www.noth.net/lueginsland/blog.htm

19. Juni 2025
Was ich im Iran gesehen habe

    Ich kenne die Nord-West-Ecke des Iran aus dem Jahre 1979. Ich besuchte dort eine einheimische Familie. Die Islamische Revolution war gerade im Gange, die bürgerlichen und linken revolutionären Vorgeplänkel noch nicht ganz abgeebbt. Der Schah Mohammad Reza Pahlavi war nicht nur das Feindbild der Islamisten, sondern auch der Bürgerlichen und Linken sowie auch der Kurden usw. Der von den USA 1956 an die Macht geputschte Schah galt als Inbegriff der der Unterdrückung und der Folter im Iran. Gegen ihn waren sich alle oppositionellen Richtungen einig.
    Anscheinend hat Revolutionsführer Ayatollah Khomeini die Lebensbedürfnisse der armen Volksmassen, der großen Mehrheit, besser befriedigt als der westlich abgehobene Kaiser Pahlavi. Und unter dem Tschador waren alle gleich: die Schönen, die Buckligen, die Armen, die Reichen. Das gefiel besonders den Unteren. Ich hatte den Eindruck, dass die Masse religiös ist und nicht von den neuen Machthabern dazu gezwungen werden musste.
    Die neueren Entwicklungen habe ich nicht so verfolgt. Ich fürchte aber, dass die jungen, schönen Kopftuch-Verweigerinnen aus höheren Schichten keine Mehrheit repräsentieren, sondern für eine Stellvertreter-Revolution missbraucht werden sollen, deren Früchte andere zu ernten gedenken. Wie gesagt, Vermutung, nicht Wissen.
    Ich war dort in der (iranisch-türkischen) Provinz West-Aserbaidschan zu Gast bei einer Familie – der Vater Professor, sehr religiös, hat täglich alle Gebete verrichtet, war aber sehr tolerant seinen Kindern gegenüber, die schließlich alle in Deutschland landeten. Die vier Kinder waren alle gegen Khomeini und mindestens drei links. Zuletzt floh die Jüngste, wurde im Winter im Schnee von kurdischen Schmugglern auf dem Pferderücken in die türkisch-kurdische Provinz Hakkari geschleust und gelangte von da auch nach Deutschland. Die iranische Azeri-Türkin lernte innerhalb von 6 Monaten fließend und weitgehend korrekt Deutsch und begann ein Chemie-Studium, machte den Doktor, bekleidete eine hohe Stellung in der Forschung und kehrte gelegentlich zu Gastvorträgen in den Iran zurück, darunter auch zu Fernsehauftritten – allerdings mit dem vorgeschriebenen Tschador.  Ich glaube, die iranische Gesellschaft ist komplizierter, als ihre geschworenen Feinde und geschworenen Freunde sie sich vorstellen.
    Ich glaube nicht, dass man im Iran die Demokratie von außen einführen kann. Die Iraner werden unter Militärschlägen zusammenrücken; sollte es doch zu einem Sturz der Mullahs kommen und prowestliche Moderne an die Macht gelangen, werden sie als Landesverräter und ausländische Marionetten angesehen werden. Als Schah-Diktatur 2.0. Vielleicht artet das Ganze aber auch in einen Weltkrieg aus.