Wie geht medialer Rufmord?
Ein FAZ-Artikel zum Fall Gedeon.

Von Harald Noth

In der jüngsten Medienkampagne gegen die AfD war es die BILD, die den ersten Fanfarenstoß abgab. Sie bezeichnete am 1. Juni 2016 Wolfgang Gedeons Buch „Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten“ von 2012 als „antisemitisches Machwerk“ und führte aus den 432 Seiten einige ausgerissene Sätze vor. Das Blatt holte auch gleich eine Stellungnahme von Dieter Graumann, ehemaliger Präsident des Zentralrats der Juden, ein; dieser erklärte: „Das istWolfgang Gedeon: Der grüne Kommunismus Antisemitismus pur! Der Judenhass ist also mitten im Stuttgarter Landtag angekommen.“ In den Landtag von Baden-Württemberg war Dr. Wolfgang Gedeon erst am 13. März 2016 als Abgeordneter der AfD hineingewählt worden.

Andere Blätter klinkten sich mit ähnlichem Tenor in die Kampagne ein, so am 4. Juni auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die manchen Lesern immer noch als seriös gilt. Die Vorzeile ihrer Überschrift lautet: „Antisemitismus der AfD“. Die fraglichen Äußerungen Gedeons werden hier also als die „der AfD“ hingestellt. Die Hauptüberschrift lautet: „Im Eiferer-Modus gegen Juden.“ Auch der eilige Leser, der das nicht im Detail nachvollziehen will und weiterblättert, bekommt hier den Eindruck bestätigt, den schon die SPD und andere im Wahlkampf, aber auch davor und danach, verbreitet haben: Dass „die AfD“ rechtsradikal, rassistisch usw. sei.

Wer dennoch weiterliest, erfährt jetzt aus kompetentem Mund, dass es in der AfD tatsächlich Eiferer gibt, denn: „Wenn Wolfgang Gedeon den Einzug in den Landtag schaffe, sagte der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen Ende Oktober 2015 im Gespräch mit dieser Zeitung, dann werde das ‚nicht vergnüglich‘. Etwa 20 Prozent der AfD-Mitglieder seien im ‚Eiferer-Modus‘.“ Ein Dementi Meuthens zu diesem Zitat ist mir nicht bekannt. Doch auch er selbst wird madig gemacht: Die FAZ zitiert Bernd Kölmel: „Meuthen verschweigt, dass ihm dieser Sachverhalt seit zwei Jahren bekannt ist.“

Schon jetzt, noch bevor der Vorwurf mit Zitaten konkretisiert wird, ist Gedeon gründlich bloßgestellt – der gewöhnliche Leser erwartet schon jetzt wohl nichts Gutes mehr und erfährt nun Näheres: „Liest man das 432 Seiten starke Buch über den angeblichen ‚grünen Kommunismus‘, stößt man auf islamfeindliche und auf antisemitische Passagen sowie auf Versuche, den Holocaust zu relativieren.“ 

Dieser Vorwurf kann einen Politiker politisch vernichten. Die FAZ-Autoren Justus Bender und Rüdiger Soldt müssen das 400-Seiten-Buch in den drei Tagen seit dem BILD-Artikel sehr gründlich gelesen und verstanden haben, sollte man meinen, wenn sie so ein Geschütz auffahren. Alles andere wäre unverantwortlich. Sie fahren fort: „Gedeon macht das Judentum als ‚inneren‘ und den Islam als ‚äußeren‘ Feind des ‚christlichen Abendlandes‘ aus.“
Das sitzt. Die meisten Leser werden das heftig finden. Judentum als innerer Feind? Hat das nicht auch Hitler gesagt? Dass viele Leser und auch AfDler hier misstrauisch aufhorchen, sich brüskiert fühlen, ist verständlich – doch sie gehen damit in die Falle der Zitatensteller. Die Autoren bringen den Satz dann ein zweites Mal – doppelt gemoppelt hält besser - und zitieren jetzt wörtlich: „Wie der Islam der äußere Feind, so waren die talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes.“
Und dann verschweigen Bender und Soldt das Entscheidende: den  Zusammenhang, den Sinn und die Begründung des Satzes. Er bezieht sich auf die Vergangenheit. Gedeon spricht hier von den Juden der Zeit vor der allgemeinen Judenemanzipation, in der sie in Ghettos lebten und streng religiös waren. "Feindschaft" ist hier ein Begriff aus dem Geistesleben. Um was es sich wirklich handelt, erfahren wir im Buch gleich im nächsten Satz: „Die halachische [dem jüdischen Gesetz folgende, H.N.] Religionspraxis stellte das krasse Gegenteil von einem freiheitlich gestalteten Lebensentwurf im humanistischen Sinne dar, und der Universalismus des christlich-humanistischen Weltbildes, nach dem alle Menschen vor Gott gleichwertig und Brüder und Schwestern waren, bedeutete eine entschiedene Absage an den Auserwähltheitskult der judaischen Religion.“

Gedeon behandelt in diesem Buchteil auf Dutzenden Seiten Heidentum, Judentum, Islam und Christentum und wägt sie gegeneinander ab, erlaubt sich eine Wertung – offenbar ein Gedankenverbrechen in einer Zeit, in der hohe Kirchenvertreter von der „abrahamitischen Ökumene“, den Gemeinsamkeiten der drei Religionen schwärmen, den Klingenbeutel für Moscheebauten umgehen lassen und im Kölner Dom ein Boot der meist islamischen Einwanderer aufstellen. Gedeon aber charakterisiert Islam und Judentum als autoritäre Religionen des Gottvaters, der unendlich weit weg von den Menschen ist und für seine Regeln sturen Gehorsam verlangt. Das alte Judentum ist für Gedeon ein Elternteil des Christentums, das Christentum aber ein Bruch, eine revolutionäre Weiterentwicklung des Judentums, denn mit der Menschwerdung Gottes im Christentum sei auch die Religion menschlicher und der Mensch göttlicher geworden. Doch in der FAZ und anderen Blättern wird diese Meinung, die Gedeon in einer geistesgeschichtlichen Diskussion äußert, zu einem Gedankenverbrechen, zu Antisemitismus hochgeschrieben.

Um einen zu inquisitorischen Zwecken aus dem Zusammenhang gerissenen Satz richtigzustellen, braucht es ein Vielfaches an Sätzen sowie jemand, der es hören und verbreiten will. Es würde daher weit führen, jeden Anwurf dieses Artikels zu widerlegen. Ich wähle nur noch einen Satz aus: Das Autorenduo moniert, Gedeon unterstelle „dem Judentum, an einer ‚Versklavung der Menschheit im messianischen Reich der Juden‘ zu arbeiten“. Auch hier reißt der FAZ-Artikel den Satz aus dem Zusammenhang und der Leser kann den schockierenden Eindruck bekommen, Gedeon bezichtige „das Judentum“, also wohl die heutigen jüdischen Menschen, an der „Versklavung der Menschheit“ zu arbeiten. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, indem die Autoren einen weiteren Zitatbrocken von einer anderen Stelle des Kapitels direkt anfügen, der in der Gegenwart spielt und so auch die „Versklavung der Menschheit“ in die Gegenwart rückt.
Im unzerstörten Zusammenhang des Kapitels wird jedoch deutlich, dass Gedeon diese „Versklavung der Menschheit“ nicht den heutigen jüdischen Menschen, anlastet, sondern er gibt es als „das eschatologische“, das letztendliche religiöse „Ziel der talmudischen Religion“ aus und belegt es mit dem Talmud. Doch diese Religion und ihr Ziel erklärt Gedeon wenige Sätze weiter zu Schnee von gestern, wenn er schreibt: „Im Zuge der westlichen Aufklärung wurden die Ghettos aufgelöst, und der Talmud verlor zunehmend an Bedeutung.“
Wolfgang Gedeon geht es darum, die Gegensätze zwischen Judentum und Christentum darzustellen und für letzteres als wiederzuentdeckende und zu privilegierende weltanschauliche Grundlage zu werben. Aber mit dem Jonglieren und dem falschen Zusammensetzen von Zitatbrocken wird hier suggeriert (und in einer Bildunterschrift so formuliert): „Gedeons Aussagen erinnern bewusst an nationalsozialistische Vorstellungen.“

Zahlreiche Leser sind gegenüber politischen Kampfbeiträgen in den Leitmedien vorsichtig geworden; böse Zungen sprechen bekanntlich sogar von „Lügenpresse“. Dessen eingedenk scheinen die Autoren der Wirkung ihrer bisherigen Quacksalberei nicht ganz zu trauen und führen zum Schluss noch einen „wissenschaftlichen Experten“ ein, eine Rolle, die wir auch aus zahlreichen Fernseh-Sendungen kennen, in denen man versucht, die AfD zu diskreditieren. Auch schon im BILD-Artikel war Dieter Graumann als „moralischer“ Experte bemüht worden. Hier bei der FAZ kommt ein Peter Steinbach - die Begründung, falls es die gibt, erfahren wir nicht - zum „eindeutigen Urteil“: „Gedeon argumentiert offen rassistisch, völkisch, antisemitisch (…)“. Seine Argumente zeigten, dass sich das „Weltbild der NPD“ mit dem „Weltbild von AfD-Repräsentanten“ überlappe. Seine Thesen seien „ein Fall für den Staatsanwalt“ er stehe „außerhalb des Verfassungskonsenses“. Einfach Irrsinn, für den, der das Buch gelesen hat. Die 99,9…% anderen FAZ-Leser müssen spätestens jetzt in Schockstarre fallen, so scheint das Kalkül des Autorenduos zu sein.

Viele Leser werden nach diesem massiven Beschuss tatsächlich glauben, da wäre etwas dran. Eine besondere Durchschlagskraft hat ein medialer Rufmord dann, wenn aus den Reihen des Geschädigten, hier der AfD, Kronzeugen auftreten. In den Tagen nach dem Artikel spielte Jörg Meuthen, der Bundes-, Landes- und Fraktionssprecher, diesen Kronzeugen; er machte sogar seine politische Karriere davon abhängig, dass Gedeon als „Antisemit“ aus der Fraktion ausgeschlossen und damit politisch vernichtet wird. Massiver geht es nicht. Der „Antisemitismus“ Gedeons wurde auch vom Bundesvorstand, Teilen der Fraktion und vielen anderen bis hinunter zu Kreisvorständen und Diskutanten in den Foren beschworen. Die jetzige Medienkampagne wurde so in der dreieinhalbjährigen Geschichte der AfD die mit der größten Durchschlagskraft. Begünstigt durch das bisher größte Zurückweichen von Repräsentanten der Partei. Die Gegner der AfD hatten zuvor einer Reihe schwerer Schläge hinnehmen müssen, dazu gehört ihr Debakel bei den Landtagswahlen und die Positionierung der AfD zum Islam („Der Islam gehört nicht zu Deutschland“). Nach der Fraktionsspaltung in Stuttgart konnten sie wieder aufatmen.

Die wichtigsten Punkte des am 1. Mai 2016 beschlossenen Programms der AfD hat Dr. Wolfgang Gedeon in seinem Werk

„Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten. Eine Kritik des westlichen Zeitgeistes“

bereits 2012 einige Monate vor der Gründung der AfD vorweggenommen. In scharfer Auseinandersetzung mit den Positionen der Grünen und meist aller Altparteien vertritt oder überlegt Gedeon hier ein Europa der Vaterländer, eine Beendung der Eurorettung, einen Stopp der Masseneinwanderung, „der Islam gehört nicht zu Deutschland und Europa“, Rückkehr zur Wertschätzung und Privilegierung der Familie, Volksbefragung und Weiteres. Er verlangt die Neugründung einer Partei. Dabei müsse klar sein: „Es handelt sich um eine neue CDU und nicht um eine neue NPD.“

Mag sein, dass der eine oder andere, politisch wenig weit blickende Zeitgenosse meint, „was für ein Pech, dass wir so eine blöde Kanzlerin haben, die uns das alles einbrockt!“ und das für die Ursache aller Dinge hält. Gedeon sieht das Geschehen als Ganzes, in großen Zusammenhängen. Für ihn ist unser Hauptproblem ein geistiges. Er erklärt, wie aus dem christlichen Humanismus der heutige säkulare Humanitarismus geworden ist, der die Welt retten will, indem er sie nach Deutschland holt. Er zeigt,  wie nach dem Misserfolg des roten Kommunismus der grüne entwickelt wurde und wie dieser als Geistesströmung hinter der heutigen Misere steckt. Der grüne Kommunismus wolle keine „Diktatur des Proletariats“ mehr, sondern eine Diktatur der Minderheiten (Einwanderer, Schwule usw.).
Gedeon bedauert, dass es das „Abendland“ nicht mehr gäbe, sondern jetzt den „Westen“, der von den USA dominiert werde, die USA hätten auch größtes Interesse am Bestand und am Ausbau der zentralistischen EU. Vor allem über die EU werde unter Umgehung der Parlamente der grüne Kommunismus durchgesetzt. Alles laufe auf Entnationalisierung, Entdemokratisierung und Internationalisierung hinaus, die Eliten strebten eine Weltregierung an. Gedeon ist weit davon entfernt, einem Juden oder sonstwem etwas Böses zu wollen. Aber an der Misere in der Welt gibt er den USA viel Schuld, so z.B. an der Destabilisierung des Nahen Ostens und Nordafrikas, was den Einwanderungsdruck auf Europa erheblich verstärkt hat. Eng mit der amerikanischen Politik seien jüdische Interessengruppen in den USA und die israelische Politik verbunden, in der Außenpolitik würden sie sogar dominieren – was Gedeon den „Zionismus“ nennt und was auch von zahlreichen Juden kritisiert werde; es klingt in seinem Buch immer wieder an. 

Diese 2012 und davor entwickelte Sicht Gedeons auf die Rolle jüdischer Interessengruppen in der amerikanischen Außenpolitik muss niemand teilen. Er drängt sie der Partei auch nicht auf: Eine Zusammenfassung von Gedeons politischem Denken und Wollen stellt sein „Entwurf zu einer Grundsatzerklärung der AfD“ dar, den zum Programmparteitag am 30. April 2016 in Stuttgart mit dem Antragsbuch I. jedes Mitglied erhalten hat; die 2000 Teilnehmer am Parteitag bekamen auch die 27seitige Druckfassung in die Hand. Darin kommen die Worte Juden, Judaismus und Zionismus gar nicht vor.

Seit Jahrzehnten versuchen Institutionen, Parteien und Medien jeden, der deutsche Interessen vertritt, mit der Nazi-, Rassismus- und Antisemitismus-Keule zum Schweigen und zur Unterwerfung zu bringen. Diesen Zweck diente auch die inquisitorische Sammlung von Zitaten aus Gedeons Werken, aus der die Blätter nun schöpfen. Justus Bender und Rüdiger Soldt von der FAZ würden die A-Keule nur mit halber Kraft schwingen, wenn sie nicht auch der Vorwurf der „Relativierung des Holocaust“ brächten. Für Gedeon sticht aus den „ungeheuren Verbrechen“ beider Seiten im Krieg der Holocaust hervor und bedarf „einer besonderen Würdigung“, er wagt es aber, daneben auch weitere „größtmögliche Verbrechen“ aufzuzählen, nämlich das „‘moral bombing‘ der Angloamerikaner“ auf Deutschland, den Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki, den sowjetischen Genozid an acht Millionen Ukrainern. Da geht der Daumen von Medien und Politik natürlich nach unten.

Die Frage ist, ob einige in der AfD wirklich gut beraten sind, wenn sie in der Kampagne von BILD, FAZ und anderen gegen die eigene Partei mitspielen und einen Parteifreund, der den Mut zur Wahrheit hat und zu unbequemen, vielen richtigen, vielleicht auch einigen falschen Ergebnissen kommt, ausgrenzen und politisch vernichten. Gedeon ist nicht nur AfD-Mitglied, sondern auch vom Wähler in den Landtag hineingewählt – von jenem Wähler, der der AfD nach jeder Medienkampagne und nach jedem Nazivorwurf laut Umfragen noch mehr Zustimmung gab.

Das Einknicken und Opfern eigener Leute ist ein Fass ohne Boden. Die Listen mit den nächsten Abzuschießenden liegen schon in den Redaktionsstuben. Die gegnerischen Medien werden erst Gnade walten lassen, wenn die AfD alle wichtigen Punkte ihres Programms gestrichen oder politisch korrekt korrigiert und die entschiedensten Repräsentanten hinausgesäubert haben.

(30. 7. 2016)

 

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