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23. Dezember 2018
Der Spiegel lügt selbst noch bei der Beichte ...

    Habe den Spiegel bisher meist nur in Arztpraxen gelesen und degoutiert. Die jetzige Ausgabe hab ich gekauft.
    Das Blatt versucht nun, wie schon eine Figur von Münchhausen, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Es gibt etwa zu, wie die Reportage “Jaegers Grenze“ entstand. Sie besteht aus zwei Teilen:

    Ein Reporter, Juan Moreno, begleitet in Mexiko die Karawane der Einwanderer, die in die USA eindringen wollen, der andere soll auf der US-Seite “eine jener rechten und oft bewaffneten Milizen“ begleiten, “die an der Grenze auf eigene Faust etwas gegen die Einwanderer unternehmen wollen“. Claas Relotius, der Spiegel-Lügenbold, berichtet nun über einen Milizenführer, Chris Jaeger, der, wie könnte es anders sein, deutsche Vorfahren hat, nämlich aus Bayern (hätte nur noch gefehlt: Sachsen). Er jagt mit einem Scharfschützengewehr Migranten an der Grenze. Dem Koautor Moreno fallen aber Ungereimtheiten bei Relotius auf und er petzt - wohl aus Angst, mit in den Strudel gezogen zu werden, wenn die Bären auffallen, die Relotius der Redaktion und dem Leser aufbindet.  Er wird - das steht nicht im Spiegel, sondern in der Bild - mit dem Rauswurf bedroht. Schließlich akzeptiert das Blatt ihn aber als Kronzeuge bei der Reinwaschung.
    Der Spiegel lügt jedoch auch bei der Reinwaschung, indem er die tieferen Ursachen des Problems ausblendet: Schon mit der Planung des Artikels war nämlich beabsichtigt, die Realität durch selektive Wiedergabe zu verzerren. Wie das Blatt leutselig zugibt, kam nicht Relotius, sondern Matthias Geyer, dem Leiter des Gesellschaftsresorts, die Idee zu dieser Doppelreportage. Hier sollte in Spiegelmanier bei den Migranten auf die Tränendrüsen gedrückt werden - die Protagonistin in der Geschichte Morenas ist dann auch eine junge Frau mit kleiner Tochter, die in Honduras viel erlitten hat. Bei den Einwanderungsgegnern, die räächts und rabiat sind, sollte wie gewohnt ganz dick aufgetragen werden - Rotius glänzte dann aber durch Übererfüllung seines Auftrags und erfand die Geschichte frei. Es war aus höheren Etagen des Spiegels also von vorne herein geplant, die übliche politisch korrekte Sicht zuliefern, die den Scheinwerfer nur dahin richtet, wo es in das linke Weltbild passt.
    Zu der Realität würden aber auch die Verwerfungen in der us-amerikanischen Gesellschaft gehören, die durch die Einwanderung erzeugt werden. Relotius deutet sie nur am Rand an, wenn er von der drogenabhängigen Tochter seins erfundenen Trump-Fans Jaeger schreibt.

    Der Spiegel bringt es fertig, zu seiner Entlastung auch Giovanni di Lorenzo aufzufahren, Chefredakteur der Zeit, die wie der Spiegel im Dienst der politischen Korrektheit steht. Lorenzo meldet zwar Zweifel an den Spiegel-Methoden allgemein an. Er spielt das Problem aber herunter, wenn er als “den eigentlichen Schaden“ hinstellt, dass “jetzt an der Wahrhaftigkeit von Berichten gezweifelt wird, für die Leute ihr Leben einsetzen“ (gemeint sind Kriegsreporter).
    Nein, Herr Lorenzo, dass man der Zunft nun nicht mehr glaubt, ist nicht das Problem, sondern, dass die Zunft bisher in großem Maß und nicht nur mit offenen Lügen, sondern mit vielfältigen Methoden die Leser betrogen und politisch manipuliert hat.