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20. Juni 2020
Israel-Palästina: Neues Zündeln am Pulverfass

    Corona hin, Corona her, die anderen Probleme der Welt existieren weiter und viele verschärfen sich. Die neue israelische Regierung, an deren Spitze erneut Benjamin Netanjahu steht, will zum 1. Juli die von jüdischen Siedlern im Westjordanland in Besitz genommenen Gebiete annektieren – dies im Einklang mit dem „Jahrhundertplan“ Trumps. Das Westjordanland wurde von Israel 1967 besetzt und seitdem gegen das Völkerrecht gehalten. Auf etwa einem Drittel dieses palästinensischen Gebiets entstanden in den letzten Jahren jüdische Siedlungen, die immer Anlass zu Streit und Protesten waren und zu weiterer Radikalisierung der Palästinenser führten, aber ein Teil der internationalen Öffentlichkeit hat sich inzwischen an diese Unrechtshandlungen gewöhnt. Wieder andere heißen sie sogar gut, darunter viele der evangelikalen Christen in den USA , in Europa und in Deutschland, die ohnehin jeden Expansionsschritt einer israelischen Regierung als Erfüllung einer gottgewollten Mission ansehen, die schon vor Jahrtausenden in der Bibel prophezeit worden sei.
    Zu den Beifallsklatschern Israels gehören auch Personen an der AfD-Spitze, darunter Alexander Gauland, der im Bundestag anlässlich des 70. Geburtstags Israels erklärte, dieser Staat sei aus einem einmaligen Zivilisationsbruch entstanden, "der für immer mit dem deutschen Namen verbunden bleiben wird - der Schoa." Gerade deshalb sei es richtig, "die Existenz Israels zu einem Teil unserer Staatsraison zu erklären." Damit sei die Verpflichtung verbunden, "im Ernstfall einer existenziellen Bedrohung Israels an dessen Seite zu kämpfen und zu sterben." Erfolgte Gaulands Erklärung Israels zur deutschen Staatsraison fast wortgleich mit der Erklärung Merkels, geht die Verpflichtung, unter Umständen für Israel zu sterben, noch über Merkel hinaus. Wenn Gauland erklärt, Israel sei für uns kein Staat wie jeder andere und wir dürften „dessen Führung und Methoden“ nicht „nach Herzenslust kritisieren“, ist er schon sehr nahe an der Sichtweise, die jede Israelkritik als "Antisemitismus" verteufelt. Dabei ist das Thema Israel in der AfD noch gar nicht diskutiert; noch kein Parteitag hat dazu einen Beschluss gefasst, einer der entschiedensten Israelkritiker ist aber bereits aus der Partei gesäubert.
    Zwei namhafte Juden und Israelis haben kürzlich im Berliner Tagesspiegel Stellung zu den Annexionsplänen Nethanjahus im Westjordanland Stellung genommen - es sind Shimon Stein, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland (2001 - 2007) und Moshe Zimmermann, Professor emeritus an der Hebräischen Universität Jerusalem. Sie erklären im Zusammenhang mit der Kritik an den Annexionsplänen, "dass zu erwartende Antisemitismus-Vorwürfe bloß ein perfides Mittel sind, um die Gegner des Manövers einzuschüchtern." In der geplanten Annexion sehen die beiden Autoren eine für Israel gefährliche Zuspitzung des Nahost-Konflikts, "der Splind der Handgranate ist bereits gezogen", schreiben sie in der Bildsprache, die man im Nahen Osten verstünde. "Da (...) Israels Sicherheit und Existenz (...) auf dem Spiel stehen, darf Deutschland eben wegen seiner besonderen Verantwortung gegenüber Israel nicht tatenlos zuschauen." Denn mit der Provozierung der Palästinenser und der Brüskierung der arabischen Nachbarstaaten unterminiere man die eigene Sicherheit, so erklären, kurz zusammengefasst, Stein und Zimmermann. Bei Alexander Gauland, Alice Weidel, Beatrix von Storch und anderen sollten jetzt die Ohren klingeln. Die beiden Verfasser erwarten von Deutschland dieses Mal mehr als ein "Lippenbekenntnis zur 'Zwei Staaten-Lösung'". Berlin solle den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas ermutigen, mit anderen arabischen Staaten "einen Gegenplan zum 'Jahrhundertplan' [Trumps] vorzulegen, um die Palästinenser aus der Abseitsposition zu holen, in die sie sich seit 2014 hineinmanövriert haben."
    So weitgehende Vorschläge und Forderungen muss die AfD gar nicht bringen. Es wäre schon ausreichend, sich grundsätzlich rauszuhalten und sich mit Deutschland zu beschäftigen.