglich; er mimt des Volkes Stimme) hieß es am 17. 4. 2007:

"Lieber Günter Oettinger, (...) Ich an Ihrer Stelle würde jetzt zurücktreten. Ich würde nachdenken über die Schuld von uns Deutschen. Gestern ruhte in Israel das Leben. Israel gedachte der 6 Millionen ermordeten Juden in Deutschland. Ich als deutscher Ministerpräsident würde nicht mehr herumplappern."

Hier wird suggeriert: Wer Hans Filbinger als einen NS-Regimegegner bezeichnet, lässt die Schuld der Deutschen an der Ermordung von sechs Millionen Juden außer Acht und ist ein dummer Schwätzer.

Damit bringt Wagner - nicht zum ersten Mal (f) - die schärfste Waffe zum Einsatz, die es in der politischen Auseinandersetzung in Deutschland gibt: Eine heutige Handlung in Bezug zu Auschwitz zu stellen.

Nach dem Einsatz dieser Waffe und nach ihrer Handhabung selbst durch die Bundeskanzlerin und oberste Chefin Oettingers hatte der Mann keine Chance mehr. Er steht als einer da, der zwar den Holocaust nicht leugnet, aber ihn wohl für eine nicht bedenkenswerte Lappalie hält. Oder, in der Merkelschen Version: als einer, der "die Gefühle der Opfer und Betroffenen" nicht im Blick hat (10, 23).

In dieser Situation wirkt die Stellungsnahme des CDU-Bundestagsabgeordneten Norbert Barthle (29), der die kritische Frage stellt, "ob der Zentralrat in allen Fragen des Dritten Reiches die alleinige Deutungshocheit hat", wie Kamikaze.  

Nach dem Wink mit dem Holocaust ist schon fast lieb, was wir im "Stern" vom 19. 4. 07 lesen:

"Es lohnt sich keine Minute, über Oettingers skandalöse Sätze zu richten. (...) Schon die zutage liegenden historischen Fakten widerlegen diese mit Bedacht gewählten, vorher sorgfältig abgeschmeckten Provokationen. Der Matrose Walter Gröger, den Filbinger erschießen ließ, schreit das Urteil darüber aus dem Grab."

Mit "zutage liegenden historischen Fakten" ist natürlich das 78er-Axiom gemeint. Hans-Ulrich Jörges, ein Mann, der jede Woche im "Stern" schreiben darf, meint aber, das sei gar nicht Oettingers Meinung, sondern "taktisches Kalkül".  Er sagt über Oettinger:

"Der Mann hat nicht aus Überzeugung gesprochen. Er ist kein Rechtskonservativer, kein nachgeborener Frontmann der Stahlhelm-Fraktion, keiner jener Unsäglichen, die das Blut der Verbrechen vom 'Ehrenrock der deutschen Soldaten' zu wischen versuchen."

Oettinger wird hier teilentlastet - er meine seine Rede gar nicht ernst. Um so ernster für die, die wirklich meinen, Filbinger sei ein Nazigegner. Sie finden sich hier als "Rechtskonservative", "Frontmänner der Stahlhelm-Fraktion" und andere "Unsägliche" wieder. Auch die Suggestion Jörges' schmeichelt nicht, aber wenigstens spielt sie nicht mit dem Holocaust. 

Gab es am Anfang der Kampagne noch namhafte Gegenstimmen, so waren sie nun in dieser Phase zum Schweigen gebracht. Wer steht schon auf und will sich als halben oder ganzen Nazi und Antisemit bezeichnen lassen?

Dann ging es Schlag auf Schlag: Oettinger widerruft (24); Brunnhuber widerruft (25); Kardinal Sterzinsky verbietet einen Gedenkgottesdienst für Filbinger (21); die Vergangenheit wird durchgescannt, ob einer schon früher gesagt hat, Filbinger sei "NS-Regimegegner" - Kauder widerruft daraufhin seine Aussagen von 1993 (!) (31); der Redenschreiber Oettingers wird strafversetzt (32), Barthle macht einen Rückzieher (32a). Das letzte nichtkonforme geistige Zentrum - das von Filbinger gegründete Studienzentrum Weikersheim - soll, wieder auf Forderung des Zentralrats der Juden, geschlossen werden (26); die Forderung wird zwar nicht mehr bekräftigt (27), aber die ersten Vorstandsmitglieder - drei höchste Junge-Union- und RCDS-Funktionäre - bekommen kalte Füße und treten auf Druck der Landes-CDU aus (34); Oettinger lässt seine Mitgliedschaft im Zentrum ruhen (28); Kultusminister Helmut Rau sagt seinen Vortrag im Studienzentrum am 24. Mai ab (35); Dorothea Beetz, neue persönliche Referentin von Oettinger, tritt aus dem Zentrum aus (36); bei der Verwalterin von Schloss Weikersheim treffen Schmähbriefe ein; der Bürgermeister der Stadt Weikersheim distanziert sich vom Studienzentrum (37); Oettinger legt seine Mitgliedschaft nieder und kündigt an, die CDU werde auf die Besetzung der Gremien im Studienzentrum verstärkt Einfluss nehmen; Ute Vogt erwartet, dass Oettinger "Weikersheim mit eisernem Besen" auskehrt (38). 

Nach dieser Entwicklung darf nicht nur Oettinger weiterregieren, auch die Schließung des Studienzentrums ist vom Tisch. Die CDU wäre ohnehin nicht zur Schließung dieses selbständigen Vereins befugt gewesen - er hätte gerichtlich verboten oder zur Selbstaufgabe erpresst werden müssen. Das Zentrum wird nun nicht geschlossen, sondern weiter domestiziert.

Schlagende "Beweise"

Martin Walser, der sich 1976 noch als entschiedener Filbinger-Gegner auswies, sagte in seiner viel widersprochenen, aber wenig gelesenen Rede 1998 in der Frankfurter Paulskirche: "Wenn eine Beschuldigung weit genug geht, ist sie an sich schon schlagend, ein Beweis erübrigt sich da."

Die scheinbare Rechtmäßigkeit der Schuldzuweisung an Oettinger, Filbinger und ihre "Sympathisanten"  durch Medien, Kanzlerin und Kardinal wurde durch das folgende Ritual des Kniefalls Oettingers unterstrichen. Ob sich die Hexe verbrennen lässt oder "gesteht" und Reue demonstriert - beides scheint den ungeheuerlichen Vorwurf zu bestätigen, spricht gegen sie und für die Richter. Nur wenige auf dem Marktplatz lassen im Klima der Angst und der schlagenden Beschuldigungen noch Zweifel in sich hochkommen. Oettinger hatte, wegen der Ungeheuerlichkeit der Anklage, keine Chance, egal, wie er sich verhalten hätte. Nichts "überzeugt" mehr als eine Handlung. 

Oder, um ein anderes Bild zu verwenden: Will man jemanden ohne oder mit schwierig zu vermittelnden Beweisen als Dieb überführen, kann man Behauptungen aufstellen. Mehr aber wirkt das Bild des fliehenden "Täters", den eine Meute von Menschen mit dem Ruf "Haltet den Dieb!" verfolgen. Dieses Bild zu erzeugen ist Medien und Politikern mit Oettinger und den anderen Umfallern gelungen.

Der "Dieb" muss nicht einmal fliehen: er kann auch standhaft bleiben - es genügt, dass die Menge ihn umringt und schreit. So stand Filbinger 1978 da. Oder, um einmal ein Beispiel zu wählen, bei dem einige Tonangebende aus der jetzt gejagten Richtung  in der vordersten Front der Verfolger waren:

Standhaft blieb die irakische Regierung, als ihr im Jahr 2003 vorgeworfen wurde, Massenvernichtungswaffen zu besitzen und damit den ganzen Nahen Osten und weitere Teile der Welt zu bedrohen. Es begann ein Kesseltreiben, bei dem schließlich ein Großteil der Staatengemeinschaft mitmachte. Wer erinnert sich noch an den Diavortrag von Außenminister Collin Powell am 5. 2. 2003 vor dem Weltsicherheitsrat, übertragen auf allen Fernsehkanälen der Welt, als er Luftaufnahmen von irakischen Postautos oder etwas ähnlichem zeigte und sie à la Hochhuth (g) zu Chemie-Waffen-Fabriken erklärte? 

Durch das geschlossene Handeln fast der ganzen Weltgemeinschaft entstand ein Eindruck von einer "Gefährlichkeit" des Irak, dem sich nur wenige Menschen entziehen konnten. Ohne die Mär von den Massenvernichtungswaffen hätte die Eroberung des Irak nicht hoffähig gemacht werden können. Rot-Grün stellte sich rhetorisch gegen den Krieg und gewann damit die Wahl. Zwar unterstützte man ihn dann mit Überflugrechten, AWACs, Spähpanzern und anderem, dennoch galt man in den Augen der Amerikaner als Querulant. Angela Merkel war es, die diese Blöße der Regierung nutzte und mit ihrer Reise zu George W. Bush grünes Licht der CDU für den Krieg signalisierte und - in den Augen derer, die zum Krieg trieben - die Ehre Deutschlands wieder herstellte.  Auch damals bediente sie sich der deutschen Geschichte von 1933-1945, als sie der Washington Post am 20. 2. 03 sagte:

"Da wischt ein aus Wahlkampfmotiven von der deutschen Bundesregierung eingeschlagener Sonderweg die wichtigste Lehre deutscher Politik - nie wieder deutscher Sonderweg - scheinbar mühelos beiseite."

Die Ablehnung eines deutschen Sonderwegs hieß in diesem Fall: Plädoyer für das offene Mitmachen in Bushs und Blairs Kriegskoalition der Willigen. Merkel und andere versuchen sich in Rosstäuscherei, wenn sie zum Gedenken an die Opfer des Faschismus mahnen.

Wo treiben wir hin?

Der Konservativismus in Deutschland, der, wie die Kampagne gezeigt hat, weitgehend nicht mehr fähig oder willens zu geistiger Handlung ist, sollte mit dem Studienzentrum Weikersheim einer seiner letzten Institutionen beraubt werden. Begründung - wie könnte es anders sein - Rechtsradikalismus und Antisemitismus in seinen Reihen. (Mehr dazu hier.) Das freie Meinungsspektrum verengt sich in der Bundesrepublik Deutschland, es beginnt bei manchen Fragen in der Mitte (oder dem linken Flügel?) der CDU, bei Angela Merkel und geht von da bis zu Christian Klar von der RAF, der im Januar eine antikapitalistische Grußbotschaft an die Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin sandte. Wer Lust auf Rücktritt, Verbot und Verleumdung hat, darf freilich auch noch rechts von Angela Merkel sprechen.

Zu bestimmten Inhalten der Politik, wie Immigration, EU-Beitritt der Türkei, "deutsche Leitkultur", Familienpolitik (inklusive Abtreibung und Homo-Ehe), Kreuze und Kopftücher in den Schulen, oder geschichtlichen Themen wie die deutsche Kollektivschuld wird man, wenn es so weiter geht, bald keine von den linken Vorgaben abweichende Meinung mehr äußern können, wenn man nicht als Halbnazi gelten und zurücktreten will.

Die Duckmäuserei in der CDU wird wohl noch zunehmen; die Politik der großen Parteien wird sich noch weiter annähern. Wo Hans-Ulrich Jörges Recht hat, hat er Recht. Er schreibt, nach seinen Ergüssen auf Filbinger und Oettinger, zwar mit Übertreibung, aber nicht völlig aus der Luft gegriffen :

"Die Sozialdemokratie als Idee ist tot. Das ist aber nur die Hälfte der Wahrheit. Denn auch das Konservative ist tot. Nicht nur, weil sich die Union an Sozialdemokratischem überfressen hat. Weil die  Bilderbuch-Konservative Ursula von der Leyen die dritte Frauenrevolution nach Clara Zetkin und Alice Schwarzer inszeniert - und nicht Ute Vogt (Ute wer? Sehen Sie!) Weil Angela Merkel den Türken Murat Kurnaz aus dem Folterlager Guantánamo befreit hat - und nicht Frank-Walter Steinmeier. Weil Wolfgang Schäuble die Integration von Migranten und Muslimen besorgt - und Otto Schily das versäumt hat. Weil Michael Glos Steuerrabatt für Arbeitnehmer verlangt - Peer Steinbrück aber die Konzerne salbt."

Um diese Lage ist die Sozialdemokratie und die genau so betroffene Opposition von FDP, Grünen und Linke nicht zu beneiden. Es zeigt sich hier eine weitere Parallele zur Anti-Filbinger-Kampgange 1978: Filbinger hatte in zwei Wahlen den Stimmenanteil der CDU in Baden-Württemberg um 13%  auf die historische Höchstmarke von 56% steigern können. Gegen einen solchen Mann half nur die Faschismuskeule. Kann man mit seinem politischen Gegner auf dem heutigen Feld nicht Schritt halten, muss man ihn zum Nazi erklären, etwa zum "bis zum Grabe uneinsichtigen Funktions- und Gehorsams-Nazi" (Formulierung von Jörges). Die Faschismuskeule ist seither häufig und mit Erfolg zur Anwendung gekommen (h); Oettinger war ihr jüngstes, aber wohl nicht letztes Opfer.

Die Anti-Oettinger-Kampagne hat also eine weitere Einschränkung des erlaubten Meinungsspektrums gebracht. Der Satz von Rosa Luxemburg: "Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden", wurde weiter in den Dreck getreten. Mit diesem Satz trat Luxemburg gegen die Diktatur des Proletariats der Bolschewiki auf, die auch eine Meinungsdiktatur war.

Eine weitere Saat der Kampagne ist die Brutalisierung der politischen Auseinandersetzung, die freilich nicht erst 2007 einsetzte. Zwar bezeichnete niemand Oettinger als "Untermenschen" (wenngleich manche Beiträge in Web-Bloks in diese Richtung gingen), aber der selbe Wagner aus der "BILD"  macht ihn zu einem Mensch-Tier-Mischwesen:

"Sie waren ein Opportunist, als Sie vor der Familie Filbinger und dem rechten Flügel ihrer Partei Filbinger zu einem Gegner des Naziregimes salbten. Nach den täglichen Drehungen und Wendungen, dem Tadel der Kanzlerin sagten Sie, dass Sie an Ihren Formulierungen nicht mehr festhalten wollen. Was für ein Mann sind Sie? Mit Verlaub, Sie sind für mich überhaupt kein Mann. Sie sind ein plappernder Papageien-Mann." (BILD, 17. 4. 07)

Es ehrt die Süddeutsche Zeitung, dass sie, nachdem sie von Hochhuth kolportiert hatte, Oettinger sei ein Lügner und Filbinger ein Mörder, wenigsten die schlimmsten Kommentare unterband, die auf ihrer Webseite mit ihrem Hochhuth-Bericht eingingen. Da hieß es dann: "Diesen Kommentar können wir leider nicht veröffentlichen. Bitte beachten Sie unsere netiquette und unsere AGB." Offenbar sind Beiträge eingegangen, die noch härter waren als der Hochhuth-Artikel und die Bemerkungen vieler anderer Leser à la (ich zitiere): "Der braun-schwarze Mob ist wieder auf dem Vormarsch"; "Bedauerlich, dass niemand diesen Herrn" (Oettinger) "wegen Volksverhetzung vor den Richter zieht"; "aus schändlichsten Motiven" (durch Filbinger) "ermordete Soldaten"; (Oettinger sei) "eine Schande für das Land und das Amt" usw. Nicht im Zusammenhang mit der jetzigen Kampagne, sondern schon 2004, veröffentlichte die Anitfa Freiburg Bilder von Filbingers Wohnhaus im Internet ... Wer nicht weiß, wie es vor 1933 zuging, dem schwant hier nichts Übles.

Die Bemerkung, die der Präsident des Oberrats der Israeliten Badens und damaliger Zentralratsvorsitzender, Werner Nachmann, in seinem Brief vom 29. Mai 1978 an Hans Filbinger machte, hat höchste Aktualität:

"Die unwürdigen Angriffe in der Weimarer Republik gegen hervorragende Männer wie Friedrich Ebert, Matthias Erzberger, Walter Rathenau und Gustav Noske haben mit dazu beigetragen, das damalige Staatsgefüge zu zerstören und damit den Weg für den Nazismus mit seinen verheerenden Folgen zu öffnen. Diese Erfahrung kann heute kein verantwortlicher Politiker außer acht lassen."

Die Frage, ob die Gegner Oettingers in dieser Kampagne den Nationalsozialismus bekämpfen wollten und sein Wiederaufkommen verhindern wollten, ist leicht zu beantworten. Sicher "wollte" das der eine oder der andere. Aber ohne ein Eingehen auf Sachverhalte, ohne Eintauchen in die komplizierte Materie ist dies Verhindern nicht möglich. Schon gar nicht mit der Schaffung einer medialen Gesinnungspolizei, der Verbreitung von Angst durch Rücktrittsforderungen, Strafversetzungen, Gottesdienstverboten, Kriminalisierung bzw. Domestizierung von Studienzentren und anderem mehr. Wenn Filbinger zum "sadistischen Nazi" erklärt wird und der rechte Flügel der CDU zum schwarz-braunen Mob, dann gehen alle Maßstäbe verloren. Eine verbale Steigerung, um die wirklichen Nazis zu beschreiben, ist nicht mehr möglich - und vielleicht von einigen auch nicht gewünscht. Dass die Wachsamkeit gegenüber anderen Formen des Totalitarismus geschärft worden wäre, davon wollen wir gar nicht reden.

Europa hat im 20. Jahrhundert zwei totalitäre Systeme erlebt: Den Faschismus und den Kommunismus. Der Blick für das gemeinsame, das Wesentliche des Totalitarismus ist inzwischen weitgehend verstellt. Der linke Totalitarismus gilt bei vielen als der Gentleman unter den Totalitarismen, der rechte als das Ekel. Beim rechten bekämpft man - da man sein Wesen nicht erkennt - nur sein Äußeres, seine historische Gestalt. Tritt Totalitarismus ohne Springerstiefel und Hakenkreuze auf, lassen sich auf Richterroben keine Hakenkreuze projizieren, so erkennt man ihn nicht. Der sechs Millionen ermordeten Juden und der 52 Millionen Weltkriegstoten bemächtigt man sich, um sie als Mittel im Kampf um tagespolitischen Punktegewinn einzusetzen.

So auch in der Anti-Oettinger-Kampagne, in der es im Marktgeschrei einer antifaschistischen Komödie gelang, einer totalitären Meinungseinfalt weitgehend unbemerkt näher zu kommen.

Im Mai/Juni 2007 (Letzer Stand: 15. 6. 07)
Harald Noth

Ihre Meinung bitte an meinung@noth.net

 

(a) Die Attribute "konservativ" und  "links" werden hier unkritisch verwendet - unabhängig davon, ob die gemeinten Parteien oder Richtungen oder die gemeinten Medium sie verdienen.

(b) Telefonische Auskunft von Guido Forstmeier am 15. 5. 2007

(c) Vom Vorwurf der Naivität kann der Verfasser sich selbst nicht ausnehmen. In den 80er Jahren brach ich die Kontakte zu einem Freund ab, als dieser zur Westberliner Springerzeitung BZ ging. Ich sah dies als Verrat am linken Gedanken an. Wahrscheinlich habe ich ihm Unrecht getan. Das Bild, das man sich 1968 und in den Jahren danach von der deutschen Presselandschaft gemacht hat, stimmt längst nicht mehr. Der Marsch durch die Institutionen und der Einfluss der linken ideologischen Hegemonie hat die Blätter, die man als konservativ im Kopf hat, stark verändert.

(d) Arne Hoffmann:  "Warum Hohmann geht und Friedman bleibt - Antisemitismusdebatten in Deutschland von Möllemann bis Walser" (Schnellroda: Edition Antaios, 2005), S. 40

(e) Der Rolle der Presseagenturen in der Kampagne konnte in diesem Beitrag nicht nachgegangen werden. Sie dürfte nicht klein sein. Es entschuldigt die Blätter aber nicht, wenn sie sich mit Desinformation füttern lassen. 

(f)  Am 11. 11. 2003 schrieb Wagner in der BILD einen Brief an einen Schüler, in dem es heißt: "Deine Lehrer, mein Junge, haben dir sicher erzählt, dass sechs Millionen Juden von den Nazis umgebracht wurden. Sie mussten sich nackt ausziehen, man sagte ihnen, dass sie duschen müssten, und während sie auf das Wasser warteten, strömte Gas durch die Duschen. Danach hat man ihre Körper verbrannt. Dieser CDU-Abgeordnete Hohmann sagte sinngemäß, dass es auch böse Juden auf der Welt gab, in Russland, überall. Und deshalb sei alles weniger schlimm. Der Mann ist verrückt."  Zitiert nach Arne Hoffmann:  "Warum Hohmann geht und Friedman bleibt - Antisemitismusdebatten in Deutschland von Möllemann bis Walser" (Schnellroda: Edition Antaios, 2005), S. 88f. Wagner lügt hier bei der Wiedergabe der Hohmann-Rede. Mehr zu Hohmann siehe hier.  

(g) Anders als Hochhuth hat der ehemalige US-Außenminister Collin Powell seine Falschmeldungen widerrufen. Freilich zu einem Zeitpunkt, als viele Iraker sie schon mit dem Leben bezahlt hatten. Im September 2005 sagte er vor der Presse, sein Auftritt vor dem Weltsicherheitsrat, bei dem er gefälschte Beweise für die Existenz der Massenvernichtungsmittel vorgelegt hatte, sei ein Schandfleck in seinem Lebenslauf. Er sei damals falsch informiert worden. (Badische Zeitung, 10. 9. 05)

(h) ein Beispiel aus der Nachbarschaft siehe hier.  

      Im Noth Harald si Briäf üs Alemanniä - www.noth.net

 

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Chronologie

1.  4. 2007

Hans Filbinger, ehemaliger Ministerpräsident von Baden Württemberg, stirbt in Freiburg-Günterstal

 2. und 3. 4. 2007

In den Nachrufen auf Filbinger herrscht das Bild vor, das sich im Ergebnis der Medienkampagne 1978 herausgebildet hatte, die zum Rücktritt von Filbinger als Ministerpräsident geführt hatte. Dabei fällt auf, dass auch in der konservative Presse Anwürfe aus der Anti-Filbinger-Kampagne 1978 kolportiert werden, siehe dazu einen Leserbrief an die FAZ (FAZ.net, 12. 4. 07)

 11. 4. 2007 - vormittags

Beim Staatsakt im Anschluss an das Requiem für Hans Filbinger im Freiburger Münster hält Günther Oettinger die Trauerrede auf seinen Amtsvorgänger bis 1968 bis 1978. Dabei stellt Oettinger fest (der inkriminierte Redeteil):

(1) Anders als in einigen Nachrufen zu lesen, gilt es festzuhalten: Hans Filbinger war kein Nationalsozialist. Im Gegenteil: Er war ein Gegner des NS-Regimes. Allerdings konnte er sich den Zwängen des Regimes ebenso wenig entziehen wie Millionen Andere. Wenn wir als Nachgeborene über Soldaten von damals urteilen, dann dürfen wir nie vergessen: Die Menschen lebten damals unter einer brutalen und schlimmen Diktatur!

Hans Filbinger wurde - gegen seinen Willen - zum Ende des Krieges als Marinerichter nach Norwegen abkommandiert. Er musste sich wegen seiner Beteiligung an Verfahren der Militärjustiz immer wieder gegen Anschuldigungen erwehren.

Es bleibt festzuhalten: Es gibt kein Urteil von Hans Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte. Und bei den Urteilen, die ihm angelastet werden, hatte er entweder nicht die Entscheidungsmacht oder aber nicht die Entscheidungsfreiheit, die viele ihm unterstellen.

Hans Filbinger hat mindestens zwei Soldaten das Leben gerettet: Einer von ihnen, Guido Forstmeier, weilt noch heute unter uns und kann bezeugen, dass sich Filbinger dabei großer Gefahr ausgesetzt hat.

Manfred Rommel hat dieser Tage bekräftigt, dass er Filbingers Rücktritt vom Amt des Regierungschefs nach wie vor nicht für erforderlich gehalten hat. Wie viele andere Menschen, die das Dritte Reich erlebt haben, sei er schicksalhaft in Situationen hineingeraten, die den Menschen heute zum Glück erspart bleiben.

Hans Filbinger hat also die schreckliche erste Hälfte des letzten Jahrhunderts nicht nur erlebt, er hat sie auch erlitten. Jahrzehnte später wurde ihm seine Mitwirkung während der letzten Kriegswochen vorgehalten. Viele waren befremdet. Er war betroffen und gekränkt. Mit seinem Rücktritt zog er eine weit reichende Konsequenz.

Für mich und meine Generation ist es leicht, die Kriegszeit zu beurteilen. Vielleicht aber in Wahrheit schwer oder auch unmöglich, weil wir sie nicht erleben mussten. Und wir nicht ermessen können, wie brutal und diktatorisch die Umstände damals gewesen sind.  

(...) Er kam bereits in den Jahren der Weimarer Zeit zu der Überzeugung, dass der Totalitarismus von rechts und auch von links nur verhindert oder überwunden werden kann, wenn sich die Deutschen wieder auf die Traditionen der christlichbürgerlichen Kultur besinnen. Er hat aus der Erfahrung von Weimar gelernt, dass eine Demokratie nur dann erfolgreich sein kann, wenn die Bürger zu rechtsstaatlichem Bewusstsein und zu humanen Werten erzogen, und wenn sie mit einer freiheitlichen Wirtschafts- und Sozialordnung vertraut gemacht werden.

Filbinger hat deshalb den Nationalsozialismus immer verachtet. Die Weltanschauung war für jemanden wie ihn, der aus einem katholischen Elternhaus stammte und der sich als gläubiger Christ verstand, schlichtweg unerträglich. Hans Filbinger hat aus diesem Glauben heraus gehandelt und in der Zeit des
Nationalsozialismus großen Mut bewiesen:
- er hat im katholischen Schülerbund „Neudeutschland" mitgewirkt;· er hat als Leiter des Bezirks Nordbaden die Gleichschaltung mit der Hitlerjugendbekämpft;
- er hat seine Kommilitonen zur Standhaftigkeit gegen die NS-Vertreteraufgerufen;
- er wurde dafür von den Nazis auf die schwarze Liste der Regimegegnergesetzt.
- Der Jugendbund, dem er angehörte, wurde schließlich im Jahre 1939durch die Gestapo verboten und die Begegnungsstätte als „staatsfeindliches Vermögen" beschlagnahmt.

Schon zwei Jahre vor dem Krieg ging Hans Filbinger in den Kreis um den berühmten katholischen Publizisten Karl Färber und den Dichter Reinhold Schneider, die sich in erklärter Gegnerschaft zum Regime befanden. Freunden und Verwandten hat er oft erzählt, wie prägend dieser Freiburger Kreis für ihn gewesen ist und wie viel er ihm verdanke.
Er wirkte darüber hinaus in einem weiteren Kreis mit, der für die Entwicklung der freiheitlichen Bundesrepublik von größter Bedeutung gewesen ist. Ich meine den Kreis um Walter Eucken und Franz Böhm, jenen Begründern der „Freiburger Schule", die bereits während des Krieges das Konzept des Ordoliberalismus entwickelt hat, woraus später die Soziale Marktwirtschaft entstand.
All dies zeigt: Hans Filbinger war bereits in jungen Jahren von einem christlich freiheitlichen
Geist geprägt.

11. 4. 2007 - nachmittags und abends:

(2) Rolf Hochhuth, der Initiator der Filbingerkampagne 1978, erklärt die Aussage Oettingers, Filbinger habe kein Urteil gesprochen, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte, als "eine unverfrorene Erfindung". Denn Filbinger, "ein sadistischer Nazi", habe den Matrosen Gröger "persönlich noch in britischer Kriegsgefangenschaft ermordet" (zitiert nach FAZ.net, 11. 4. 07) Diese Geschichte Hochhuths wird in fast alle Presseorganen fast aller Richtungen unkommentiert oder zustimmend kolportiert, darunter linksstehende wie Spiegel Online und konservative wie FAZ.net.

Erste Reaktionen aus Gesellschaft und Politik:

(3) Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden: "Ich finde die Äußerung grauenhaft, und sie transportiert auch die falsche Botschaft, die bemäntelt die doch vorhandene Schuld eines Mannes wie Hans Filbinger." (spiegel.de, 11. 4. 07)

Daniel Mouratidis, Baden-Württembergischer Parteichef der Grünen: "Mir ist es völlig unverständlich, dass Oettinger die deutsche Geschichte verklärt, wenn er einen Helfer des NS-Regimes als Gegner der Nazis bezeichnet." (spiegel.de, 11. 4. 07)

(4) Grünen-Chefin Claudia Roth sagte: "Das ist Wasser auf die Mühlen von Rechtsextremen, wenn er Teile aus der Biografie von Herrn Filbinger einfach verschweigt oder schönredet." Es werde Oettinger "nicht gelingen, Filbinger im Nachhinein zu einem Widerstandskämpfer zu machen." (süddeutsche.de, 12. 4. 07)

Mit der Aussage Claudia Roths beginnt die Umdeutung des Begriffes "NS-Regimegegner" zu "Widerstandskämpfer", die sich in der Folge durchsetzen wird.

(5) Erhard Eppler, ehemaliger baden-württembergischer SPD-Vorsitzender und selbst Kriegsteilnehmer, hält sich auffallend zurück und bezeichnet Oettingers Aussage lediglich als "mindestens sehr pauschal". Filbinger sei in manchen Dingen mit dem Regime einig gewesen und in anderen nicht. "Er war wahrscheinlich weder ein wirklicher Nazi, noch war er ein entschiedener Gegner. Das war das Normale damals." (süddeutsche.de, 12. 4. 07)

Damit schließt Eppler nur aus, dass Filbinger ein entschiedener Gegner gewesen sei. Er liegt damit sehr nahe an der Einschätzung Oettingers, der ebenfalls sagt, Filbinger habe sich den Zwängen der Regimes nicht entziehen gekonnt. Damit relativiert Oettinger seinen Bergriff "NS-Regimegegner"; dies wird aber in fast allen Presseartikeln ignoriert, wie auch auf seine anderen Ausführungen nicht eingegangen wird.

 12. 4. 2007

Die Stellungnahmen vom Vortag füllen nun auch die Spalten der Papierausgaben.

Der Schriftsteller Ralph Giordano fordert Oettinger indirekt zum Rücktritt auf. (faz.net, 13. 4. 07)

Die Journalistin und Kämpferin für die Aufklärung von Naziverbrechen, Beate Klarsfeld, fordert ein "klärendes Wort" von der Kanzlerin. "Sie sei nicht nur als CDU-Vorsitzende, sondern auch als amtierende Präsidentin des EU-Rats zu einer Richtigstellung der Nazi-Vergangenheit Filbingers verpflichtet, sagte sie der Chemnitzer 'Freien Presse'". (faz.net, 13. 4. 07)

(6) Der Direktor des Simon Wiesenthal Centers in Jerusalem, Efraim Zuroff, fordert Oettinger am 12. oder 13. 4. zum Rücktritt auf. (faz.net, 13. 4. 07)

 Der SPD-Bundestagsabgeordnete Benneter sagte im Sender n-tv, Oettinger könne nicht Mitvorsitzender der Föderalismus-Kommission bleiben, wenn er sich nicht von seinen Äußerungen distanziere. (faz.net, 13. 4. 07)

(7) Winfried Kretschmann, der auf der Trauerfeier im Freiburger Münster die Rede Oettingers hörte, sagte: "Ich war schon entsetzt und dachte, ich bin auf der Beerdigung eines Widerstandskämpfers." (Süddeutsche Zeitung, 13. 4. 07)  

(8) Aus dem baden-württembergischen CDU-Landesverband äußern sich einige Politiker zustimmend zu Oettingers Rede, so der Fraktionsvorsitzende Mappus, der Vorsitzende der CDU-Landesgruppe im Bundestag, Brunnhuber und Landesfinanzminister Stratthaus. So auch der frühere CDU-Landesminister Mayer Vorfelder. (faz.net, 13. 4. 07))

Günther Oettinger selbst äußerte am 12. 4. gegenüber der Badischen Zeitung (BZ, 13. 4. 07): "Meine Rede war öffentlich, ernst gemeint und bleibt so stehen."

(9) Der Vorsitzende der Senioren-Union in der CDU, Otto Wulff, distanzierte sich im 'Kölner Stadt-Anzeiger' von Oettinger. Für ihn seien die wahren Helden der Zeit bis 1945 die Wiederstandskämpfer des 20. Juli. (Nach: FAZ.net, 13. 5. 07)

Damit wird wieder suggeriert, Oettinger habe Filbinger als "wahren Helden" und "Widerstandskämpfer" bezeichnet.

 13. 4. 2007

(10) Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt der Presse bekannt, dass sie (in ihrer Eigenschaft als CDU-Vorsitzende) die Rede Oettingers kritisiert. Die in Italien im Urlaub befindliche Merkel hatte sich am 12. 4. telefonisch an Oettinger gewandt und ihm gesagt, "dass ich mir gewünscht hätte, dass neben der Würdigung der großen Lebensleistung von Ministerpräsident Filbinger auch die kritischen Fragen im Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus zur Sprache gekommen wären, insbesondere mit Blick auf die Gefühle der Opfer und Betroffenen." (faz.net, 13.5. 07))

(11) Die Süddeutsche Zeitung bringt am 13. 4. den Aufsatz "Der Lügner" von Roth Hochhuth in der Papierausgabe, in dem dieser "enthüllt", Filbinger habe in britischer Gefangenschaft (!) sich von den Briten zwölf Gewehre ausgeliehen (!) und den Matrosen Gröger ermorden (!) lassen. Das ist die Hochhuth-Stellungnahme, aus der seit dem 11. 4. überall zitiert wird. Faz.net und viele andere zitieren nun erneut und ohne Argwohn auszugsweise diese Lügengeschichte Hochhuths.

Leserreaktionen zwingen die SZ dazu, den Artikel von der Homepage zu nehmen (13. 4., abends).

Ein späterer online-Artikel der FAZ von diesem Tag deckt das Lügengebäude Hochhuths auf, wenn auch nicht, ohne alte Vorwürfe gegen Filbinger zu zementieren. (faz.net, 13. 4. 07)

(12) Bundestagvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagt in der Frankfurter Rundschau: "Filbinger, den Protagonisten der Uneinsichtigen, zum Widerstandskämpfer umzudeuten, ist wirklich fatal." (focus.de, 14. 4.)

 Der Historiker Julius Schoeps, Direktor des Moses Mendelsohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam, fordert die CDU auf, Oettinger den Hut zu geben, da er offensichtlich nicht in der Lage sei, ein "Unrechtsbewusstsein in dieser Angelegenheit zu entwickeln". (focus.de, 14. 4. 07) 

(13) Die Schwestern von Walter Gröger, für den Filbinger als Ankläger die Todestrafe beantragen musste, nehmen Stellung: "'Wir sehen Filbinger als Mörder unseres Bruders an', sagten Eva-Maria Mäschke (68) und Ursula Galke (74) der 'Sächsischen Zeitung'." (stern.de, 12. 4. 2007) Ursula Galke bezichtigt Oettinger in der BILD-Zeitung einer "unvefrorenen Lüge"; "Wer so dumm daherredet, ist eines solchen Amtes nicht würdig"; "Es würde nicht schaden, wenn er geht". (gemeldet in: focus.de, stern.de, süddeutsche.de 14. 4. 07 un in zahlreichen anderen). Frau Galke wird in verschiedenen weiteren Zeitungen interviewt, so in der HNA online (= Hessischen/Niedersächsischen Allgemeine, 13. 4. 07), in der Stuttgarter Zeitung online (13. 4. 07), in der Südwestpresse (Ulm; nach: n-tv online, 12. 4. 07; derStandard.at, 19. 4. 07)    

14. 4. 07

(14) Die Badische Zeitung vermeldet: "Die Affaire zieht inzwischen immer weitere Kreise. Sie reichen bis in amerikanische Medien und provozieren Reaktionen selbst des jüdischen Weltkongresses." (BZ, 14. 4. 07)

(15) FDP-Landesvorsitzender Michael Theurer rückt von seinem Koalitionspartner Oettinger mit den Worten ab: "Man kann ein Volk der Mittäter und Mitläufer nicht zu Widerstandskämpfern stilisieren." (BZ, 14. 4. 07)

(16) Die Süddeutsche Zeitung bringt einen Artikel mit Titel: "Filbinger war Öl im Getriebe" Historiker widersprechen der Rechtfertigung des verstorbenen CDU-Politikers" Am Schluss dieses größeren Artikel ist das "Dementi" der am Vortag abgedruckten Lügengeschichte von Hochhuth versteckt, wobei erneut kolportiert wird, Filbinger habe "in britischer Gefangenschaft (!) einen deutschen Matrosen mit Nazi-Gesetzen verfolgt (!)" - nur eben nicht ermordet.

(17) In anderen Zeitungen, die Hochhuth ebenfalls mit seinem vernichtenden Urteil zitiert hatten, fehlt eine Richtigstellung meistens, Ausnahme: FAZ. Google bringt zwei Wochen später (28. 4. 07) bei den Stichworten >Hochhuth Filbinger "sadistischer Nazi"< noch 1140 Belege. Von den ersten 10 Belegen zitieren Hochhuths Aussage zustimmend oder unkommentiert: welt.de, linkszeitung.de, archiv.tagesspiegel.de, spiegel.de, netzzeitung.de, onnachrichten.t-online.de, focus.de, onnachrichten.t-online.de (in einem anderen Artikel). Ein Dementi enthält nur einer dieser 10 Artikel: der Link von FAZ.de (Position 3); auf geisteswelt.blogsome.com (Position 10) ist Hochhuth zwar zitiert, aber der Artikel verteidigt Filbinger bzw. Oettinger. Damit ist Hochhuths Geschichte zum Selbstläufer geworden. Auf ihren Lügencharakter kann man fast nur stoßen, wenn man davon weiß und gezielt sucht.

15. 4. 2006

(18) Oettinger bedauert in einem offenen Brief an seine Kritiker Missverständnisse. Er habe nicht die NS-Diktatur relativieren wollen. Seine kritisierten Äußerungen - etwa dass Filbinger ein Gegner des NS-Regimes gewesen sei - nahm er jedoch nicht zurück.

(19) Der Zentralrat der Juden in Deutschland fordert daraufhin den Rücktritt Oettingers. Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, sagt dem "Tagesspiegel", der Brief habe die ganze Angelegenheit noch verschlimmert. Er fordert, Oettinger müsse von seinem Amt zurücktreten. (Welt, 16. 4.)

Auch Jörg Tauss, der Generalsekretär der Südwest-SPD, verlangt Oettingers Rücktritt. (Badische Zeitung, 16. 4. 07)

Die öffentliche Rüge Angela Merkels an Oettinger wird von verschiedenen CDU-Politikern als "unsolidarisch" kritisiert, so von Steffen Bilger, dem Landeschef der Jungen Union. Für Oettinger treten ferner der ehemaligen Stuttgarter OB Manfred Rommel, Georg Brunnhuber, Chef der baden-württembergischen Landesgruppe im Bundestag und der konservative Chef der CDU-Landtagsfraktion, Stefan Mappus, ein. (Badische Zeitung, 16. 4. 07)

16. 4. 2007

(20) Daniel Friedrich Sturm, Kommentator der bürgerlich-konservativen Zeitung DIE WELT, schreibt zum offenen Brief Oettingers: "Inhaltlich aber findet sich in diesen dürren Zeilen nichts, was die peinlichen Passagen seiner Trauerrede auf Hans Filbinger relativiert. (...) Will Oettinger eine politische Zukunft haben, muss er für die Vergangenheit endlich die Worte richtigen Worte finden." Damit stellt das Blatt keine Rücktrittsforderung, stellt aber seine politische Zukunft in Frage - was im Endeffekt das selbe ist. Frank Schmierchen (stellvertretender Chefredakteur der WELT) behauptet in der Kolumne "Meine Woche" in der selben Ausgabe: Oettinger "fand aber kein Wort der Kritik an Filbingers Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus, sondern rückte ihn sogar in die Nähe von Widerstandskämpfern." (FAZ, 16. 4. 2007)

(21) Kardinal Georg Sterzinsky, Erzbischof von Berlin, verbietet einen Gedenkgottesdienst für Hans Filbinger. Der Erzbischof will nach einer Pressemitteilung aus seinem Haus verhindern, "dass der Gottesdienst missbraucht und missverstanden wird". Die Domgemeinde der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale wollte Filbingers wegen seines Einsatzes für den Berliner Priester Karl-Heinz Möbius gedenken. Möbius war 1944 wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tode verurteilt worden. Dieses Urteil wurde durch Filbingers Intervention aufgehoben.  Von den Berliner politischen Kräften links der CDU wird die Absage des Gottesdienstes begrüßt; nach FDP-Landeschef Markus Löning wäre die Andacht ein "moralisches Desaster" gewesen. (taz.de, 17. 4. 07)

(22) In einem Interview mit der BILD-Zeitung (Papierausgabe, 16. 4. 07) erklärt Günther Oettinger: "Es war nie meine Ansicht, die Verfolgten und die Opfer zu verletzen. Sollte das geschehen sein, tut es mir leid. Und dafür entschuldige ich mich auch. Betroffen macht mich auch, wie mir unterstellt wird, ich hätte Hans Filbinger zum Widerstandskämpfer erklärt. Er war es nicht und ich habe das nie behauptet." Auf die Vorhaltung, er habe Filbinger, der in der SA gewesen sei, als Gegner des NS-Regimes bezeichnet, antwortet Oettinger: "In der SA waren viele Anhänger, aber auch viele Menschen, die nicht die Kraft zum Widerstand hatten. Hans Filbinger hat sich wie Millionen dem NS-Regime angepasst. Daran besteht kein Zweifel. Aber so, wie ich ihn später kennen gelernt habe, war er ein zutiefst christlicher und konservativer Mensch mit einer belegbaren inneren Distanz zum NS-Regime."

(23) Günther Oettinger erklärt sich vor dem CDU-Präsidium in Berlin. Er lässt dazu eine Reise nach Rom zum Papst ins Wasser fallen. Noch vor dem Eintreffen Oettingers betont Angela Merkel vor laufenden Kameras erneut, dass sie gegenüber Oettinger "klargestellt" habe, "was mir sehr a Herzen liegt, dass wenn wir über de Nationalsozialismus reden, wir dies aus der Perspektive der Opfer tun."

(24) Merkel sagt, mit seinem Entschuldingungsbrief am Sonntag und dem bedauernden Interview am Montag (= BILD-Zeitungsinterview) habe der Ministerpräsident einen wichtigen und notwendigen Schritt getan. Nun dürfe er erwarten, "dass die Entschuldigung auch gehört wird." (Badische Zeitung, 17. 4. 07) Vor dem Präsidium sagt Oettinger: "Ich halte meine Formulierung nicht aufrecht, sondern distanziere mich davon." (BILD, 17. 4. 07) „Ich halte meine Formulierung nicht aufrecht. Und ich bin deswegen hier, um mein Bedauern auszudrücken.“ (focus.de, 16. 4. 2007)

 17. 4. 2007

Die Presse wertet die Erklärung Oettingers vor dem CDU-Präsidium als Kotau (Armin Käfer, Badische Zeitung, 17. 4. 07, n-tv.de, 17. 4. 07)

 18. 4. 2007:

(25) Der Chef der baden-württembergischen CDU-Bundestagsabgeordneten, Georg Brunnhuber, der zuvor Oettinger verteidigt hatte, erklärt in einem offenen Brief an BILD, er schließe sich der "Erklärung und Entschuldigung" des Ministerpräsidenten an. "Es war nie meine Absicht, den Zentralrat der Juden anzugreifen. Sollte dieser Eindruck entstanden sein, möchte ich mich auch hierfür entschuldigen." (BILD, 18. 4. 2007)

(26) Stephan Kramer, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, fordert die Schließung des von Filbinger 1979 gegründeten Studienzentrums Weikersheim. In dieser Einrichtung würden Ansichten vertreten, die im rechtsextremen Spektrum anzusiedeln seien. (Badische Zeitung, 19. 4. 2007)

 19. 4. 07

(27) Die Zentralratsspitze um Präsidentin Charlotte Knobloch erklärt nach einem Treffen mit Günther Oettinger (CDU) am Frankfurter Flughafen, man sei mit der Distanzierung Oettingers von seiner umstrittenen Trauerrede für den früheren Stuttgarter Regierungschef Hans Filbinger einverstanden. Die Rücktrittsforderung sei nunmehr gegenstandslos. Oettinger habe seine Distanzierung von den kritischen Passagen der Rede bekräftigt und sein Bedauern ausgedrückt. Bei dem Treffen kommen nach Angaben beider Seiten auch die unterstützenden Äußerungen des CDU-Landesgruppenchefs Georg Brunnhuber für Oettingers Rede zur Sprache. Knobloch will diese Äußerungen jedoch nicht weiter bewerten, ihr genügt die Distanzierung Oettingers. (focus.de 19. 4. 07) Oettinger sagte zu Knoblich im Bezug auf das Studenzentum Weikersheim, es sei ein privater Verein, dessen Themen ihm nicht zu der Vermutung Anlass gäben, dass dort rechtsextreme Auffassungen vertreten würden. Er werde dies aber im Auge behalten. Knobloch sagte, sie sehe „derzeit keinen Anlass“ daran zu zweifeln. Der Zentralrat der Juden hatte zuvor die Schließung des Zentrums gefordert. (faz.net, 19. 4. 07)

(28) Günther Oettinger, der wie seine Vorgänger kraft Amtes Mitglied im Trägerverein des Studienzentrums Weikersheim ist, lässt seine Mitgliedschaft ruhen. Die Mitgliedschaft kostet 100 € im Jahr. (Welt online, 20.4. 07)

 Das Simon-Wiesenthal-Zentrum wirft Oettinger "rechtsextreme Sympathien" vor und fordert erneut seinen Rücktritt, es begründet dies unter anderem mit der Mitgliedschaft Oettingers im Studienzentrum Weikersheim. (Welt online, 20. 4. 05)

 Die brandenburgische Innenminister Schönbohm (CDU), der dem Präsidium des Studienzentrums Weikersheim angehört, weist die Vorwürfe rechtsextremen Gedankenguts und Antisemitismus in Weikersheim zurück. (Welt online, 20. 4. 07)

 Aus der brandenburgischen SPD werden Forderungen laut, Innenminister Schönbohm solle sein Amt im Studienzentrum niederlegen, weil dies nicht gut für das Ansehen brandenburgischer Politik sein könne.

(29) Der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Barthle kritisiert die Reaktion des Zentralrats der Juden in Deutschland zur Trauerrede Günther Oettinger für Hans Filbinger. Sie sei Anlass, darüber nachzudenken, „ob der Zentralrat in allen Fragen des Dritten Reichs die alleinige Deutungshoheit hat“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der baden-württembergischen Landesgruppe im Bundestag der Chemnitzer „Freien Presse“.

 Es gebe sowohl in der CDU als auch in der Öffentlichkeit immer wieder Stimmen, „die sagen, es kann nicht sein, dass die Führung des Zentralrats in dieser überhöhten Rhetorik reagiert“, sagte Barthle. Er verwies auf den Zentralratsvizepräsidenten Dieter Graumann, der Äußerungen des CDU-Landesgruppenchefs Georg Brunnhuber als „hirnlos, taktlos und geschmacklos“ bezeichnet hatte.

Barthle spricht sich gegen eine Schließung des Studienzentrums Weikersheim aus. Entsprechende Forderungen bezeichnet er als überzogen. (Welt online, 20. 4. 07)

 Die Blätter melden, dass es jetzt "zweifelsfrei" bewiesen sei, dass Filbinger NSDAP-Mitglied gewesen sei: Der Original-Antrag und die Mitgliedkarte wurden im Berliner Bundesarchiv gefunden und in verschiedenen Zeitungen auch abgebildet. Eine altbekannte Tatsache wird zur Sensation aufgebauscht.

21. 4. 2007

(30) Der jüdische Historiker Arno Lustiger kritisiert zwar die Rede Oettingers und nennt Filbinger einen "Blutrichter", stellt jedoch zur Intervention des Zentralrats der Juden fest: "In der Affäre Oettinger/Filbinger fehlt dem Zentralrat aber jegliche Kompetenz; hier ist er einfach nicht zuständig und hat damit unserer Gemeinschaft einen schlechten Dienst erwiesen. Er sollte sich stattdessen den wirklichen, dringenden Problemen der Juden in Deutschland zuwenden." (faz.net, 21. 4. 2007)

 22. 4. 2007

 Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung enthüllt, dass auch Volker Kauder, Unionsfraktionschef im Bundestag, Filbinger 1993 einen Nazigegner genannt habe. (spiegel.de, 22. 4. 07):

"Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte dem Bericht zufolge am 23. Juni 1993, Filbinger sei ein "ausgewiesener Gegner des nationalsozialistischen Regimes" gewesen. Er sei "schon als Student auf die schwarze Liste der 'politisch Unzuverlässigen' gesetzt" worden. Die Attentäter vom 20. Juli hätten ihn für eine Mitarbeit nach einem geglückten Putsch vorgesehen wegen "seiner persönlichen Integrität und antinationalsozialistischen Haltung". Diese Aussagen folgen voll Filbingers eigener Rechtfertigungsstrategie. 1993 war Kauder CDU-Generalsekretär in Baden-Württemberg."

Weiter berichtet spiegel.de aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:

"Dem Bericht zufolge hatte außerdem Bayerns langjähriger Kultusminister Hans Maier (CSU) schon im Juni 1983 Filbinger attestiert, "von Anfang an Nazi-Gegner" gewesen zu sein."

(31) Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Kauder (CDU), hat sich von 1993 gemachten Äußerungen distanziert, in denen er den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Filbinger als Gegner der Nationalsozialisten dargestellt hatte. „So würde ich nicht mehr formulieren, weil auf gar keinen Fall die Grenzen zu den aktiven Gegnern und Widerstandskämpfern verschoben werden dürfen“, sagte Kauder. Er könne sich allerdings „nicht mehr an den Vorgang nicht mehr erinnern, es ist schon 14 Jahre her.“ (faz.net, 22. 4. 07)

(32) Die Stuttgarter Zeitung meldet, dass der Redenschreiber von Günther Oettinger, Michael Grimminger, "in gegenseitigem Einvernehmen" innerhalb des Staatsministeriums versetzt wurde. Mit einer späteren Abschiebung ins Landwirtschaftsministerium wird gerechnet. (spiegel.de, 28. 4. 2007)

(32a) Die Backnanger Kreiszeitung meldet den Rückzieher Norbert Bathles: "Seine "leise Kritik" am Zentralrat der Juden will Barthle relativieren. Seine Aussage, die Auseinandersetzung über Oettingers Trauerrede für Filbinger sei Anlass, darüber nachzudenken, "ob der Zentralrat in allen Fragen des Dritten Reichs die alleinige Deutungshoheit hat", sei in einem Interview mit der Chemnitzer "Freien Presse" vor dem Gespräch zwischen dem Zentralrat und Oettinger gefallen. Jetzt, nachdem sich beide Seiten geeinigt haben, ziehe er die Vorwürfe zurück." (bkz-online, 24. 4. 2007)

25. 4. 2007

(33) Günther Oettinger bekräftigt im Landtag von Baden-Württemberg seine Distanzierung von seinen Aussagen über Filbinger im Dritten Reich. Arno Fern, der Repräsentant der Jüdischen Gemeinde Württemberg, der die Sitzung auf der Zuschauertribüne verfolgte, sagte: "Wir akzeptieren seine Entschuldigung". Danach kommt es vor laufenden Kameras zu einem Händedruck mit Oettinger. Die beiden hatten sich schon am 22. 4. getroffen. (Badische Zeitung, 26. 4. 07)

Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann fordert den Ministerpräsidenten auf, Finanz-Staatssekretär Gundolf Fleischer (CDU), der Oettingers Entschuldigung für unnötigbefunden hatte, zu entlassen, "falls er sich nicht überzeugen lässt".

27. 4. 2007

(34) Drei hohe Jungendfunktionäre treten aus dem Vorstand des Studienzentrums Weikersheim zurück: Nina Bender, stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Union, Steffen Bilger, Vorsitzender der JU Baden-Württembergs und Steffen Kirsch, Landesvorsitzender des Rings christlicher Studenten. Diese Vorstandsmitglieder waren als solche "mitverantwortlich für die geplante Veranstaltung der Jugendorganisation des Studienzentrums Weikersheim mit dem umstrittenen Ex-General Reinhard Günzel; und das ausgerechnet am 20. April, dem Tag, an dem Rechtsextreme den Geburtstag von Adolf Hitler feiern. (...) Es sei ein großer Fehler gewesen, nicht gegen die Veranstaltung protestiert zu haben, so Bilger heute. Trotz dieses Fehlers halte er sich selbst und die anderen führenden JU-Mitglieder aber nach wie vor für tragbar für die CDU." (SWR online, 27. 4. 07)

Der Rücktritt der Drei geschah auf Druck von CDU-Landesgeneralsekretär Thomas Strobel. (Frankfurter Rundschau online, 29. 4. 07)

Die Vorsitzende der grünen Fraktion im Landtag, Theresia Bauer, verlangte den Rücktritt von Steffen Bilger als Vorsitzender der JU in Baden-Württemberg. (FR online, 29. 4. 07; Sindelfinger Zeitung online 28. 4. 07)

1. 5. 07

Günther Oettinger erklärt nach einer Sitzung von Präsidium und Landesvorstand der CDU, das Studienzentrum Weikersheim müsse sich "gegen Inhalte und Kräfte jenseits des demokratischen Spektrums unserer Werte- und Verfassungsordnung" abgrenzen. (Badische Zeitung, 2. 5. 07)

Der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Rainer Bliesener, verlangte von der CDU, sie solle jede Unterstützung des Studienzentrums einstellen, solange dort nicht die politische Ausrichtung grundlegend geändert werde. Als Konsequenz aus der Debatte um Oettingers Filbinger-Trauerrede forderte er ein zentrales Denkmal in Baden-Württemberg für die wirklichen Gegner der Nazidiktatur. (BZ, 2. 5. 07)

10. 5. 07

(35) Kultusminister Helmut Rau sagt einen am 24. Mai in Freiburg geplanten Vortrag für das Studienzentrum Weikersheim ab. (Badische Zeitung, 11. 5. 07)

(36) Nach anhaltender Kritik an ihrer Mitgliedschaft trat die Persönliche Referentin von Ministerpräsident Oettinger, Dorothea Beetz, aus dem Studienzentrum Weikersheim zurück. (BZ, 11. 5. 07). Sie ist Mitgründerin der Nachwuchsorganisation "Jung-Weikersheim". (BZ, 10. 5. 07)

(37) Der Bürgermeister der Stadt Weikersheim, Klaus Kronberger, distanzierte sich auf einer Veranstaltung der lokalen Tauber-Zeitung deutlich vom Studienzentrum. Monika Menth, die Verwalterin von Schloss Weikersheim, beklagt sich, es träfen Briefe bei ihr ein, die an den "gehätschelten SS-Schergen" adressiert seien. Ein Verzicht auf Weikersheim im Vereinsnamen wäre ihr durchaus recht: "Weikersheimer werden doch als absolut rechtsradikal eingestuft." (BZ, 11. 5. 07)

(38) Günther Oettinger legt seine Mitgliedschaft im Studienzentrum Weikersheim mit einer formalen Begründung nieder. Er war nicht durch persönlichen Beitritt, sondern kraft Amtes Mitglied geworden. Oettinger sagte laut BZ: "Die Mitgliedschaft in Weikersheim hat mit meinen Amtsaufgaben nichts zu tun." Er beendete auch weitere derartige Mitgliedschaften. "Zugleich kündigte Oettinger an, die Südwest-CDU werde sich verstärkt bei der Stiftung engagieren. Bei Besetzungen von Gremien wolle die Partei mitwirken, dass 'die konservativ-demoktarische Grundhaltung' der Studienstiftung belegbar sei. (...) SPD und Grüne bezeichneten Oettingers Austritt als überfällig: 'Ein aufrechter Demokrat hat in diesem Studienzentrum nichts verloren, weil es sich nicht eindeutig gegenüber Rechtsextremisten abgrenzt", sagte SPD-Landeschefin Ute Vogt. Sie erwarte, dass Oettinger Weikersheim mit eisernen Besen auskehre." (Badische Zeitung, 23. 5. 07)

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