Eichstetterisch
im
19.
Jahrhundert
Im
Band
II
der
Chronik
von
Eichstetten
haben
wir
den
Dialekt
meist
in
der
Form
betrachtet,
in
der
er
uns
heute
entgegentritt.
Im
Laufe
der
Jahrhunderte
und
Jahrzehnte
entwickelte
er
sich
dahin,
wo
er
heute
steht.
Die
vergangenen
Stufen
der
Mundart
sind
im
Allgemeinen
sehr
schwer
zu
greifen,
weil
sie
normalerweise
nicht
aufgeschrieben
wurden.
Eichstetten
befindet
sich
aber
in
der
glücklichen
Lage,
einen
Dialektdichter
hervorgebracht
zu
haben
-
einen
der
ersten
des
neuzeitlichen
Alemannischen
überhaupt.
Johann
Peter
Hebel
brachte
seine
Alemannischen
Gedichte
1802
heraus.
Diese
Gedichte
wurden,
entgegen
Hebels
Erwartung,
schnell
weit
bekannt
und
sehr
beliebt,
selbst
Goethe
schrieb
eine
begeisterte
Rezension
dieser
Gedichte.
In
den
evangelischen
Gemeinden
muß
dieser
Ruhm
des
1806
zum
„großherzoglich-badischen
Kirchenrath“
berufenen
Hebel
besonders
gegolten
haben.
Hebel
hatte
1802
im
Vorwort
zu
seinen
Gedichten
davon
gesprochen,
daß
selbst
„Einheimische
...
in
der
Sprache
ihrer
Landsleute
nur
eine
Entstellung
und
Mißhandlung
des
gutdeutschen
Ausdrucks
finden.“
Diese
so
verkannte
Sprache
aufzuschreiben
war
daher
ganz
ungewöhnlich.
Dies
wird
in
Eichstetten
nicht
anders
als
im
Wiesental
und
in
Basel
gewesen
sein.
Durch
den
Erfolg
des
Kirchenrats
dürfte
aber
ein
alteingesessener
Eichstetter
ermutigt
worden
sein,
Gedichte
in
örtlicher
Mundart
zu
schreiben.
Dieser
Mann
hieß
Andreas
Moritz.
Er
wurde
1768
geboren
und
war
ein
Urenkel
des
Dorfpropheten
Benedikt
Kunz.
Dieser
Urgroßvater
kam
aus
dem
Bernbiet
nach
Eichstetten,
vielleicht
auch
die
Urgroßmutter
Margarete
Ringler.
Weitere
drei
Urgroßeltern
sind
in
Eichstetten
geboren,
bei
einer
ist
der
Geburtsort
nicht
bekannt.
Nur
zwei
Urgroßeltern
lebten
nie
in
Eistett,
sondern
in
Malterdingen.
Johann
Thomas
Herzog,
Großvater
von
Moritz,
zog
von
dort
zu.[i]
Damit
ist
Moritz
Eichstetter
Urgestein
und
wird
das
Dorf
auch
sprachlich
repräsentieren.
Von
diesem
Schuhmacher
und
Dichter
sind
noch
10
alemannische
Gedichte
überliefert,
und
zwar
durch
Wilhelm
Frégonneau
und
Pfarrer
Ernst
Issel.[ii]
Drei
der
alemannischen
Gedichte
sind
datiert;
das
früheste
um
1814,
eines
um
1820,
das
dritte
um
1822.
Damit
ist
der
Mindestzeitraum
abgesteckt,
in
dem
Moritz
schrieb.
Moritz
schrieb
und
dichtete
auch
hochdeutsch
-
er
beherrschte
das
Amtsdeutsch
tadellos,
zumindest
beim
Schreiben
-
damals
durchaus
nichts
Selbstverständliches.
Manchmal
schlägt
das
Hochdeutsche
auch
in
seinen
Gedichten
durch.
Um
so
sicherer
dürfen
wir
sagen,
daß
er
Dialekt
nicht
mangels
anderer
Möglichkeit
schrieb,
sondern
er
entschied
sich
positiv,
aus
einer
Wertschätzung
heraus,
dafür.
Der
Schuhmacher
verstarb
1831,
der
Dichter
lebt
durch
sein
Werk
weiter.
Die
Behandlung
der
Gedichte
durch
Frégonneau
1871
in
seinem
handschriftlichen
Buch
über
Eichstetten
läßt
erkennen,
daß
ihnen
auch
damals
noch
ein
gewisser
Wert
beigemessen
wurde.
Er
stellt
sie
einigen
weiteren,
hochdeutschen
Gedichten
des
Schusters
voraus;
die
Niederschrift
von
Frégonneau
ist
sorgfältig
und
vermutlich
nahe
an
den
Originalen
von
Moritz.
Die
Gedichte
zeichnen
sich,
so
Frégonneau,
„theils
durch
einen
unverwüstlichen
Humor,
theils
aber
auch
durch
ein
tief
religiöses
Gefühl
aus.“
Pfarrer
Issel
berichtet
in
seiner
1906
im
Druck
erschienenen
Eichstetter
Chronik:
„Eine
Reihe
von
Gedichten
sind
theils
handschriftlich,
theils
im
Druck
als
Zeitungsabschnitte
vorhanden.
Das
Humoristische
gelingt
ihm
am
besten;
doch
hat
er
auch
Ernstes
gedichtet.“
Wir
stehen
nun
vor
der
Aufgabe,
zu
beurteilen,
wie
treu
die
Gedichte
von
Moritz
die
wirklich
gesprochene
Mundart
widerspiegeln.
Wenn
man
die
Verse
mit
der
heutigen
Mundart
vergleicht,
fällt
ein
noch
stärkerer
Markgräflerischer,
mithin
Schweizerischer
Einschlag
auf,
als
ihn
der
Dialekt
heute
hat.
Immerhin
hatte
Moritz
Vorfahren
aus
der
Schweiz.
Aber
hat
das
Dorf,
oder
wenigstens
die
Familie
von
Moritz,
um
1820
wirklich
so
gesprochen?
Moritz
schreibt,
nach
Frégonneaus
Niederschrift
zu
urteilen,
verschiedene
Laute
genau
so,
wie
sie
in
der
Oberen
Markgrafschaft,
also
im
Raum
Lörrach-Schopfheim,
aber
auch
in
der
Schweiz,
gesprochen
werden.
Beispiel:
E Schlang hebb’s Evli b’redt, Sell isch e alti Sag! Doch mengi Schlang, im Bett Verfüehrt no hüt zu Dag.[iii] |
Eine
Schlange
habe
das
Evchen
beredet,
Das ist eine alte Sage! Doch manche Schlange im Bett Verführt noch heutzutage. |
Dieses verfüehrt lautet heute vrfeáhrd, hüt lautet hid. In ähnlicher Weise schreibt er auch süeß (heute: seáß), müed (meád), Trüebsal (Dreábsaal), fülle (fille), mügli (heute manchmal noch: miiglig = möglich, meist schon meeglig) und viele andere. Wo er üe schreibt, sagt man heute eá, seinem ü entspricht heutiges i. Hat man in Eichstetten zu Moritz’ Zeiten wirklich so gesprochen, wie der Schuhmacher schreibt?
Das Lesen der Lautschriftzeichen
Über
seinen
Urgroßvater,
den
Dorfprophet
Kuenz,
schreibt
Moritz:
Erscht wuh di Geischt kei Körber meh bilebt, Wird g’frogt no dir; Erscht wuh di Staub in Lüfte schwebt, Kunsch du der Welt vernünftig für.[iv] |
Erst
jetzt,
wo
dein
Geist
keinen
Körper
mehr
belebt,
Wird gefragt nach dir; Erst wo dein Staub in Lüften schwebt, Kommst du der Welt vernünftig vor. |
Der
Schuhmacher
reimt
hier
dir
und
für
-
da
er
normalerweise
recht
saubere
Reime
macht,
darf
man
annehmen,
daß
er
auch
hier
sich
nicht
verhauen
hat,
sondern
*diir
und
*fiir
liest.
(Wir
schreiben
die
Wörter,
die
wir
so
nicht
gelesen
oder
gehört,
sondern
erschlossen
haben,
mit
Sternchen.)
Ein
solches
fiir
(=
vor)
hört
man
auch
heute
noch
in
fiiri
(nach
vorn),
firschi
(vorwärts),
seltener
in
firrnámm
(vornehm).
Man
wird
wohl
auch
sein
Lüfte
als
Lifde
(das
ist
eher
hochdeutsch
als
Dialekt)
und
vernünftig
als
vernimfdig
lesen
müssen.
Moritz
ist
sehr
konsequent,
Abweichungen
von
seiner
normalen
Schreibung
gibt
es
kaum.
Eine
der
wenigen
ist
hihle
(weinen)
-
man
würde
„hühle“
erwarten.
[v]
Sein
„hühle“
kommt
in
einem
anderen
Gedicht[vi]
tatsächlich
als
hühle
vor
-
er
reimt
es
aber
auf
ziele.
Wir
müssen
daraus
schließen:
Da,
wo
Moritz
ü
schrieb,
las
er
i
-
und
wir
dürfen
und
sollten
es
auch.
Beispielsweise
sein
„Künigi“[vii]
(Königin)
ist
Ghinnigi
zu
lesen
-
so,
wie
man
es
heute
noch
sagt.
Auch
für
die
wirkliche
Aussprache
seines
üe
findet
sich
in
einem
Reimpaar
ein
Beleg:
grüeßt
(gegrüßt)
steht
neben
g’nießt
(genießt)
-
es
ist
als
greáßd
und
gneáßd
zu
lesen.
Im
gleichen
Gedicht
weiter
unten
schreibt
er
gleich
„grieße“
(grüßen)
und
reimt
es
auf
„Wiese“.[viii]
(Eigentlich
sagt
man
zwischen
Hochschwarzwald
und
Vogesen
und
im
Süden
bis
ins
Wallis
„Matte“
für
Wiese.)
In
gewissen
Wörtern,
wo
man
in
Eichstetten
heute
e
hat,
schreibt
Moritz
ö:
so
im
Gedicht
Dr
Rupp
schön
(scheen).
Für
Ghärber
schreibt
er
Körber
(siehe
oben).
Im
„Rupp“
schreibt
er
auch:
I
könnt
si
Fürbild
si.
Auch
hier
verrät
ein
Reim,
daß
wohl
e
gesprochen
wurde.[ix]
Wir
dürfen
also
lesen:
I
ghennd
si
Fiirbild
sii.
Nicht
anders
ist
es
beim
eu
des
Dichters:
man
findet
neu,
reue,
freut
usw.
vor,
im
Reim
steht
dem
eu
aber
ei
gegenüber
-
so
in
reue
-
kneie
(räije
-
gnäije),
freut
-
keit
(fráid
-
ghäid).[x]
(kneie
=
knien,
keit
=
gefallen).
Eichstetterisch
im
Briefwechsel
der
Horneckers
Wir
meinen,
nun
die
wirkliche
Aussprache
der
besprochenen
Schreibungen
von
Moritz
erschlossen
zu
haben.
Wenn
es
nach
diesen
Erörterungen
noch
eines
Beweises
bedürfte,
wäre
dieser
leicht
aus
den
Briefen
beizubringen,
die
von
der
Familie
Hornecker
erhalten
sind.
Bei
dieser
Familie
handelt
es
sich
ebenfalls
um
Eichstetter
Urgestein,
die
Urgroßeltern
sind
alle
in
Eichstetten
geboren,
nur
eine
Uroma
kam
aus
Bötzingen.[xi]
Der
Waisenrichter,
Gemeinderat
und
Säcklermeister
Johann
Georg
Hornecker
und
seine
Frau
Maria
Magdalena
(geb.
Jößlin)
schrieben
zwischen
1838
und
1850
etliche
Briefe
an
ihre
Söhne.[xii]
Sie
wimmeln
von
Alemannismen,
genauer:
von
Eichstetter
Eigenheiten.
Die
Horneckers
wollen
Hochdeutsch
schreiben,
es
gelingt
ihnen
aber
weit
schlechter
als
zwanzig
und
mehr
Jahre
zuvor
dem
Andreas
Moritz.
„Schreibe
du
Uns
Vor
oder
Nach
den
Feuertagen,
wen
du
wolest,
wen
du
alles
in
Ornüng
bekommst,
wir
grüßen
dich
freundlich
...“
heißt
es
1841.
Feuertage
(Fiirdig),
Ornüng
(Ordnig)
-
mit
dem
hochdeutschen
eu
und
dem
ü
haben
der
Säckler
und
seine
Frau
Probleme
-
warum
wohl?
Weil
es
ein
eu
in
der
angestammten
Sprache
der
Eichstetter
damals
so
wenig
wie
heute
gab,
ebensowenig
gab
und
gibt
es
ein
ü
an
der
Stelle,
wo
das
Hochdeutsche
es
hat.
Man
ist
sich
-
wie
die
hiesigen
Schulkinder
noch
vor
wenigen
Jahren,
ja,
manchmal
heute
noch,
nicht
sicher,
wo
eu
und
ü
hinkommen.
Bei
Feuertage
kam
erschwerend
hinzu,
daß
Feuer
und
Feier
im
Dialekt
gleich
heißen:
Fiir.
1844
lesen
wir:
„Die
Reise
durchs
Münsterthal
ist
merkwirtiger
als
über
der
Hauenstein,
den
da
hat
es
ungeheiere
Steinfelsen.
...
Die
Kornerntte
ist
auch
vorbei
und
ist
ganz
reichlich
ausgefallen,
nur
hette
die
Wüterung
etwas
besser
sein
können.
Die
anderen
Früchten
stöhn
auch
schöhn,
nur
hat
man
jetz
halber
Furcht
wegen
der
nassen
Wieterung.“
„Merkwirtig“,
„Wüterung“
und
„Wieterung“
-
wieder
Probleme
mit
i
und
ü.
„Schöhn“
(scheen)
als
Vorbild
für
„stöhn“
(schdehn)
-
man
hat
geschlossen:
wenn
scheen
„schöhn“
heißt,
muß
schdehn
„stöhn“
heißen.[xiii]
Im
selben
Brief
heißt
es
auch
„...
ein
klein
wönig
helfen
...“
und
„anköhren“.
Man
nennt
dieses
Darüberhinausschießen
wie
in
Ornüng,
Wüterung,
wönig
usw.
„hyperkorrekte
Schreibung“.
Nicht
hyperkorrekt,
sondern
ganz
nah
am
Eichstetterischen
sind
die
unterstrichenen
Wörter:
1845:
„...
es
griest
dich
deine
Eltern...“.
1846:
„Mir
Grüsen
dich
Herzlich
...“;
„Glück
zum
neien
Jahr
...“;
„...
es
seien
dort
nur
Uhrenmacher
u.
fil
deitsche
u.
sprechen
nicht
gut
französchis
...“.
„Deitsch“
ist
die
typische
kaiserstühlerische
Verhochdeutschung
von
didsch;
ähnlich
gebildet
ist
Leit
(Lid).
1848:
„...
mir
haben
ja
doch
nur
Fremdeleite
um
uns
...“
1849:
„...
die
Preisen
haben
wohl
lehre
Faß
getrunken
aber
nichts
davier
bezahlt
...“;
„Herr
Lehrer
Spohn
in
Lerach
...“;
1850:
„...
Kriegszustandt
...
die
Heger
Hiete
zu
tragen
verboten
...“.
Das
ie
in
„griest“
und
in
„Heger
Hiete“
(Heckerhüte)
ist
eá
zu
lesen.
Die
Abweichungen
zum
Eichstetterischen
hin
in
den
Briefen
der
Horneckers
sind
unbeabsichtigt
-
außer
im
ältesten
Stück
der
Sammlung.
1838
schreibt
ein
A.
Meyer
nach
Schopfheim
an
Martin
Hornecker,
einen
Sohn
des
Säcklers:
„...
deine
Mutter
steht
neben
mir
u.
dictiert:
‘Ob
es
so
ark
gsi
isch
wege
den
8
Tage
Ferien,
wo
er
noch
hätt
könne
do
sy?’
...
Deine
Mutter
dictiert
weiter:
‘Schribe
si:
deine
Eltern
sin
au
uf
der
(??)
gisi
u.
hen
ne
Fischkasroll
gekauft,
damit
sie
deine
silbernen
Löffel
aufheben
kennen
...“
Einmal
könne,
einmal
kennen
-
die
Mutter
wird
wohl
ghenne
gesagt
haben.
Im
Lautlichen,
so
zeigen
diese
wenigen,
aus
einer
großen
Zahl
ausgewählten
Beispiele,
war
das
Eichstetterische
20,
30
Jahre
nach
Moritz
durchaus
auf
dem
Stand,
auf
dem
es
heute
noch
ist.
Es
wird
wohl
schon
zu
Moritz’
Zeiten
so
gewesen
sein.
Bevor
wir
zu
ihm
zurückkehren,
noch
eine
kleine
Lese
spezieller
Dialektwörter
aus
den
Briefen
der
Horneckers:
1841:
„...
die
bonen
sind
bei
den
Krügen
im
Kraten
...“
(Grade
=
heute:
spezieller
Korb
zum
Kirschen-Pflücken).
1845:
„...
wir
haben
wirglich
vil
Feldarbeiten
...“
(wirglig
=
zur
Zeit)
1846:
„...
ein
Essen
wo
Göttin
und
Gottinnen
dabei
gewäsen
sind,
Herr
Pfarr
und
die
Lehrer
...“
(d
Geddi
un
d
Goddine
=
die
Patenonkel
und
die
Patentanten;
Bfaar
sagt
man
noch
in
einigen
Kaiserstuhlorten,
in
Eichstetten
heute
Bfaarer
-
in
den
Briefen
drei
mal
als
„Pfahrer“
belegt.);
„Es
blangert
uns
bis
wir
dich
wieder
einmal
in
unserer
Mitte
sehen.“
(s
blangered
uns
=
wir
warten
sehnsüchtig
(darauf))
1847:
„Hochzeiter“
(Hochzider
=
Bräutigam)
1849:
„...
Holz
nach
Hause
zu
schaffen,
was
Taugen
gäben
sol.“
(Dúúge
-
Dauben,
Bretter
fürs
Faß)
1849:
„...
man
mangelt
der
Großherzog
nicht
...“
(mer
hed
di
gmangled
-
man
hat
dich
vermißt,
du
hast
uns
gefehlt).
Eichstetter
Brocken
bei
Andreas
Moritz
Die
Frage
ist
nun,
warum
Andreas
Moritz
sich
beim
Schreiben
ans
Obere
Markgräflerische
(und
damit
automatisch
an
das
ähnlich
gelautete
Schweizerische)
angelehnt
hat.
Das
Vorbild
von
Hebel
hat
da
sicher
eine
Rolle
gespielt
-
Moritz
schreibt,
der
Überlieferung
von
Frégonneau
zufolge,
auch
wie
Hebel
ue
für
den
Laut,
der
in
Eichstetten
öe
klingt
(„dueth“
(tut)
für
döed,
„Schuesterei“
für
Schöeschderäi
usw.)
Im
Druck
(Chronik
Issel)
sind
auch
üe
und
ue
weitgehend
getilgt:
Dort
heißt
es
„duht“
(tut),
„Schusterei“
usw.,
statt
„vergnüegt“
steht
„vergnügt“,
an
Stelle
von
„zuckersüeß“
lesen
wir
„zuckersüß“
usw.
Die
stärkere
Verhochdeutschung
der
Gedichte
bei
Issel
dürfte
an
einer
Bearbeitung
durch
Issel
selbst
oder
durch
den
Setzer
liegen.[xiv]
Der
Grund
für
die
vom
Eichstetterischen
wohl
auch
damals
abweichende
Schreibung
von
Moritz
könnte
sein:
Es
ist
so
vom
Hochdeutschen
aus
gesehen
leichter
zu
lesen
und
zu
verstehen.
Moritz
hat
wohl
auch
auf
Leser
außerhalb
von
Eichstetten
abgezielt.
Das
scheint
ihm
gelungen
zu
sein,
wenn,
wie
Issel
berichtet,
auch
Gedichte
in
Zeitungen
erschienen
sind.
Wenn
aber
Moritz
nahe
am
Hochdeutschen
sein
will,
so
fallen
einige
schwere
Brocken,
aber
auch
einige
unauffällige
Wortteile
in
seinen
Gedichten
besonders
auf,
die
vom
Hochdeutschen
her
unverständlich
sind.
In
der
Aufzeichnung
von
Frégonneau
sind
diese
Wörter
meist
durch
Fußnoten
übersetzt
-
vielleicht
stammen
sie
von
Moritz
selbst.
Sicher
ist
aber,
daß
Frégonneau
mitdachte
-
er
macht
auch
Bemerkungen,
die
nicht
von
Moritz
sein
können.
Beim
Bestreben
von
Moritz,
verständlich
zu
sein,
darf
man
die
schwierigen
Mocken
für
echtes
Eichstetterisch
halten.
Er
wird
nicht
Wörter,
die
weder
die
„Hochdeutschen“
noch
die
Eichstetter
kennen,
in
seine
Gedichte
eingebaut
haben.
Diesen
Eistetter
Möcken
wenden
wir
uns
jetzt
zu.
Ár
meách:
Über
seinen
Urgroßvater
Benedikt
Kunz
hören
wir
von
Moritz
weiter:
Einscht het mer dich verachtet un verkennt; Doch lebdisch 1) no, Wursch 2) überall der Klüegschti g’nennt, Mer ließ di nit verächtli stoh. 1) lebtisch = lebtest du; 2) Wursch = würdest du |
Einst
hat
man
dich
verachtet
und
verkannt;
Doch lebtest du noch, würdest du überall der Klügste genannt, man ließe dich nicht verächtlich stehen. |
Die
Wörter
mit
Fußnote
-
von
Frégonneau
ans
Ende
des
Gedichts
geschrieben
und
übersetzt
-
waren
also
damals
schon
nicht
jedermann
(außerhalb
Eichstettens)
bekannt.
Es
handelt
sich
um
Konjunktiv-II-Formen
(Möglichkeitsformen).
Sie
wurden
vermutlich
*lábdisch,
*wuursch
gesprochen,
auch
*leáß
(ließe)
gehört
zu
diesem
Typ.
Einmal
schreibt
Moritz:
„Er
müech
der
Keller
zue“[xv]
(das
muß
*meách
ausgesprochen
worden
sein)
-
er
würde
den
Keller
zumachen.
Von
der
Nachtigall
schreibt
Moritz:
O könnt i ihr Stückli! Sell wer mer e Freid I
singd
is
in
Freide,
i
pfifft
is
in
Leid.[xvi] |
O
könnte
ich
ihr
Stücklein!
Das
wäre
mir
eine
Freude
Ich sänge es in Freude, ich pfiffe es in Leid. |
Hier schreibt Moritz - zutreffender - „Freid“ (gewöhnlich aber „Freud“). „Könnt i“ (*ghenndi) und „wer“ (*wáár) verstehen sich von selbst, „i singd is“ und „i pfifft is“ sind wieder alte Formen. Dieses "is" könnte man mit "uns" übersetzen, also "ich sänge uns". Aber wir werden es wohl als *i sigdi-s und *i bfiffdi-s interpretieren müssen - das oben zitierte "labdisch" heißt in der dritten Person nämlich auch ziemlich sicher *lábdi.
Und
jetzt
kommt
die
Sensation:
Diese
Formen
sind
im
Breisgau
eigentlich
ausgestorben,
lediglich
im
südlichen
Markgräflerland
und
in
der
Schweiz
hört
man
sie
noch.[xvii]
Zu
meiner
Verblüffung
kannten
meine
Eichstetter
Gewährsleute
einige
davon
noch,
ja,
sie
gebrauchen
sie
noch,
wenn
auch
zum
Teil
sehr
selten.
Als
Anwendungsbeispiele
nannten
sie:
I
leáß
d
Heáhner
rús,
wánn-i
nid
Angschd
hádd,
si
schisse
mer
im
Hoof
rum.
(Ich
würde
die
Hühner
herauslassen,
wenn
ich
nicht
Angst
hätte,
sie
verdrecken
den
Hof.)
Ár
meáchs,
wánner
drzid
hádd.
(Er
würde
es
machen,
wenn
er
Zeit
hätte.)
Wánn
dr
di
halde
deedsch,
lábdisch
gsinder,
no
wáárs
dr
wehler.
(Wenn
du
dich
hieltest,
lebtest
du
gesünder,
dann
wäre
es
dir
wohler.)
Dr
wuursch
di
vrlúschdere!
(Du
würdest
eine
böse
Überraschung
erleben!)
Dá
wuur
sich
vrlúschdere!
(Der
würde
sich
umschauen!)
Häufiger
sagt
man
heute
-
und
die
Jungen
sagen
so
durchweg
-
dú
deedsch
(für
dú
wuursch
=
würdest),
ich
deed
mache
(für
i
meách),
dú
deedsch
lááwe
(für
dú
lábdisch).
Das
„I
wott
es
nehm
en
End’“[xviii]
(ich
wollte,
es
nähme
ein
Ende)
von
Moritz
ist
in
Eichstetten
und
vielen
anderen
Dörfern
noch
gängig
als
i
wodd,
s
náhm
á
Ánd.
Auch
im
Hochdeutschen
ist
der
Konjunktiv-II
im
Schwinden,
„ich
sänge“
und
viele
andere
sind
nur
noch
bei
sehr
gehobenem,
fast
gekünsteltem
Sprachgebrauch
üblich.
Wir
hörten
weiter
oben:
„E
Schlang
hebb’s
Evli
b’redt.“
Eine
Schlange
habe
also
das
Evchen
beschwatzt.
Hier
haben
wir
den
Konjunktiv
I,
eine
Form,
die
beim
Weitererzählen
gebraucht
wird.
In
Eichstetten
sind
heute
noch
ár
heb
oder
ár
heeb
(er
habe),
mir
hewe
oder
heewe
(wir
hätten),
ár
däi
(er
tue)
und
ár
säi
(er
sei)
gängig.
Bei
Moritz
findet
sich
noch:
„Mi
Mann
meint,
s
kum
vum
Hihle
her“
(es
komme
vom
Weinen
her
-
wohl
*ghumm
gesprochen).
Heute
würde
man
sagen:
Mi
Mann
máind,
s
däi
vum
Hiile
háár
ghumme
oder:
ár
máind,
s
gheem
vum
Hiile
oder
sogar
nur:
ár
máind,
s
ghunnd
vum
Hiile.
Am
häufigsten
findet
der
Konjuktiv
sich
ohne
einleitenden
Hauptsatz:
Si
däije
schbridze
(ich
habe
gehört,
sie
würden
spritzen
(Schädlingsbekämpfung)).
Dú
hebsch
di
ufgreggd
(es
wird
erzählt,
du
hättest
dich
aufgeregt)
usw.
Doch
auch
dieser
Gebrauch
geht
zurück.
Die
Konjunktiv-I-Formen
sind
im
Schwinden
-
im
Dialekt
wie
in
der
Standardsprache.
Damit
geht
ein
Stück
sprachliche
Sorgfalt
-
eng
verwoben
mit
Sorgfalt
des
Denkens
-
verloren:
es
ist
halt
ein
Unterschied,
ob
einer
Geld
hat
oder
habe:
Dr
Schadz
vu-nere
heb
verzelld,
ár
heb
á
Húffe
Gáld.
(Ihr
Freund
(„der
Geliebte
von
ihr“)
habe
erzählt,
er
habe
einen
Haufen
Geld.)
Hier
ist
die
gebotene
Vorsicht
schon
durch
den
sprachlichen
Ausdruck
signalisiert,
anders,
als
wenn
es
heute
vielleicht
heißt:
Ihre
Fräind
hed
vrzelld,
ár
hed
á
Húffe
Gáld.
Amtsbifehl:
Moritz
schreibt
die
Vorsilbe,
die
heute
be-
lautet,
als
„bi-“,
so
wenn
er
sagt:
Kunnt Amtsbifehl uf Amtsbifehl, So lugt der Schuldner grus un scheel.[xix] |
Kommt
Amtsbefehl
auf
Amtsbefehl,
So schaut der Schuldner graus und scheel. |
In
zwei
Gedichten
kommt
„bilebt“
bzw.
„bilebe“
vor
-
man
sagt
heute
belábbd
und
belááwe
(belebt;
beleben).[xx]
Das
einzige
Wort
im
Breisgau,
in
dem
noch
ein
bi-
erhalten
ist,
ist
bighumme
-
dies
ist
aber
in
Eichstetten
kaum
gängig,
man
sagt
hier
greáge
(bekommen,
kriegen).
In
der
Markgrafschaft
hört
man
bi-
noch
häufig
-
je
näher
an
die
Schweiz,
desto
mehr.
I
láuf
wáidli:
Moritz
erzählt
von
einer
Frau,
die
zum
Arzt
ging.
Dessen
Diagnose:
Sie
trinkt
zuviel.
Was
würde
passieren,
wenn
ihr
Mann
es
erführe?
„Er
müech
der
Keller
zue“,
sagt
die
Frau
-
er
würde
den
Keller
zumachen.
Dann
sagt
sie:
Zuer Vorsicht will i weidli noh, die große Hääfe fülle goh.[xxi] |
Zur
Vorsicht
will
ich
schnell
noch
die großen Töpfe füllen gehen. |
Sie
will
also
noch
schnell
(wáidli)
go
die
großen
Töpfe
fülle
goh
-
dieses
weidli
ist
fast
ausgestorben,
es
ist
nur
noch
in
der
Redewendung:
ár
heerd
nid
göed,
ár
siihd
ni
göed,
ár
ghaa
nid
wáidli
láufe
in
Erinnerung.
Die
zahlreichen
-li
von
Moritz
lauten
heute
-lig
-
also
verächtli
>
vráchdlig,
mügli
>
miiglig
oder
meeglig,
natürli
>
nadiirlig,
wirkli
>
wirglig
(zur
Zeit),
friendli
>
fräindlig
(aus
Moritz’
„Frind“
ist
inzwischen
Fräind
geworden),
christli
>
grischdlig,
ordli
>
oodlig,
oordlig
oder
ordendlig
usw.
Nur
einmal
ist
die
heute
am
Kaiserstuhl
vorherrschende
Form
mit
-lig
zu
finden.
In
einem
„seiner
Exdellenz
Hr.
Minister
v.
Andlau“
gewidmeten
Gedicht
schreibt
Moritz:
E müede Schritt soll mi nit reue Uf Sankt Katherine Schöne Berg, Dert will i freilig niederkneie Der Schöpfer griße un si Werk.[xxii] |
Ein
müder
Schritt
soll
mich
nicht
reuen
Auf Sankt Katarinen schönen Berg, dort will ich freilich niederknien, Den Schöpfer grüßen und sein Werk. |
In
diesem
Gedicht,
das
er
dem
hohen
Herrn
bei
einem
Besuch
vielleicht
sogar
überreicht
hat,
kommt
es
häufig
zu
Abweichungen
zum
Hochdeutschen.
Vielleicht
wurde
das
„freilig“
mit
g
als
näher
beim
Hochdeutschen
liegend
und
verständlicher
empfunden
(zu
erwarten
wäre
*friili
gewesen).
Wenn
auch
*oordli
usw.
damals
die
Normalform
gewesen
sein
muß,
war
das
g
in
der
gebeugten
Form
sehr
wahrscheinlich
präsent:
*á
oordligi
Fráu.[xxiii]
Auch
das
Alemannische
hatte
im
Hochmittelalter
noch
die
Endung
-lich.
Mit
dem
Verschwinden
von
-ch
in
-lich
geht
auch
der
Abfall
von
-ch
an
ich,
mich,
dich
und
sich
sowie
durch
und
noch
einher
-
es
heißt
daher
im
Dialekt
i,
mi,
di,
dur
und
no,
ein
si
im
Sinne
von
sich
ist
nicht
mehr
gängig.
Moritz
schreibt
noch
grundsätzlich
i
für
ich,
si
für
sich
usw.
Auch
1887,
im
Eichstetter
Antwortbogen
für
den
Deutschen
Sprachatlas,
heißt
es
noch
grundsätzlich
so.
Heute
kann
man
durchaus
Formen
mit
-ch
hören,
bei
Jungen
sind
sie
vielleicht
sogar
die
Regel.
Das
i
wodd
nomool
dur
d
Rááwe
goh
der
Alten
heißt
dann
ich
wodd
noch
emool
durch
d
Rääbe
goh
oder
ähnlich.
Am
häufigsten
ist
i
noch
in
der
Nachstellung
(nach
dem
Zeitwort/Verb)
erhalten:
Des
wodd-i
gsáhne
haa!
(„Das
wollte
ich
gesehen
haben!“,
das
glaube
ich
nicht
recht!)
Auch:
Des
wodd-i
gsáh
haa.
weger:
Moritz
schreibt
in
einem
Gedicht:
„Nei
schöner’s
ka
weger
uf
Erde
nit
si!“
und
in
einem
anderen:
„S’isch
weger
na
kei
Kleinigkeit,
/
E
Vogt
het
wenig
reini
Freud.“[xxiv]
Hebel
hat
dieses
weger
in
seiner
Wörterliste
mit
wahrlich
übersetzt.
*wááger
ist
im
Breisgau
weit
und
breit
nicht
mehr
zu
hören,
wenn
es
jemals
allgemein
verbreitet
war.
iini
goh:
Moritz
schreibt
einmal
neben
ni
auch
ini
-
dieses
ini
war
in
Eichstetten
gewiß
einmal
gängig
-
man
sagt
heute
noch
zu
den
Hühnern
iini!
iini!,
wenn
sie
in
den
Stall
sollen.
Ein
Gewährsmann
erinnert
sich,
daß
sein
Vater
zur
Katze,
wenn
sie
hinaus
sollte,
noch
úsi
sagte.
Die
in
der
unteren
Markgrafschaft
gängigen
Formen
iini,
úúsi,
aabi,
uffi
usw.
könnten
auch
einmal
am
Kaiserstuhl
verbreitet
gewesen
sein.
In
der
oberen
Markgrafschaft
sagt
man
iine,
úúse,
aabe
usw.
Heute
heißen
die
Richtungsfürwörter
in
Eichstetten
nii,
rii,
nús,
rús,
nuf,
ruf,
naa
(hinunter),
raa
(herunter),
hii
(hin)
und
aani
(hin),
hinderi
(nach
hinten),
viiri
(nah
vorn),
underi
(hinunter),
riiwer
(herüber),
niiwer
(hinüber)
und,
eigentlich
nur
zur
Kuh,
wenn
sie
hinüber
gehen
soll
(Platz
für
den
Melker
machen
soll):
gang
num!
Dies
num
heißt
im
Oberland
umme.
Dr Rúbb: „I’bin e arme Rupp / E’Wurm, e Erdegrupp ...“ - über diesen Gedichtanfang bin ich gestolpert, für Nicht-Eichstetter ist er nicht auf den ersten Blick verständlich. „Erdegrupp“ übersetzt Moritz bzw. Frégonneau mit „einer der an der Erde herumkriecht, ein eigenthümlicher Ausdruck des Kaiserstuhls“. Karl Schmidt hält auch eine Herkunft des Wortes Grupp aus grubbere (graben) für möglich.
„Der
Rupp“
(so
lautet
die
Überschrift)
und
„e
arme
Rupp“
ist
wiederum
eine
kleine
Sensation.
Alle
Tiernamen
in
Eichstetten,
die
ein
weibliches
End-’e’
haben
können,
haben
es
auch,
also
z
B.
d
Forálle
(die
Forelle),
d
Áágerschde
(die
Elster),
d
Oomáise
(die
Ameise)
und
weitere,
oben
schon
erwähnte.
Alle?
Es
gibt
Ausnahmen,
so
dr
Rúbb
(die
Raupe).
Dieses
Tierchen
müßte
in
Eichstetten,
wenn
es
nach
der
Regel
ginge,
eigentlich
„d
Rúwe“
heißen.
Aber
warum
ist
dieser
Wurm
bei
Moritz
und
heute
noch
im
Sprachgebrauch
der
Alten
männlich?
Zwei
Tierlein,
die
von
den
Senioren
heute
noch
dr
Schnágg
und
dr
Zágg
genannt
werden,
führen
uns
auf
die
Spur.
Dem
Moritz
sein
Rúbb
ist
ein
Wort
vom
gleichen
Typ
wie
der
alte
Schnágg
und
Zágg.
Sie
sind
männlich
un
e-los.
Heute
sagen
die
Jungen
-
nahe
am
Hochdeutschen
-
d
Schnägge
und
d
Zägge,
beide
weiblich.
Es
gibt
noch
einen
vierten
im
Bunde:
dr
Grabb.
Bei
ihm,
dem
Raben,
empfinden
Dialektunkundige
die
Männlichkeit
jedoch
nicht
als
ungewöhnlich.
Für
„e
arme
Rupp“
-
sowohl
Frégonneau
als
auch
Issel
schreiben
es
so
-
sagt
man
heute
noch
á
aarme
Rúbb.
Dementsprechend
heißt
es
auch
göede
Wii
(guter
Wein),
e
beese
Böe
(ein
böser
Junge)
usw.
-
immer
ohne
-r,
wie
häufig
am
Kaiserstuhl.
Fürwörter
wie
sáller
haben
hingegen
-r:
sáller
derd
(der
da),
sáller
aarm
Drobf
(jener
arme
Tropf),
auch:
áiner,
jeeder,
weller
(welcher)
usw.
S
Mariili:
Moritz
erzählt:
„E
Schlang
hebb’s
Evli
b’redt
...“
Er
schreibt
hier
e
Schlang
ohne
End-e,
wie
vier
meiner
fünf
Gewährsleute
es
auch
sagen.
Eine
weitere
Ausnahme
also.
Aber
„s
Evli“,
sächliche
Vornamen
von
Frauen,
gibt
es
z’
Eistett
doch
nicht?
Die
Gewährsleute
sagten
erst
einmal
nein.
Aber
dann
erinnerte
man
sich
doch
an
den
einen
oder
anderen
Fall,
zum
Beispiiel
s
Leáchd
Mariili,
eine
Frau,
die
die
Stromgebühren
eingezogen
hat,
es
gab
und
gibt
auch
andere
Mariili.
S
Mäili
in
dr
Ghinzge
hieß
eigentlich
d
Annemäi
(Annemarie).
Und
s
Emiili
wird
heute
noch
so
genannt,
weil
man
diese
Form
vielleicht
schöner
findet
als
d
Emiile
(Emilie),
was
ja
fast
d
Emiilá
gesprochen
wird
(Betonung
auf
der
ersten
Silbe).
Diese
sächliche
Benennung
beginnt
im
Mädchenalter,
wánn
si
sich
nid
währe,
hán-sis
bis
ins
Alder.
Die
Evas
heißen
heute
alle
d
Eevaa,
auch
s
Dächderli
vum
Burgemáischder.
Wenn
wir
Moritz
glauben
dürfen,
muß
es
auch
das
Evli
und
sicher
weitere
sächliche
Frauennamen
einmal
gegeben
haben.
Ihr
großes
und
dichtes
Verbreitungsfeld
haben
die
sächlichen
Mädchen-
und
Frauennamen
heute
im
Elsaß
und
am
westlichen
Kaiserstuhl,
aber
auch
Bahlingen
und
Riegel
sagen
s
Maarii,
s
Ärnaa,
s
Eevli
usw.
Doch
für
die
Eva
im
Paradies
würde
man
heute
in
Bahlingen,
in
Rothweil
und
sonstwo
nicht
s
Eevli
sagen,
sondern
d
Evaa
-
man
nennt
nur
nahe
bekannte
Frauen
mit
sächlichem
Artikel.
Die
Kaiserstühler
Alemannisch
beherrschende
Landwirtschaftsministerin
wird
nur
von
ihren
Verwandten
und
Bekannten
z
Ghinnigschaffhúúse
und
sonstwo
s
Gärdii
genannt,
die
anderen
sagen
d
Gärdii
(Schdáibliin).
Der
Druck
des
Hochdeutschen,
auch
der
Kirchensprache,
bewirkt,
daß
man
heute
auch
am
westlichen
Kaiserstuhl
„E
Schlang
heb
d
Eva
bred’d“
dichten
würde
-
man
ist
mit
jener
Eva
halt
nicht
persönlich
bekannt.
Daß
Moritz
„s
Evli“
geschrieben
hat,
läßt
auf
einen
noch
starken
Gebrauch
des
sächlichen
Frauennamens
im
Eichstetten
von
1820
schließen.
Der
Gebrauch
des
sächlichen
Frauennamens
hat
in
den
entsprechenden
Ortschaften
übrigens
keinen
diskriminierenden
Sinn,
so
wenig
wie
s
Grooßili
(die
Großmutter)
herabsetzend
ist,
was
man
in
Eichstetten
noch
sagt.
Im
Gegenteil:
S
Grooßili
ist
in
Eichstetten
die
einzig
vorstellbare
Form.
Die
Eichstetter
waren
entsetzt,
als
die
im
Krieg
zu
ihnen
evakuierten
Rothweiler
d
Grooßle
sagten.
Mi
lengschd
Dánggis
isch,
wu
zwee
Roodwiiler
Gnirbs
d
Grooßle
gsáid
hán,
sagte
Magdalena
Höfflin
-
das
gehört
also
zu
ihren
ältesten
Erinnerungen
betreffs
der
Evakuierung.
Sächliche
Frauennamen
trifft
man
nicht
nur
im
Elsaß,
sondern,
seltener,
auch
im
Markgräflerland
und
in
der
Schweiz
noch
an.
-----------
Vieles,
was
wir
in
der
von
Moritz
überlieferten
Sprache
vorfinden,
hat
sich
wacker
gehalten,
vieles,
zunehmend
vieles
ist
aber
auch
schon
veraltet
oder
vergessen.
Das
Alemannische
in
Baden
und
auch
in
Eichstetten
verliert
an
Substanz
und
wandelt
sich
zum
Hochdeutschen.
Das
Eichstetterische
hat
sich
zwar
wie
jede
Sprache
schon
immer
gewandelt,
in
der
Folge
des
Dreißigjährigen
Krieges
vielleicht
sogar
turbulent.
Durch
die
zeitweise
Flucht
der
Eistetter,
die
Dezimierung
der
Bevölkerung
und
den
Zuzug
aus
der
Markgrafschaft
Hochberg,
der
oberen
Markgrafschaft
und
der
Schweiz
ist
es
gewiß
zu
einer
Veränderung
des
sprachlichen
Mosaiks
im
Dorf
gekommen.
Die
Einflüsse
waren
aber
überwiegend
regional,
das
Mosaik
blieb
ein
alemannisches.
Wenn
es
einmal
zu
einem
Europa
der
Regionen
kommen
soll,
wenn
Südbaden,
das
Elsaß
und
die
angrenzende
Nordwestschweiz
zu
einer
Region
zusammenwachsen
sollen,
braucht
das
Zusammenleben
eine
gemeinsame
kulturelle
Grundlage.
Ein
Teil
davon
könnte
und
sollte
die
alemannische
Sprache
bleiben.
Durch
gemeinsame
Sprache
wird
gemeinsame
Geschichte
und
Kultur
sinnlich
erfahrbar,
die
Menschen
werden
gefühlsmäßig
geeint.
Man
kann
zwar
auch
durch
ein
Gespräch
auf
Englisch
Gemeinsamkeit
erfahren.
Im
Bezug
auf
die
Region
geht
es
mit
Alemannisch
wohl
direkter
und
tiefer.
[i] Nach freundlicher Zurverfügungstellung der Daten durch Kurt Heinzmann.
[ii] Frégonneau, Wilhelm: Der Marktflecken Eichstetten in seiner Vor- und Jetztzeit. Handschrift, Eichstetten 1871; Issel, Ernst: Eichstetten am Kaiserstuhl einst und jetzt. Weinheim, im Selbstverlag 1906, S. 116ff.
[iii] Die Schlange, nach Frégonneau
[iv] Einige Blumen auf die Gruft, nach Frégonneau.
[v] Die Kur, nach Frégonneau.
[vi] Der Bock bei der Leiche, nach Issel.
[vii] Aussichten auf dem Katharinenberg und dem Kaiserstuhl, nach Frégonneau.
[viii] Ebenda.
[ix] Erörterung in: Noth, Harald: Alemannisches Dialekthandbuch vom Kaiserstuhl und seiner Umgebung, Freiburg 1993, S. 70.
[x] Aussichten ...
[xi] Nach freundlicher Zurverfügungstellung der Daten durch Kurt Heinzmann.
[xii] Mir lag eine buchstabengetreue Schreibmaschinenabschrift „Briefwechsel Hornecker 1938 - 1850“ von Thomas Steffens vor.
[xiii] „Stöhn“ ist in der Oberen Markgrafschaft gängig, dem entspricht dortiges „löhn“ (lassen). Durch Issel ist jedoch ein „lehn“ belegt (Der Bock bei der Leiche).
[xiv] Zwei der Gedichte sind sowohl bei Frégonneau als auch bei Issel dokumentiert und erlauben den direkten Vergleich.
[xv] Die Kur, nach Frégonneau.
[xvi] D’Nachdigall, nach Frégonneau.
[xvii] zu alten Konjunktiv-II-Formen in Sasbach siehe Noth, Dialekthandbuch, S. 96ff.
[xviii] Die Kur, nach Frégonneau
[xix] Nach Issel, die Vogtwahl betreffend (ohne Überschrift).
[xx] Aussichten ... sowie Einige Blumen ..., nach Frégonneau.
[xxi] Die Kur, nach Frégonneau.
[xxii] Aussichten ... nach Frégonneau.
[xxiii] Dazu Beck, Ernst: Lautlehre der oberen Markgräfler Mundart, Halle/Saale 1926, §208,2; Noth, Dialekthandbuch, S. 77ff
[xxiv] D’Nachdigall, nach Frégonneau; die Vogtwahl betreffend, nach Issel.