Zur Solidarität mit den Opfern Saddam Husseins

Rückblick auf den Golfkrieg 1991, seine Vorgeschichte und die damalige Solidaritäts- und Friedensbewegung in Deutschland und im Breisgau

 

Hans-Dietrich Genscher, Außenminister der Bundesrepublik Deutschland unter verschiedenen Regierungen, besuchte Anfang Juli 1979 Saddam Hussein in Bagdad. Die "Gesellschaft für bedrohte Völker" schrieb in einer Presserklärung dazu: 

"Das Bagdader Regime ist durch Terror an die Macht gekommen, und hat sich nur durch rücksichtslosen Terror an der Macht gehalten. Wer sich mit ihm einlässt, verspielt seine moralische und politische Glaubwürdigkeit." 

In ihrer Zeitschrift POGROM (Nr. 65, 7.1979) berichtet die Gesellschaft unter der Überschrift Irak: Ein barbarisches Regime über den Terror im Land und stellt Saddam Hussein in eine Reihe mit gestürzten Diktatoren: dem Schah von Persien, Pol Pot vom Kampuchea, Idi Amin aus Uganda, Somoza aus Nicaragua, Francisco M. Nguema aus Äquatorialguinea. Der Artikel weiter: 

"Das möglicherweise barbarischste Regime, das bisher allen Widerstandes Herr werden konnte, ist das Irakische des Nationalsozialisten Saddam Hussein al-Takriti, dem starken Mann der Arabischen Ba'athpartei."

Dies war nicht die erste und nicht die letzte Erklärung der Gesellschaft für bedrohte Völker gegen das Regime im Irak, auch andere Dritte-Welt-Gruppen, Kurdistan-Solidaritäts-Kreise usw. versuchten immer wieder, die Öffentlichkeit und die Politiker aufzurütteln, doch ihre Erklärungen, Kundgebungen, Demonstrationen wurden im besten Fall mit ungläubigem Staunen entgegen genommen, oft belächelt, manchmal auch mit Hass beantwortet. Ich lebte von 72 bis 86 in Westberlin, wo es immer eine lebendige Solidaritätsbewegung gab.

Erstmals 1971 (Pogrom Nr. 8) prangerte die Gesellschaft deutsche Waffenlieferungen in den Irak an. Diese sollten nun, nach dem Genscher-Besuch, zu einem florierenden Wirtschaftszweig werden. Schon zur Zeit seines Besuchs gab es in Bagdad über 100 Büros deutscher Firmen, darunter auch welche aus Südbaden. Die Waffenpartnerschaft brachte dem Irak technologische Unterstützung, Ausbildung von Fachkräften und direkte Lieferungen (Chemikalien, Anlagenteile). Allein zwischen 1982 und 1986 bezog der Irak Waffen im Wert von 1,3 Milliarden Mark aus der Bundesrepublik. Es gab Projekte, an denen mehr als hundert deutsche Firmen zugleich beteiligt waren. Die Waffen kamen zunächst im irakisch-iranischen Krieg am Schatt-el-Arab zu Einsatz. 

Der erste Golfkrieg 1980 - 1988, geschürt durch westliche Waffen

1980 startete der Irak eine Blitzoffensive gegen die Islamische Republik Iran, die aber stecken blieb und zu einem Stellungskrieg ausartete, der bis 1988 auf iranischer und irakischer Seite eine Million Tote und noch mehr Verwundete kostete. Die Waffenlieferanten und ihre Regierungen in Paris, Bonn und Washington hatten kein Erbarmen - im Gegenteil: Die Schwächung des revolutionären Iran wurde in den genannten Hauptstädten gewollt und gefördert. Zunächst war der Iran dem Irak überlegen; Iran hatte noch aus Schahs Zeiten eine schlagkräftige, von den Amerikanern ausgerüstete Armee, die von Chomeini übernommen worden war. Der größenwahnsinnige Hussein musste kräftig gestützt werden, um eine echte Gefahr für den Iran sein zu können. Und eben dies geschah. Auf der Homepage des Senders n-tv/CNN wird mit Datum 17. 1. 2003 berichtet:

Aus offiziellen US-Dokumenten geht hervor, dass zwischen 1985 und 1989 größere Mengen Giftstoffe, Krankheitserreger und andere gefährliche Materialien legal aus den USA nach Irak exportiert werden, die sich für die Produktion von biologischen und chemischen Waffen eignen. Zu den gelieferten Stoffen gehören Botulinum-Gift, Anthrax-Sporen, e.Coli-Bakerien und Westnil-Viren. Bis 1990 belaufen sich amerikanische Kredite an den Irak auf drei Milliarden Dollar. Der Irak ist eine Militärmacht, liegt jedoch wirtschaftlich am Boden.

Seit 1984 setzte der Irak Giftgas gegen die iranischen Soldaten auch tatsächlich ein - was heißt Soldaten - der Iran hatte zum Teil religiös fanatisierte Jugendliche im Einsatz, die ihr Land und ihre Revolution verteidigen wollten. Die Heimseite n-tv/CNN erinnert an die Giftgaseinsätze gegen die Iraner und fährt fort:

Dennoch bietet Donald Rumsfeld – heutiger US-Verteidigungsminister und damals US-Sondergesandter für den Nahen Osten - nach einem Bericht des Magazins "Newsweek" weitere Unterstützung im Kampf gegen den Iran an. Er könne sich an eine solche Mission nicht erinnern, sagte Rumsfeld im vergangenen Jahr. Unlängst veröffentlichte die "New York Times" Berichte aus Geheimdienstkreisen, aus denen hervorgeht, dass die Amerikaner Hussein mit detaillierten Angaben über die iranischen Aufmarschpläne versorgten. Und dies, obwohl die Amerikaner wussten, dass Saddam Giftgas einsetzt. Das Pentagon sei vom irakischen Giftgaseinsatz "nicht so entsetzt" gewesen, zitierte die Zeitung einen Veteran des US-Militärgeheimdienstes CIA. "Es war lediglich eine andere Methode, Menschen zu töten - ob mit einer Kugel oder Phosgen, machte keinen Unterschied". "Wir waren nicht naiv", meint später Geoffrey Kemp, Mittelostexperte der Regierung Reagan. "Wir wussten, dass Saddam ein Schurke war, aber er war unser Schurke."

Halabdscha

 Der Krieg der beiden Diktaturen mit seinen immensen Opfern brachte keine Solidaritätsbewegung auf die Straße. Kurdistan- und anderen Solidaritätsgruppen existierten in Deutschland und klagten an, vermochten aber niemanden als den eigenen, engeren Kern wachzurütteln. Erst als der Irak den seit dem Ersten Weltkrieg größten Giftgaseinsatz machte - auf die eigene kurdische Bevölkerung - nahm wieder ein größerer Kreis der Öffentlichkeit Notiz vom Regime in Bagdad. Auch große Meinungsmacher, wie der Stern, berichteten nun ausführlich über das Problem. Im der Badischen Zeitung vom 24. März 1988 lesen wir im Bericht von Michael Wrase:

“Die Wahrheit von Halabja: Menschen und Tiere sind tot, Tausende. Die aufgedunsenen Leichen und Kadaver liegen seit einer Woche in den von Geröll übersäten Straßen und Gassen, in Häusern, vor Kebap-Buden, Kaffee- und Teehäusern. Sie wurden nicht beerdigt oder verbrannt, da zunächst die Auslandspresse die Opfer sehen sollte. Zwei Stunden lang stolpern die Journalisten angewidert, empört, dem Erbrechen und Heulen nahe, durch Halabja. Sie sehen die entstellten Gesichter von Babys auf den Rücken ihrer zusammengebrochenen Mütter, Familien, die während des Mittagessens das tödliche, in großen Mengen abgeworfene Gas einatmeten, und grässlich daran zugrunde gingen. Ein junger Schafhirte liegt neben seinen Ziegen. Auf einer ins Gebirge führenden Straße ist eine Gruppe von Flüchtlingen vom Giftgas überrascht worden. Sie liegen in Straßengräben, auf Wiesen und in einem Bachbett, wo sie anscheinend Schutz vor Splitterbomben gesucht haben."

Giftgasopfer in Halabdscha - kein Anlass für Stopp der westlichen WaffenexporteDie Kurden sollen mit den Iranern kollaboriert haben, die diese Gegend eingenommen hatten, so der Vorwurf des Regimes. Der Gasangriff geschah mit primitiven Kanistern, die aus Hubschraubern abgeworfen wurden, ausströmten und die Talsohle von Halabdscha mit Senfgas füllten. Mit den Rüstungsmilliarden für Saddam Hussein, die im Kampf moderner Armeen nicht weit reichen würden, könnte ein Diktator so die wehrlose Zivilbevölkerung eines ganzen Kontinents ausrotten. Doch die Hubschrauber, die die Kannen abwarfen, scheinen modern gewesen zu sein: n-tv berichtet, dass sie zum Teil zu den 72 "Bell-" und "Hughes"-Hubschraubern gehört haben sollen, die 1983 aus den USA "für zivile Zwecke" in den Irak geliefert wurden.

Die Basis-Solidaritätsbewegung schreckte durch Halabdscha auf und wurde aktiver. In Freiburg machte beispielsweise die Ausländerinitiative mit dem Freundeskreis Asyl, der Vereinigung der Studenten Kurdistans und dem Kommunalen Kino Veranstaltungen über die Situation im Nahen Osten und den Terror von Saddam. (Zu den Freiburger Initiativen, die viel für die internationale Solidarität geleistet haben, gehörte immer auch die Redaktion der Blätter des iz3w (Informationszentrum Dritte Welt), ich stütze mich unter anderem auf ihr Material.) Und wie war es mit der Solidarität von oben? Hans-Joachim Löwer schrieb im Stern:

"Die Firmen aus der BRD und aus anderen westlichen Ländern, die Ausgangsprodukte für die Giftgasproduktion liefern, werden weiterhin behaupten, es handele sich um Unkrautvernichtungsmittel. Und bei der Bagdader Industriemesse im November (1988, H.N.) werden Geschäftsleute aus aller Welt sich nach Aufträgen im Zeichen des Wiederaufbaus (nach dem Krieg am Schatt-el-Arab, H.N.) drängen. Wer will es schon mit diesem Ölland verderben wegen drei oder vier Millionen Kurden?"

Die Illustrierte sollte Recht behalten, auch die westlichen Regierungen sahen keinen Grund, ihre segnende Hand über diesem Treiben wegzuziehen. Der Gasangriff auf Halabdscha - er war nur die größte einer Reihe solcher Vergeltungsaktionen - führte zu  einer Massenflucht irakischer Kurden in die Türkei und in den Iran. Über 100.000 überquerten allein das alpine Grenzgebirge zur türkischen Seite. Die Türkei - selbst nicht zimperlich im militärischen Umgang mit der kurdischen Opposition - konnte sich dem brutalen Flüchtlingselend nicht verschließen, sie hielt die irakischen Kurden keineswegs für Simulanten und brachte sie in Flüchtlingslagern unter. Sie hoffte aber - und da täuschte sie sich - dass westliche Länder die Flüchtlinge einreisen lassen oder wenigstens vor Ort finanzielle und Sachhilfe leisten würden. Die Flüchtlingslager waren noch mit einigen Zehntausend Menschen voll, als drei Jahre später weitere kurdische Flüchtlinge kamen - diesmal in Millionenzahl. Doch davon weiter unten.

Es wäre noch zu erwähnen, dass das Baath-Regime mit Hussein an der Spitze 1988 den bis dahin brutalsten Luftterror in der Geschichte des Landes verübte, aber nicht den ersten. Die britische Besatzungsmacht bombardierte schon 15 Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg kurdische Dörfer im Irak, darunter Kuschan-al-Adschasa. 1924 schrieb (nach Süddeutsche Zeitung, 7. 2. 2003) der Kommandeur Arthur Harris:

 "Die Araber und Kurden wissen jetzt, was wirkliches Bombardieren im Hinblick auf Verluste und Zerstörungen bedeutet. Sie wissen jetzt, dass ein ganzes Dorf binnen 45 Minuten von vier oder fünf Maschinen praktisch ausradiert und ein Drittel der Bewohner getötet oder verwundet werden kann."

 Arthur Harris, genannt "Bomber-Harris", war später auch Kommandeur der alliierten Luftoffensive gegen deutsche Städte. Natürlich war Harris kein Einzelgänger. Rudolf Chimelli weist in der SZ darauf hin, dass bereits 1919 Winston Churchill als Staatssekretär im Kriegsministerium die Royal Air Force dazu ermächtigte, chemische Waffen gegen "widersetzliche Araber" einzusetzen. Dass es nicht dazu kam, lag am Einspruch der Verwaltung Britisch-Indiens, der der Irak damals unterstand.

Der zweite Golfkrieg 1991

Am 2. August 1990 gefiel es dem Diktator in Bagdad, Kuwait zu überfallen ("zu befreien") - im Vergleich zum Blitzkrieg am Schatt-el-Arab ein harmloser Akt, bei dem kaum Blut vergossen wurde. Der Irak betrachtete Kuwait als historisch angestammtes, eigenes Territorium und warf nun konkret den feudalen Herrschern in Kuwait und in den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, die von der OPEC festgesetzte Fördermenge für Rohöl zu überschreiten und den Weltmarktpreis zu drücken. Der Irak behauptete, durch die Überproduktion beider Länder sei ihm ein Schaden von 14 Mrd. Dollar entstanden.

Der Regierung in Washington hingegen gefiel dieser Überfall Saddams - anders als sein Überfall auf den Iran - nicht. Präsident George Bush sen. setze nun eine der größten "Solidaritätsbewegungen" in Gang, die die Welt bisher gesehen hatte: Kuwait sollte befreit, sein Ölscheich wieder in seine alten Rechte eingesetzt und das unter der Diktatur leidende irakische Volk befreit werden. Eine Allianz verschiedener der ehemals waffenliefernden Staaten beteiligte sich militärisch. Am 16. Januar griff eine Flotte von 2000 Flugzeugen der Alliierten den Irak an. In Deutschland, von dem zwei Weltkriege ausgegangen waren, war eine militärische Beteiligung innenpolitisch nicht durchsetzbar, so musste die Regierung unter Kanzler Kohl sich darauf beschränken, den Krieg mit 18 Milliarden DM zu unterstützen. Diese 18 Milliarden kamen, nebenbei bemerkt, nicht aus den Gewinnen der Waffenhändler, sondern aus den Steuergroschen von Dir und mir. Deutschland wieder zu einer offen und aktiv kriegsführenden Nation zu machen, dazu war die schwarz-gelbe Regierung gewillt, aber nicht befähigt. Die SPD-Fraktion im Bundestag konnte sich während des 91er Golfkriegs zu keiner entschiedenen Haltung durchringen und nahm eine Position des "weder Fisch noch Fleisch" ein.

Die Basis-Solidaritätsbewegung in der Bundesrepublik aber schwoll unter und gegen Kohl sprunghaft an, und das war gut so. Ich blättere einmal meinen alten Golfkriegs-Ordner durch und schreibe einige Aktionen aus den gesammelten Flugblättern ab - fast nur  Freiburg und Breisach betreffend; es gab selbstverständlich auch in anderen Orten Aktionen.

> Freiburg, 19. 1. 1991 Demo, Freiburg, Bertoldsbrunnen

> Der DGB macht eine zentrale Veranstaltung am 26. 1. 1991 in Bonn, die beiden Sonderzüge dazu halten im Alemannenland zwischen Lörrach und Rastatt an insgesamt 9 Orten, die örtlichen DGB-Büros organisieren den Verkauf.

> Freiburg, 23. 2. 1991, Großer Sternmarsch des "Bündnisses zur Beendigung des Golfkriegs".

> Freiburg, Beschäftigte im Gesundheitswesen gegen den Krieg haben einen Info-Tisch im Personalkasino und ein Infobüro in der Frauenklinik der Uniklinik. Kundgebungen und Mahnwachen werden organisiert.

> Breisach, die "Offene Friedensgruppe" macht jeden Samstag eine Mahnwache am Marktplatz, in der evangelischen Kirche findet täglich ein Friedensgebet statt, zu dem die "Ökumenische Initiative Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung Breisach" aufruft.

Diese Auflistung ist bei Weitem nicht vollständig. Die Parole Kein Krieg um Öl ging im ganzen Lande um - und die Bewegung musste sich anhören, auf einem Auge blind zu sein, nicht solidarisch mit dem unter der Diktatur gequälten kuwaitischen und irakischen Volk zu sein, das nun soeben in einer sauberen, chirurgisch genauer Kriegsführung befreit werden sollte! Die amerikanischen Bomber und Panzer machten in wenigen Wochen die irakische Armee nieder, wobei die Massenvernichtungswaffen Saddams, die wieder zur Begründung des bevorstehenden Kriegs herhalten müssen, höchstens Nadelstiche anrichten konnten. Es gab kaum amerikanische Verluste, auf irakischer Seite starben bis zu 300.000 Menschen; der nachfolgende Frieden sollte noch einmal weit mehr Menschenopfer kosten - Kriegsfolgen, unterlassene Hilfeleistung, mangelnde medizinische Versorgung  in dem fast in die Steinzeit zurückgebombten und durch Boykottmaßnahmen abgeschnittenen Land. Besonders Kinder waren und sind betroffen. Madeleine Albright, ehemalige Außenministerin der USA, wurde im Jahr 1996 gefragt, was sie dazu sage, dass infolge des Wirtschaftsembargos 500.000 irakische Kinder gestorben seien. Sie sprach dann von einer schweren Entscheidung, doch der Preis sei, alles in allem, nicht zu hoch gewesen.

Doch zurück zu Ende des Golfkriegs. Zunächst schlug noch einmal die Stunde Saddams. Präsident Bush hatte die Kurden und die Schiiten im Irak während der amerikanischen Angriffe zu Aufständen aufgerufen, die dann auch tatsächlich erfolgten. Doch als die Amerikaner und ihre Alliierten die Armee Husseins vernichtend geschlagen hatten und die Tore Bagdads sahen, zogen sie ab. Die Restbestände von Saddams Armee richteten sich nun unverzüglich gegen die Kurden und die Schiiten. Ein Fingerschütteln von Bush hätte genügt, um sie davon abzuhalten. Doch Bush sen. kommentierte den kurdischen Aufstand:

"Wir werden uns nicht hineinziehen lassen, indem wir kostbares amerikanisches Leben in diese Schlacht schicken. Wir haben unsere Verpflichtungen erfüllt." (Badische Zeitung, 6./7. 4. 91)

Die Vorahnung, die der Kurdenführer Daschalal Talabani in einem BZ-Interview am 12. 3. 91 geäußert hatte, sollte sich erfüllen:

"Wir befürchten aber, die Alliierten wollen gar nicht, daß das irakische Volk seine Zukunft selbst bestimmt, daß nach Kuwait auch der Irak befreit wird. Die Alliierten wünschen sich wahrscheinlich einen neuen Diktator in Bagdad oder gar einen geschwächten Saddam Hussein, der alle ihre Bedingungen erfüllt."

Von den Restbeständen von Saddams Armee bedroht, setzte unter den Augen der Amerikaner ein Exodus ein, wie ihn die Welt noch nicht oft gesehen hatte: ca. eine Million Kurden flohen zu Fuß über das Gebirge und blieben im türkischen Teil Kurdistans unter unsäglichen Verhältnissen an den Berghängen stecken.

Diese Wendung des Krieges war für die "Solidaritätsbewegung" der Bomberpiloten und ihrer Regierungen, die Waffenschieber und die Finanziers kein Problem. Aber die Basis-Bewegung war zutiefst frustriert. Ich und viele mit mir, die wir gegen den amerikanischen Krieg gekämpft hatten, mussten uns nun ein nochmaliges Eingreifen der Alliierten wünschen ... Nachdem Saddam Hussein drei Wochen Zeit für freie Hatz auf die Kurden und Schiiten hatte, brachten die internationalen Proteste die USA dazu, eine Schutzzone im Nordirak zu errichten, die nun einen Teil von irakisch Kurdistan schütze. Doch die Flüchtlinge waren unterwegs und auf sich gestellt, sie wurden von der türkischen Armee zum Teil daran gehindert, in die rettenden Täler und Ebenen hinab zu steigen. Ob eine Rückkehr in die "Sicherheitzone" ratsam war, konnte niemand sagen. Wieder war Solidarität gefragt.

Zum Beispiil am 19. 4. 91 het z Briisach d "Offene Friedensgruppe" un d VHS e Veranstaltung in dr Spitalkirch organisiärt, Motto: Für den Frieden! Für die Opfer! Do sin zwee alemannischi Dichter, dr Markus Manfred Jung un dr Wendelinus Wurth ufdrätte; d Mundartgruppe Goschehobel het gspiilt un ich han e Diavortrag iber Kurdischtan ghalte - uf alemannisch. Diä Veranstaltung het 700 Mark iibrocht, wu an medico international fir d irakische Kurde gspändet wore sin.

Das Erlebnis mit dem Überfall des geschlagenen Hussein auf die Kurden und Schiiten führte, neben anderen, persönlichen Gründen, dazu, dass ich und vielleicht manche anderen, der Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO frustriert und ratlos zusahen. Auch hier war ja ein Volk im Kosovo von einem Diktator namens Milosevic bedrängt und sollte nun befreit werden.

Jugoslawien, Kosovo, Afghanistan: In Deutschland wird Krieg wieder hoffähig

Im 91er Golfkrieg musste Bundeskanzler Kohl ein deutsches militärisches Eingreifen unter dem Druck der Öffentlichkeit mit dem Hinweis auf unsere NS-Vergangenheit ablehnen. Die aktive Kriegsführung Deutschlands wieder hoffähig machen konnten nur Parteien, die man dem traditionellen Friedenslager zurechnete. Niklas Arnegger beschreibt in der BZ vom 9. 11. 01 die Demagogie, mit der die Bombardierung Jugoslawiens und die anschließenden militärischen Hilfsdienste der Deutschen im "befreiten" Kosovo gerechtfertigt wurde:

Beim Kosovo-Krieg 1999 bemühten Außenminister Joschka Fischer und sein Kollege Rudolf Scharping vom Verteidigungsressort das Dritte Reich - diesmal allerdings nicht, um deutsches Mitbomben und -kämpfen auszuschließen, sondern um es im Gegenteil zu rechtfertigen: es sei Aufgabe der Nachkriegsgeneration, ein zweites Auschwitz nicht mehr zuzulassen.

Damit waren die Weichen für künftige deutsche Kriegsbeteiligungen gestellt: sie sollten als Hilfs- und Solidaritätsaktionen laufen. Die "uneingeschränkte Solidarität" mit den Amerikanern bei der Bombardierung Afghanistans und die deutschen militärischen Hilfsdienste bei der anschließenden Konsolidierung des Sieges liefen unter dem Motto Kampf gegen den Terrorismus (mit Bomberterror), Befreiung der afghanischen Frau von der Burka und der Scharia (an der die mit Amerika verbündeten Kriegsherren in Afghanistan unverdrossen festhalten) usw.

Die Kriege, die offen um die Mehrung des Ruhms und die Vergrößerung des Reiches geführt wurden, scheinen vorbei zu sein. Auch der jetzt bevorstehende Krieg gegen den Irak läuft wieder unter dem Motto Befreiung des irakischen Volkes von der Diktatur Saddam Husseins und Schutz der Nachbarländer und der Welt vor seinen Massenvernichtungswaffen (die ihm schon 1991 nichts nützten, als er sie noch hatte). Acht europäische Staats- und Regierungschefs unter Führung von des Briten Tony Blair beteten am 30. 1. Bushs Sermon nach: "Das irakische Regime und seine Massenvernichtungswaffen sind eine klare Bedrohung des Weltfriedens." Da lachen die Hühner. Und Bush schilderte in seiner Rede zur (Einstimmung der) Nation (auf den Krieg) am 28. 1. 2003 noch einmal den Folterstaat Saddam Husseins und bemühte dabei - man höre und staune - uns! - die internationalen Menschenrechtsgruppen, die Solidaritätsbewegung also. Bush:

Internationale Menschenrechtsgruppen haben andere Methoden aufgelistet, die in den Folterkammern Iraks angewendet werden: Elektroschocks, Brennen mit Eisen, Säure auf die Haut tröpfeln, Verstümmelung mit elektrischen Bohrern, Zungen herausschneiden, Vergewaltigung. Wenn dies nicht böse ist, dann hat böse keine Bedeutung. (Applaus)

Wie wahr! Nur werden diese Methoden in -zig Diktaturen angewandt, die die USA heute noch unterstützen, und sie wurden - wie die Menschenrechtsorganisationen seit eh und je berichteten - im Irak schon im ganzen Jahrzehnt angewandt, als Washington den jetzigen Kriegsminister Rumsfeld vor Ort schickte und den Irak aufrüstete.

Dass Berlin diesmal kaum Soldaten schickt - von den Besatzungen der Awacs in der Türkei und der Spürpanzer in Kuwait abgesehen - liegt leider nicht an einem Lernprozess im Regierungslager. Man gewährt ja auch Überflugrechte, schützt die amerikanischer Startbasen in Deutschland - und schloss zunächst eine Zustimmung im Sicherheitsrat zum Krieg nicht aus. Dass keine deutschen Truppen mehr mobilisiert werden, liegt daran, dass man (noch) keine geeignete Ausrüstung hat und sie nicht bezahlen könnte. Es stehen bereits 10.000 deutsche Soldaten im Ausland. Und es liegt daran, dass Schröder und Fischer die Friedensbewegung fürchten, die nun schon den Großteil des deutschen Volkes hinter sich hat. So ischs rächt. Mache mer witer eso!

2. 2. 2003 Harald Noth

leicht geändert 9. 2. 2003

In Noth Harald si BRIÄF ÜS ALEMANNIÄ - www.noth.net