Krieg als letztes Mittel? (Fortsetzung)

Saddam kann keine Nachbarn mehr bedrohen, sein Militärpotential, das zu einer Aggression oder auch nur zu einer Gegenwehr gegen eine mächtige Armee geeignet wäre, wurde im Golfkrieg 1991 von den Amerikanern und Briten mit Leichtigkeit zerstört. Die Masse des in Lagern herumliegenden Materials, das Saddam 1991 nicht in Einsatz bringen konnte und das damals nicht schon zerbombt wurde, wurde von den UN-Kontrolleuren bis 1998 gefunden und unschädlich gemacht. Das bezeugen zahlreiche Kenner des Irak. Auch bei den jetzt laufenden Inspektionen wird noch Material zerstört. Der Irak liegt inmitten von lauter Diktaturen und Demokraturen des Nahen Ostens, er ist das militärisch schwächste dieser Länder, von Zwergstaaten wie Kuwait einmal abgesehen. Das einzige militärische Problem für die Amerikaner ist die Einnahme Bagdads im Häuserkampf Mann gegen Mann.

Es gibt auch keine Veranlassung, Saddam Hussein als Diktator, als Unterdrücker des irakischen Volkes von außen zu stürzen. Man hat Franco und andere jahrzehntelang gewähren lassen, man stürzte auch die duzenden Diktatoren nicht, die zum Teil von Washington eingesetzt waren oder sind und die bis heute mit den USA zur beiderseitigen Zufriedenheit Geschäfte, einschließlich Waffengeschäfte machen. Die Friedensbewegung braucht sich hier kein mangelndes Mitgefühl mit dem irakischen Volk vorwerfen zu lassen. Schon im Jahrzehnt, als Saddams Regime von den USA, der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten aufgerüstet wurde, haben Friedensbewegte protestiert. (Siehe dazu "Solidarität mit dem irakischen Volk - à la Bush?" - auf dieser Homepage.) Wer dem irakischen Volk helfen will, muss nicht für Krieg, sondern für die Unterstützung der Opposition und für Boykottmaßnahmen eintreten, die die Kriegsproduktion betreffen, Luxuswaren, ausländische Bankkonten der Herrschenden, nicht aber Nahrungsmittel, Medikamente, medizinische Geräte.

Die ganze Kriegsfront lügt: es wird eine Gefährlichkeit des Iraks vorgegaukelt, die sofortiges Eingreifen erfordere: Schnellste Abrüstung, andernfalls Krieg. In jedem Fall soll eine Eroberung des Irak stattfinden, seine Einverleibung in den amerikanischen Machtbereich. Das kann passieren durch Madigmachen des Landes durch immer dreistere Inspektionen, verbunden mit Blauhelmen, amerikanischen Aufklärungsflügen, bei denen jede Maus in ihrem Loch aktenkundig wird und ein irakischer militärischer Widerstand keinen Schritt mehr tun könnte, den das Pentagon nicht voraussieht. Der Irak soll schachmatt und bereit gemacht werden zur Übernahme ohne großen Kampf. Oder eben - und dazu neigt Bush am ehesten - keine Geduld walten lassen, klassischer Krieg à la Irak 1991, Jugoslawien, Afghanistan.

Auch die rot-grüne Bundesregierung hat nun am 17. Februar eine EU-Erklärung mit unterschrieben, in der es heißt: "Krieg ist nicht unvermeidlich. Gewalt sollte nur als letztes Mittel benutzt werden." Gerhard Schröder, wieder frei von Wahlkampfnöten, erklärte dazu, die Geschichte habe gezeigt, dass Gewalt nie als letztes Mittel ausgeschlossen werden könne. (Nie! Also auch jetzt nicht! Etwas anderes sagt die CDU auch nicht.) Wenngleich die EU-Resolution kein Freibrief für den amerikanischen Krieg ist, enthält sie doch das Schlupfloch, das die Bush-Administration braucht: Gewalt als letztes Mittel. Und die EU-Resolution geht noch weiter. Nach einer Verlängerung der Inspektionen durch den UN-Sicherheitsrats soll einmal Schluss sein:

"Die Inspektionen können jedoch nicht unbegrenzt fortgesetzt werden, wenn die volle Kooperation von irakischer Seite ausbleibt. (...) Irak hat eine letzte Chance, diese Krise friedlich zu lösen."

Dies muss in den Ohren Bushs wie Marschmusik klingen; dieses Dokument hat der deutsche Kanzler unterschrieben. Weit mehr als solche wortakrobatischen Resolutionen, die dazu dienen, Widersprüche zu vertuschen, würde Offenheit dem Frieden dienen. Die bisher zum Teil verbal klare Anti-Kriegshaltung der Bundesregierung hat sicher die Friedensbewegung in den Ländern mit kriegsbereiten Regierungen befördert. Es ist halt etwas anderes, ob in diesen Ländern das Signal ankommt: Deutschland ist kompromisslos gegen diesen Krieg! oder das Signal: Krieg nein, höchstens als letztes Mittel!

Alles zu seiner Zeit! Eine Unterstützung der Völker, die sich gegen die Besetzung durch Nazideutschland wehrten, durch die Amerikaner war sicher richtig. Die Völker der Sowjetunion und Europas haben die Hauptlast bei der Befreiung Deutschlands getragen, die deutsche Wehrmacht wurde in verschiedenen besetzten Ländern zermürbt. Die Amerikaner haben dann geholfen, schossen aber weit übers Ziel hinaus: Bei den britisch-amerikanischen Städtebombardements wurden ähnliche Methoden angewendet wie im faschistischen Luftkrieg. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Japan. Womit wir wieder beim Wort des Papstes wären: Krieg ist immer eine Niederlage der Menschheit.

Saddam Hussein aber ist - so sehr er sich auch bemüht - kein Hitler, kein Anführer einer militärischen Supermacht, er wurde trotz intensiver Unterstützung des Westens nicht einmal mit dem Iran fertig. Er ist ein geschlagener Regionalfürst à la Milosevic. Ein Besuch von Joschka Fischer in Bagdad würde den Frieden mehr befördern als 10 weitere Resolutionen mit Krieg als letztem Mittel. Mit einer Bagdad-Reise würde auch etwas gut gemacht. Das, wozu Hans-Dietrich Genscher 1979 in Bagdad die Weichen gestellt hat. Als die deutsche Politik mit ihren Waffenlieferungen ein Jahrzehnt lang Saddam mit aufgerüstet hat.

Der Genscher-Besuch in Bagdad 1979

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