Von Afghanistan in der Irak

In seiner ersten Rede vor dem Weltsicherheitsrat nannte der deutsche Außenminister Joschka Fischer den weltweit operierenden Terrorismus als "strategische Gefahr für den Frieden und die internationale Ordnung". Diese Netzwerke müssten besiegt und zerstört werden. Die Sorge Deutschlands sei, dass ein Militärschlag gegen den Irak "unkalkulierbare Risiken" im weltweiten Kampf gegen den Terror mit sich bringen könnte. Er warnte dabei vor einem Auseinanderfallen der internationalen Antiterrorkoalition. (Nach: Badische Zeitung, 21. 1. 03)

Diese Begründung ist hochinteressant: Der Krieg gegen den Irak wird hier nicht verworfen, weil er wahrscheinlich Tausenden und Abertausenden von Unschuldigen das Leben kosten wird, und dies, obwohl Saddam keine Gefahr mehr für die Nachbarländer, geschweige denn für die Welt darstellt. Sondern Fischer lehnt den Krieg ab, weil er die internationale Antiterrorkoalition schwäche. Damit stellt der olivgrüne Außenminister die Tatsachen auf den Kopf. Die Antiterrorkoalition unter Führung der USA muss um des Friedens willen nicht erhalten, sondern aufgelöst werden. Ich stimme mit Fischer überein, dass alle und sehr verschiedene Mittel ergriffen werden müssen, um den Terror auszutrocknen, auch entschiedene polizeiliche Zwangsmittel. Doch der Bombenterror gehört nicht zu den sinnvollen Mitteln. Aber die erste Tat dieser Koalition war die Bombardierung und Besetzung Afghanistans. Diese wurde von Deutschland stramm befürwortet; gemäßigte Politiker der SPD und der Grünen, die eine Bombenpause im Ramadan forderten, wurden rüde zurückgepfiffen. Die unsägliche Bundestagsabstimmung über die Entsendung deutscher Truppen mit der Vertrauensfrage Schröders war dann der Offenbarungseid: Ja, wir stehen geschlossen hinter Bushs Amerika. Alle Versuche der CDU/CSU und der FDP, die Regierung hier rechts zu überholen, scheiterten. Deutsche Soldaten wurden nach Afghanistan, Turkmenistan, Somalia und Kuwait geschickt, um den Amerikanern Hilfsdienste zu leisten. Aber nur grenzenlos naive oder aber der Macht verfallene Politiker konnten glauben, dass mit Afghanistan der Höhepunkt überschritten wäre. Afghanistan war nur der erste in einer ganzen Reihe geplanter amerikanischer Eingriffe, Eroberungen und Installierungen von Marionettenregimes, wie es Bush immer wieder sehr deutlich zu verstehen gab. Irak ist der zweite Schritt, und wenn die USA dabei nicht geschwächt und isoliert werden, werden der dritte und weitere folgen. Man kann die Amerikaner nicht beschwichtigen, in dem man sklavisch mit ihnen geht, man muss sich ihnen entgegenstellen. Am 11. September hatte die einmalige historische Situation bestanden, dass das (wirtschaftlich) mächtigste Land Europas von einer rot-grünen Koalition regiert wurde. Wer hätte eine internationale Koalition des Friedens begründen können, wenn nicht diese? Wenn Schröder, Fischer und ihre Mannen bei Trost gewesen wären, hätten sie sich von vorneherein dem offen angekündigten Wahnsinn von Bush entgegen gestellt; zahlreiche andere Regierungen und Länder wären ihnen gefolgt, auch solche, die nicht das Glück (?) haben, von zwei Parteien mit friedliebender Tradition (?) regiert zu werden. Es wäre zu dem jetzigen Aufmarsch der Amerikaner vielleicht gar nicht gekommen.

Wenn jetzt, nach der Lähmung bei der Bombardierung Afghanistans, wieder Bewegung in die rot-grüne Basis und Anhängerschaft kommt, ist dies sehr erfreulich, es darf aber nicht ohne ehrliche Rückschau, gründliche Selbstkritik und drastische Konsequenzen geschehen. Sonst ist der nächste Verrat an der Sache des Friedens vorprogrammiert.

31. 1. 2003 Harald Noth