29. Juni 2024
Von der Lohntüte zum
OnlineBanking
Wer erinnert sich
noch, wie bis in die 70er Jahre hinein der Verdienst in bar in der
Lohntüte ausgegeben wurde? Das war freitags am Feierabend. Da wurde auf
dem Werksgelände ein Tapetentisch aufgestellt, auf dem Kartons mit
Lohntüten drin standen. Wer aufgerufen wurde, konnte seine Lohnguckele
entgegennehmen. Ich war damals in Westberlin bei Borsig – das ist eine
einst ruhmreiche Lokomotivenfabrik; zu meiner Zeit wurden aber „nur
noch“ Turbinenläufer hergestellt und vor allem Kugelhähne für Pipelines,
durch die Breschnews Gas geleitet wurde. Wir nahmen die Lohntüte mehr
oder weniger glücklich an; nicht jeder kam mit dem Inhalt gut über die
Runden. Ein Kollege wurde beim Heimgang von seiner Frau am Werkstor
abgefangen – er hatte die Gewohnheit, sonst erst nach Hause zu kehren,
wenn die Scheine und die Münzen weg waren. Berlin hatte und hat
reichlich Wirtshäuser oder Eckkneipen und gute Biere. Und zwischen zwei
Bieren ein Korn. Die Frau musste mehrere Kinder versorgen.
Als dann der Lohn
auf die Bank überwiesen wurde, war dies ein tiefer Einschnitt. Natürlich
wurde das vollmundig als Fortschritt angepriesen. Jetzt standen die
bislang des Bankwesens völlig unkundigen Malocher am Freitag eben in der
langen Schlange in der Berliner Bank, der Dresdener Bank usw. Das war
der Beginn einer Entwicklung, die bis heute bis ins Extrem gesteigert
wurde. Nicht zuletzt durch die Bankbediensteten selbst, von denen es
früher Massen gab. Sie ließen sich jede Neuerung als Fortschritt
verkaufen, ein Fortschritt, der regelmäßig zu Personalreduzierungen und
Entlassungen führte. Dazu gehören die Bankautomaten, wo man nun mit
Kärtle sein Geld rausließ, anstatt sich am Schalter anzustellen. Aus
heutiger Sicht sind diese Apparate Dinosaurier. Heute machen Unzählige
OnlineBanking und leben weitgehend bargeldfrei; manche zahlen im
Supermarkt auch den kleinsten Hafenkäs mit Karte und wenn es nur
Tabakblättle, Kaugummi oder eine Büchse Cola sind.
Dereinst, wenn die
treibenden Kräfte hinter dieser Entwicklung am Ziel sind, wird es gar
kein Bargeld mehr geben. Dann wird Brüssel und seine deutsche Filiale
wissen, dass ich in Buxtehude auf dem Klo war. Und Habeck weiß, wieviel
ich getankt habe und dass ich meinen erlaubten ökologischen Fußdruck
überschritten habe. Eines Tages wird so eine Karte dann sperrbar sein,
wie heute schon in China. Wie bitte, die Regierung kann das nicht
wissen? Wenn Merkels Chefs, äh, der amerikanische Geheimdienst NSA, das
Handy der Kanzlerin abhörte, soll dein Chef ganz oben nicht wissen, was
du kleine Wurst mit der Karte treibst? Aber gut, lieber Deutscher. Du
willst es halt so. Sonst tätst du es anders machen.