aus: Freiburger Zeitung, 21. Februar 1912

Wiltfeber

Kürzlich ist ein Buch erschienen, von dem die Zeitungen viel reden werden und das sich auch ohne besondere Empfehlungen Köpfe und Herzen erobern würde durch seinen ungewöhnlichen Wert. Das Buch Hermann Burtes heißt: Wiltfeber, der ewige Deutsche. Die Geschichte eines Heimatsuchers. - Wir haben da ein Werk vor uns, das sich dem mühsam in Bergen gedruckten Papiers vorwärtsstrebenden Freund deutscher Dichtung nach jahrelangem vergebenem Suchen aufdrängt, das ihn festhält und aufjauchzen läßt. Ein Werk, das durch ursprüngliche Sprache und einheitliche Anlage, durch festen Griff ins Menschenleben und unaufdringliche und doch bestechende Symbolik, durch eine Weltkenntnis überrascht, die selten so gewandt, charaktervoll und mit so viel ruhiger Satire ausgenützt worden ist. Wer Hermannn Burte ist, weiß ich nicht. Aber das weiß ich und das werden ihm auch die Feinde zugeben müssen, die einzelne leidenschaftliche Sätze ihm bringen werden: er führt seine Feder künstlerischer und dichterischer als tausende von Büchermachern; er ist gewiß ein Berufener. Das Erkenntnis- und Bekenntnisbuch, als das sich der Roman Wiltfeber darstellt, zeigt das Bild des Landes, wie es sich in den Augen des nach neunjähriger Abwesenheit heimkehrenden Wiltfeber malt; Politik und Religion, Gesellschaft und Kunst spielten hinein in die Abenteuer, die Wiltfeber von Mitternacht bis Mitternacht erlebt, als er die Ideale des Jünglings sucht und eine unerwartete Wirklichkeit findet, in der sich Volkstum und Betätigung geselligen und inneren Lebens vielfach anders offenbaren, als er gehofft hat. Er forscht vergebens nach stiller Tüchtigkeit, nach kraftvollem Innenleben, höchster Kunst, nach dem Glauben, der die Liebe zum Nächsten ist. Streber und Schwätzer und Profitjäger sieht er herrschen, dem Tüchtigsten den Kranz vorenthalten. Er selber verliert in der allgemeinen Schwachheit die Kraft, seinen leuchtenden Grundsätzen bis ans Ende zu folgen; das Menschliche besiegt ihn. Am Weltfieber, an der Untreue gegen sich selber, geht Wiltfeber zugrunde, wie er so viel des Schönsten seiner Heimat hat untergehen sehen. - Hermann Burte, der Dichter dieses Romans, ist ein Sieger, der das prächtigste Rüstzeug sein eigen nennt. Ein Sieger von wunderbarer Kraft und Ursprünglichkeit und ein Kommender, dem ich auch auf anderen Gebieten der Dichtkunst unwiderstehliche geistige Gesundheit und künstlerische Reife zutraue.                                                                                M. B.