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7. Oktober 2022
Katastrophe im Ahrtal - über ein Jahr danach

    Wir waren vor Kurzem zum Radfahren und Realität erfahren im Ahrtal. Es zeigte sich, dass über ein Jahr nach der Hochwasser-Katastrophe immer noch keine Wunder geschehen sind - ein Wunder wäre es gewesen, wenn die deutsche Herrschaft einmal entschlossen der deutschen Bevölkerung unter die Arme gegriffen hätte. Viel wird gemacht, viel wird nicht gemacht. Die Leute im Ahrtal haben sich vor allem selbst helfen müssen, niemand dort konnte warten, bis die Versicherung in die Gänge kam oder der Staat sich bequemte. Es kam viel private Hilfe von außen, ich weiß von einem Kaiserstühler Winzer, dass er seinen Kleintraktor zur Verfügung gestellt hat (manche Weingüter wurden komplett weggeschwemmt). Den vollständig verwüsteten Friedhof bei Ahrweiler hat zwar die Bundeswehr aufgeräumt; die Frau, mit der wir am Grab sprachen, meinte aber, es wäre besser gewesen, das Militär hätte geholfen, die Wohnungen aufzuräumen, in denen ein halber Meter Schlamm, vermischt mit Hausrat, stand. Teilweise ging das Wasser bis in den 1. Stock. Die 134 Flutopfer mussten in den höhergelegenen Dörfern begraben werden, wo die Schäden nicht oder nicht so groß waren.
    Vor Beginn der Katastrophe gab es dringend warnende Wetterberichte und der immer mehr anschwellende Zunami brauchte von der Ahrquelle bis an den Rhein 9 Stunden, so erfuhren wir. Viele Menschenleben hätten bei einem rechtszeitigen Alarm und Eingreifen gerettet werden können, sicher zum Beispiel auch unter den 12 Toten im Wohnheim für geistig Behinderte ganz unten in Sinzig, wo die Welle zuletzt hinkam. Auch für die dort Überlebenden ist die Katastrophe ein furchtbares Trauma. Das heraufziehende Jahrhundertunwetter wurde von den hochdotierten Leuten in den Ministerien mit Umweltministerin Anne Schäfer (Grüne) an der Spitze verschlafen; man will jetzt das unterste Glied, den Landrat, packen. Schlau, nicht wahr?
    Das ist übrigens nicht das erste große Hochwasser im Ahrtal; 1910 gab es auch eines. Nicht die meisten, aber viele Häuser sind noch nicht bewohnt. In der Ferienwohnung neben uns lebt ein Ehepaar, das immer noch mit der Instandsetzung seines Hauses kämpft. Man sieht auch Holzbarackensiedlungen - Notunterkünfte, die immer noch bewohnt sind. Die meisten der schönen alten Steinbrücken des Ahrtals wurden ganz oder teilweise weggeschwemmt; jetzt sind, wenn überhaupt, meist Metallkonstruktionen dort. Trotz der überall noch zu sehenden Schäden ist das Ahrtal sehr schön mit seinen steilen Reblagen; wir sahen hier auf so steil nach unten schauenden Rebstücken Leute beim Herbsten, das ist das reinste Abenteuer. Zu meiner Verblüffung ist der Wein des Ahrtals sehr köstlich. Gerade weil die Leute dort noch schwer zu tragen haben, ist jeder Feriengast eine Hilfe.

Nachtrag zum Eintrag vom 7. Oktober 2022:
Die Flutkatastrophe im Ahrtal forderte 134 Tote, die Verantwortlichen hatten die Bevölkerung dem Verderben überlassen, indem sie Warnhinweise ignorieren und wegschauten. Man wollte zunächst das unterste Rädchen in der Hierarchie, den Landrat (CDU), packen, aber jetzt über einem Jahr nach der Katastrophe, trat der SPD-Innenminister Roger Lewenz zurück. Zuvor hatte die Umweltministerin Anne Spiegel schon zurücktreten müssen. Auch die Polizei hat Dreck am Stecken, sie hat Beweismaterial über das Versagen des Innenministers zurückgehalten. Bei 134 Toten mit durch das Versagen ihres Apparats ist auch der Rücktritt der Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) fällig, aber man hat wohl den Innenminister geopfert, um sie aus dem Schussfeld zu nehmen.