Ghana ist ein Lehrstück in Globalisierung

In der taz vom 21. 10. 87 heißt es über Rawlings:

Rawlings hat ein von der neuen Elite total ruiniertes Land übernommen und mit allem Realismus dem Volk gesagt: "Wir haben nichts mehr. Nicht einmal etwas für ein Geschenk. Wir haben bloß noch Tränen und unsere Arme. Also müßt ihr weinen und den dürren Boden bewässern. Ihr müßt die Hände gebrauchen und überall etwas anbauen... Wer Würde will, kann diese nicht als Hilfe geschenkt erhalten."

1984, Quame Danso, Dorf in Ghana: Ein Häuptling mit seinem ganzen Stolz: seinen Söhnen, einem Gewehr und dem Kofferradio. Das auf den Europäer zum Teil idyllisch wirkende Leben auf dem Land war für die Einheimischen mit großen Härten verbunden.

Soweit die guten Vorsätze. Aber der mit revolutionärem Pathos angetretene Rawlings sah dann doch die "Hilfe" des Internationalen Währungsfonds, eines Vorreiters der Globalisierung, als Rettungsanker an. Mit den Folgen, die überall in der Dritten Welt anzutreffen sind. Die Produktionsziffern verbesserten sich, die Lage von Volk und Staat nicht. In der taz vom 18. 6. 1988 schreibt Klaus Enderle:

Die Nahrungsmittelsituation - 1983 der entscheidende Faktor für die Hinnahme des ERP ("Economic Recovery Programme" des Internationalen Währungsfonds) in der Bevölkerung - hat sich zwar nachhaltig verbessert, doch ist das fast ausnahmslos auf die starken Regenfälle zurückzuführen.

Des weiteren wird (vom IWF, H.N.) verschwiegen, daß die beeindruckenden Wachstumszahlen nur auf Pump finanziert wurden. Der IWF hat sich durch sein Engagement zum Hauptgläubiger des Landes gemacht, der mittlerweile seine Kredite wieder eintreibt. 1987 flossen bereits wieder 140 Millionen Dollar an den Fonds zurück, 1988 werden es über 200 Millionen sein. Ohnehin droht die Schuldensituation das Wachstum der vergangenen Jahre wieder aufzufressen. Die gesamte Auslandsverschuldung, die sich auf 2,7 Milliarden Dollar summiert, verschlingt bereits 63 Prozent der gesamten Exporteinnahmen.

An der Wirtschaftsstruktur Ghanas konnte und wollte das schuldenträchtige Umbauprogramm freilich nichts ändern. Die enorme Auslandsabhängigkeit wurde vielmehr zementiert, die binnenwirtschaftliche Produktion bleibt auch weiterhin diskriminiert. Die heutige Wirtschaftsstruktur Ghanas gleicht einem Fossil aus kolonialer Vorzeit. Ähnlich wie im Jahr 1910 ist Ghana heute mehr denn je vom Kakaoexport und damit von den Weltmarktpreisen abhängig. Die forcierte Kakaoproduktion hat dazu geführt, daß inzwischen 70 Prozent der Exporterlöse aus dem Kakaoexport erwirtschaftet werden, also gerade der Teil, der für den Schuldendienst an ausländische Gläubiger verwendet werden muß. Die gesamte Kakaoproduktion Ghanas erfolgt augenblicklich für das Ausland, und das bei gesunkenen Weltmarktpreisen und neuen Anbietern.

Die Achillesferse des ghanaischen ‘Wunders‘ liegt auf der Hand. Die weitere Entwicklung hängt an den dünnen Fäden der Weltkakaopreise, den ausländischen Kreditzuflüssen und nicht zuletzt an der inneren politischen Stabilität. Zwar konnten die Maßnahmen bislang noch ohne offenen Massenprotest umgesetzt werden, doch hat sich das Klima zunehmend verschärft. Das bekommen insbesondere die Gewerkschaften zu spüren.

Das Schuldenkarussell droht sich zunehmend auch in Ghana nach dem altbekannten Muster zu drehen: Anpassungspolitik, Popularitätsverlust der Regierung - politische Unzufriedenheit. Was letztlich bleibt, ist eine verschärfte Repression.

In der taz vom 5. 12. 95 wird berichtet, daß der ehemalige Revolutionär Rawlings versucht, Ghana zum privilegierten Partner der USA in Westafrika zu machen.

Auf seiner USA-Reise (...) offerierte Rawlings allen US-Schwarzen die ghanaische Staatsbürgerschaft, als sei Ghana die Heimat aller Sklavenabkömmlinge. Kaum ein Land der Region bietet sich so inbrünstig ausländischen Investitoren an - und anderen Interessenten aus der USA. In Cape Coast fahren Adventisten in glitzernden Geländewagen herum, die "Kirche der Heiligen der Letzten Tage" hat ein neues Gebetshaus, und am Strand baut gerade die "Pentecostal Church". Taxen fahren vorbei mit Aufklebern wie "Peace in Jesus" und der US-Fahne.

13 Jahre nach dem Beginn des Strukturanpassungsprogramm des IWF schreibt Uwe Kerkow in der taz (10.12.96):

Unter seiner Herrschaft wurde Ghana der Musterschüler von IWF und Weltbank, da es die Strukturanpassungsprogramme rigoros umsetzte. Ein Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent bis in die 90er schienen Rawlings Programm recht zu geben.

Doch heute herrscht Krisenstimmung in Ghana. Fast 70 Prozent Inflation, Auslandsschulden von fünf Milliarden US-Dollar, ein auf drei Prozent vermindertes Wirtschaftswachstum, ungehemmter Raubbau an den natürlichen Ressourcen des Landes und eine Infrastruktur, die immer noch auf den Export von Gold, Kakao und Holz ausgerichtet ist, können von dem derzeitigen Goldboom und den damit erzielten Gewinnen nicht aufgefangen werden.

Eine durchdachtere Privatisierungspolitik wird immer wieder angemahnt. Eine zu rasche Senkung der Importzölle hatte die einzige ghanaische Batteriefabrik in den Ruin getrieben. Die heimische Textilindustrie wird zur Zeit durch Altkleiderimporte aus der "Ersten Welt" zerstört. Und Mitte des Jahres hatte die Regierung von Rawlings - auf Druck der Weltbank - den inländischen Rohölmarkt für Ölmultis freigegeben. Damit wurden die Subventionen für die Beninpreise aufgehoben.

Ein Anfang dieses Jahres erschienener - mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellter - offizieller Armutsbericht spricht davon, daß 30 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben. Rawlings neue Regierung wird nur einen minimalen Handlungsspielraum haben.