Wiltfeber. Der Ewige Deutsche. Die Geschichte eines Heimatsuchers. Roman, 1912

"Wiltfeber" ist der Name des Titelhelds des gleichnamigen Werks von Hermann Burte. Hans Knudsen schreibt im Nachwort zur Auflage von 1927:

(...) Als Burte aus der Fremde zurückkehrt, als Heimatsucher, hält er Gerichtstag ab und schrieb seinen ersten und bisher einzigen Roman: "Wiltfeber". Burte nennt seinen "Wiltfeber" im Untertitel "die Geschichte eines Heimatsuchers"; er vermeidet die Bezeichnung "Roman", und in der Tat: was in diesem Buche an äußerem Geschehen, an inneren Entscheidungen auf die kurze Zeitspanne eines einzigen, wenn auch in jeder Minute voll ausgefüllten und ausgenutzten Tages zusammengeballt wird, das ist so gewaltig, so ungeheuerlich, so aufwühlend, daß man kaum von einem Roman im gewöhnlichen Sinne sprechen kann. Es wird wirklich sehr ernstlich "ein Tag der Prüfung, ein Tag des Gerichtes" abgehalten; was aber der Dichter und Heimatsucher hier vorzubringen hat, ist nicht etwa kleine, unzufriedene Nörgelei, sondern gibt das wieder, was der besinnliche Mensch, der empfindliche, voraustastende Dichter als Haltung der Zeit vor 1914 deutlich erkannte. Weil das Buch ein Zeitdokument ist, das wir schon heute sozusagen geschichtlich einordnen können, wird es immer unter die bleibenden Werke zu rechnen sein, in denen die Zeit vor dem Weltkrieg dichterisch so eingefangen ist, daß sie für diese Zeit charakteristisch sind. Auch dem religiösen Suchen der Zeit will der Dichter im "Wiltfeber" die erlösende, helfende Formel und Antwort bringen; er lehrt den "Reinen Krist". Er will nicht etwa Lehre und Persönlichkeit Christi abtun oder nicht gelten lassen. Nur meint er, unserer Zeit kann Christus allein nicht mehr die letzten Stützen geben. Aus Burtes gesamter Weltanschauung ist Nietzsche nicht fortzudenken, und so möchte er aus der Philosophie dieses "Sprüchemachers" das mit hinübernehmen, was uns helfen kann: er möchte Christi Lehre und die Nietzsches vereinen. Gott, als Lenker der Welt, ist uns unfaßlich, aber Krist, als "Gott in der Welt", hat "Menschennot und Menschenmaß", er ist "die letzte Ursache und erste Kraft ins Menschliche gestaltet". Wir werden es mehr nachfühlen als wirklich erfassen können, wie Burte sich die Lösung der religiösen Fragen denkt. Was Wiltfeber predigt, ist der "Reine Krist", und das heißt "mit den Hebeln des Verstandes das morsche Gerüst des Kreuzglaubens stützen".
    Im Wiltfeber sind nicht die Antworten und Lösungen das Interessante, sondern die Fragen und Probleme. Und auch dann noch, wenn man den Anschauungen Burtes nicht würde folgen können, wird man sie einer ernsten Erörterung wert finden.
    Wenn Burte von Nietzsche die Zuversicht zum Leben, zum Hinaufarbeiten durch starken Willen, zur Förderung der Gattung und zur Entwicklung der Art braucht, so macht sich das in den politisch-sozialen Fragen besonders bemerkbar. Der Hof Behringers geht unter, weil der Herrschende die Macht aus der Hand gab, und so mußte das Experiment des Kommunismus schnellstens scheitern. (Welch eine grandiose Prophetie, jahrelang bevor wir von der niederschmetternden ähnlichen Wirklichkeit etwas ahnen konnten!) Den Mißerfolg, den Wiltfeber auf allen Lebensgebieten durchmacht, leitet er ab aus der geschwächten Herrschkraft und entglittenen Herrschaft; denn "Gleichmacher" sind am Ruder, der wirklich "Beste" wird nicht beachtet. Wiltfebers Heimat kann wahre Herrschernaturen nicht mehr gebrauchen oder ertragen. Die edelsten der blonden Rasse, die Geistigen, die herrschen müßten, haben ihre Macht an die Masse abgegeben. Wiltfeber ist heimatlos geworden, ein Mensch wie er, der ewige Deutsche, ist also unzeitgemäß, ist ohne Boden, ohne Daseinsrecht und kann nur sterben. Herrennaturen, Geistige, Idealisten, Überlegene haben keinen Platz mehr in der Heimat. (...)
    Man mag zu den Anschauungen, die im "Wiltfeber" vorgetragen werden, stehen wie man will - und der Dichter hat es ja selbst ausgesprochen, daß man sein Frühwerk als Zeitdokument, als dichterische Gestaltung, nicht als Programm aus irgendeiner Parteienge oder -ecke anzusehen habe -: man wird unter gar keinen Umständen bestreiten können, daß es sich um einen glänzenden dichterischen ersten Wurf, um ein Werk hoher Geistigkeit und innerer poetischer Disposition handelt, über das nachzudenken sich verlohnt. Richard Dehmel wird kaum dafür in Anspruch genommen werden können, den Anschauungen im "Wiltfeber" innerlich sehr nahegestanden zu haben, und doch hat er sich ungemein stark angezogen gefühlt von diesem Werk und hat mit dem seinigen vielfach gleiche Wegrichtung gefunden. (...) 

Bezugsmöglichkeiten:

Das Buch wurde nach 1945 mangels politischer Korrektheit nicht mehr aufgelegt. Sie können Wiltfeber über Ihre Unibibliothek oder eine andere gut bestückte Bücherei, Ihr Antiquariat oder über

www.findmybook.de - www.antiquario.de - www.amazon.de

ausleihen oder erwerben.