Sonntag, 24. April 2022
Kriegsbegeisterung
Der Erste Weltkrieg wurde am 28. Juni 1914 durch das tödliche Attentat
auf das österreich-ungarische Thronfolgerpaar in
Sarajewo durch serbische Nationalisten ausgelöst. Österreich-Ungarn, die
sogenannte Donaumonarchie, erklärte darauf Serbien den Krieg. Das
Deutsche Reich sicherte Wien die Bündnistreue zu. Russland, das an der
Seite Serbiens stand, machte sich mit seiner Teilmobilmachung bereit für
den Krieg. Am 1. August erklärte Deutschland Russland den Krieg, am 4.
August Frankreich. Der Einmarsch der deutschen Armee in das neutrale
Belgien rief England als Kriegspartei auf den Plan. Die Völkerschlacht endete mit 17 Millionen
Opfern an Soldaten und Zivilisten. In fast jedem unserer Dörfer findet
man Denkmäler, auf denen Dutzende verlorene Söhne und Gatten stehen,
nicht zu sprechen von den Städten. Die Soldaten wurden von den Kriegsherren in
einem lange nicht zu gewinnenden Krieg zum Kanonenfutter gemacht und
aufgerieben. Deutschland wurde schließlich doch besiegt. Ihm wurde im Versailler Vertrag
von den Siegermächten die
Alleinschuld zugesprochen. Durch die Reparationsbestimmungen
dieses Vertrags begann eine beispiellose Knechtung Deutschlands, die
bereits den Weg zum Zweiten Weltkrieg öffnete.
Der Krieg war 2014 und schon davor in der Luft gelegen, denn
Deutschland, das Land fast ohne Kolonien, war dennoch wirtschaftlich
sehr stark geworden und beanspruchte mehr, sollte durch Frankreich und
England aber klein gemacht oder klein gehalten werden. In allen
beteiligten Nationen gab es eine große Kriegsbegeisterung insbesondere
bürgerlicher Kreise. Golo Mann schreibt: "Jubel herrschte in Europa in
den ersten Augusttagen 1914, Jubel, Kriegswut und Kriegsfreude. (...)
Selbst durch die Straßen von London wälzten sich lustig die Volksmassen
und schrien nach Krieg, indes das Kabinett noch letzte schwache
Friedensgesten machte. Die Völker Europas waren jahrelang von Politikern
und Journalisten gegeneinander aufgehetzt und betrogen worden." Teile der
SPD hatten sich durch Kongresse und Kundgebungen um Frieden bemüht, wie
etwa den internationalen Sozialistenkongress in Basel. Doch
als das reaktionäre Russland in den Krieg eintrat, zogen die
Sozialdemokraten im Reichstag mit und bewilligten mit die Kriegskredite,
ohne die die Kriegsführung nicht möglich war. Es gab nur zwei Verweigerer
- zunächst der Abgeordnete Karl Liebknecht und danach kam Rosa Luxemburg dazu.
Die beiden waren später an der Gründung der KPD beteiligt.
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieg gab es eine solche Begeisterung nicht -
man wusste nach 20 Jahren noch, wie mörderisch so ein Krieg werden kann.
Heute nun sind 76 Jahre seit Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen und
es lockt die Kuh wieder aufs Eis. Die Begeisterung hat heute ein anderes
Gesicht als 1914. Sie zeigt sich in moralisch verbrämter Forderung nach
mehr und größeren Waffen für die
Ukraine. Es ist bizarr, dass ausgerechnet ein Sozialdemokrat an der
Spitze unserer Regierung bremst - nun, er würde die Prügel beziehen,
wenn im Winter die Heizung mal ein paar Wochen kalt bliebe, weil kein
russisches Gas mehr kommt und die Energie nicht mehr bezahlbar
ist. Die Eltern der Fridays-for-Future-Kids würden sich wundern, wenn
ihre Kinder sich an sechs weiteren Tagen
der Woche warmhüpfen müssten. Die humanitäre Solidarität mit der leidenden und vertriebenen
ukrainischen Bevölkerung ist eine Volksbewegung geworden - der einzige
Lichtblick. |